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Salzburger Festspiele: Faust und der Tod in Leder

Salzburger Festspiele Faust Leder
Salzburger Festspiele Faust Leder(c) ORF (Magdalena Lepka)
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Gustav und ihre fantastische Band machten den letzten Abend der Reihe "Auf eigene Faust" zum Ereignis. Auch die klug geschnittenen Videos trugen zum Gelingen des Abends bei.

Nein, Ben Becker war nicht peinlich. Obwohl er wirklich alles tat, um es zu sein: In seinem ledernen Salzburger Deppenpunk-in-den-Alpen-Outfit tobte er über die Bühne wie ein Gereizter, gab den angetrunkenen Hardrock-Poseur genauso wie den angeschossenen Hardcore-Grizzly, rauchte frech, demolierte einen Mikrofonständer, küsste den Boden, küsste schließlich Eva Jantschitsch vulgo Gustav die Füße.

Sie hat sich diese kleine Huldigung verdient, denn ihr war es zu verdanken, dass Ben Becker eben doch nicht peinlich war: Er, der Tod im „Jedermann“, wirkte auf der Bühne des „Republic“ wie ein Geist, den sie gerufen hatte, eine schwankende Gestalt, eine walpurgisnächtliche Erscheinung.

Womit wir beim „Faust“ wären, mit dem es sich Jantschitsch nicht leicht gemacht hat. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, diesen sattsam bekannten Adorno-Satz zitierte, variierte und persiflierte sie im letzten Song des Abends – wissend, dass in Goethes Welttheater genau das Gegenteil gezeigt wird: Es gibt richtiges Leben im falschen, und zwar in Hülle und Fülle. Es gibt z.B. Kasperl (Pulcinelle), die in der kaiserlichen Pfalz unbestellt auftauchen und einer Riege von ungeschlachten Holzhauern sagen: „Ihr seid die Toren, gebückt geboren.“ Daraus wird bei Gustav ein Song, in dem es nicht um Pulcinelle geht und nicht um Holzfäller, auch nicht um Kaiser, Geld und Narren, sondern um ein ganzes (richtiges?) Leben, dessen Subjekt „Felsen fassen und in Trümmer schlagen und den Vorhang zerreißen und das enge Leben in seine Schranken weisen“ soll.

„Staub sollt ihr fressen“

Was ja schon wieder ziemlich goethisch und faustisch klingt. Einen anderen Song hat Gustav aus einer Regieanweisung gebastelt: „Wir bauen Apparate zu fantastischen Zwecken“ – was für ein Post-Punk-Slogan! Ben Becker skandierte ihn beherzt, ebenso wie den Ruf des Mephisto: „Staub sollt ihr fressen – und mit Lust!“

Man kann über diese gewitzte „Faust“-Schürferei – deren Ergebnis an manchen Stellen an Texte von Blixa Bargeld erinnerte – ausführlich grübeln, wenn die zwölf Songs dieses Abends (hoffentlich) auf Platte erhältlich sind. Sie funktionierten aber auch ganz unmittelbar, ohne dass man jedes Wort verstanden hätte. Das machte erstens die an manchen Stellen unmerklich ins Selbstironische gleitende Bühnenpräsenz von Eva Jantschitsch: Diese Frau wirkte nicht einmal unangenehm kokett, wenn sie nach Ben Beckers Auftritt meinte, jetzt sei der Höhepunkt vorbei, nun könnten die Damen und Herren daran denken, die Restaurant-Reservierungen in Anspruch zu nehmen...

Auch die klug geschnittenen Videos trugen zum Gelingen des Abends bei. Vor allem aber die großartige Band, die Jantschitsch zusammengestellt hat: sechs Musiker, die avancierten Pop spielten, der viel hinter sich hat, Punk & Psychedelic, Elektro & Akustik. Schall & Rauch, Kraut & Rüben usw. usf., und trotzdem nicht abgeklärt wirkt. Der theatralisch im besten Sinn ist, mit Verve, aber ohne Outrage. Und, ganz prosaisch: der präzise einstudiert wurde. Dass Gustav sich das leisten konnte, ist den Salzburger Festspielen zu danken. Und ist ein gutes Argument dafür, dass Subventionen sehr wohl auch für Pop gerechtfertigt sein können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

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