Neues Virus verbindet Kunst und Wissenschaft

Neues Virus verbindet Kunst
Neues Virus verbindet KunstTeresa Zoetl
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Wer erklärt uns die Welt? Und mit welchen Bildern? Der in Wien forschende Molekularbiologe Giulio Superti-Furga verstärkt einen historischen Dialog, der zuletzt immer intensiver geführt wird.

Welle oder Teilchen – wie sieht so ein Photon, ein „Lichtteilchen“, das schließlich unsere ganze Weltsicht bestimmt, eigentlich aus? Es ist beides, versucht Anton Zeilinger in seinem Grundkurs Quantenphysik auf der Documenta 13 dem Publikum u. a. gerade zu erklären. Befriedigende Darstellungsmöglichkeiten für so ein Wellenteilchen gibt es allerdings keine. Was während des Hochamts der bildenden Kunst noch stärker auffällt als sonst.

Die Darstellung einer massiv ansteigenden Flut an Daten jenseits kilometerlanger Computerausdrucke ist eine der großen Über- und Herausforderungen der Naturwissenschaften heute, meint dazu Molekularbiologe Giulio Superti-Furga, der das Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften leitet. Und sie ist nur ein Punkt, an dem der Dialog zwischen Wissenschaftlern und Künstlern spannend werden kann. Denkt man etwa an die Möglichkeiten von Gesamtkunstwerken, bei denen alle menschlichen Sinne angesprochen werden. Innovative Forschungseinrichtungen wie das Broad Institute von MIT und Harvard etwa, erzählt Superti-Furga, haben sich deshalb schon Künstler ins Team geholt.

Die Beziehung zwischen den Disziplinen scheint intensiver zu werden. Die Einladung Zeilingers zur Documenta 13 war sozusagen das internationale Coming-out. „Documenta 13“-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev bezeichnet Künstler selbst sogar als Grundlagenforscher und die Documenta als „Laboratorium“. Zeilinger kann von einem seinerseits längst nicht mehr erfüllbaren Interesse bildender Künstler an seiner Arbeit berichten. Superti-Furga richtet für Kooperationen und Austausch am (von Peter Kogler gestalteten) CeMM sogar eigene Räume ein, die „Brain Lounge“ zum Beispiel.

„Künstler sind kritisch und unverschämt“

Wird die Kunst Brutstätte neuer Universalgenies à la Leonardo? Ist sie pure Verschwendung? Superti-Furga hat dafür Goethe parat: „Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst.“ Alle interdisziplinären Zugänge, meint er, sind sinnvoll: „Wir brauchen neue Denkweisen. Künstler eignen sich perfekt dazu, sind meist wissenschaftlich sehr beflissen, verstehen viel und sind dabei kritisch und unverschämt. Von ihnen bekommt man meist ein interessanteres Feedback als von Fachkollegen.“ Künstlerisches Interesse ist für Superti-Furga geradezu Gradmesser: „Wenn unsere Forschung nicht gesellschaftsrelevant wäre, würde sie Künstler auch nicht berühren.“

Thomas Feuerstein (1968 in Tirol geboren) ist einer der Künstler, die Superti-Furga „zum Denken bringen“. Seine „Viren“-Bilder etwa haben für den Forscher etwas „mit dem Geheimnis der Viren zu tun – sie sind unheimlich, keine wirklichen Lebewesen, aber Teil von uns, manipulieren uns“. Entstanden sind die Bilder 2007 durch ein Computerprogramm, mit dem Feuerstein das Phänomen der „Apophänie“ für sich untersuchen wollte, das Erkennen bedeutsamer Muster in zufälligen Strukturen, also das Gesicht auf dem Mond zum Beispiel. Die bedrohlich runden Geschwader bilden also keine Viren ab, wir erkennen sie nur als solche. Feuerstein kreist mit seinen Projekten immer wieder um naturwissenschaftliche, vor allem biochemische Forschungen. In der Kunsthalle Krems wird er im Herbst gemeinsam mit der Med-Uni Innsbruck eine „prozessuale Skulptur“ zeigen, die u. a. auch Gehirnzellen in einem Bioreaktor wachsen lässt, erzählt er.

Der Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft ist für ihn allerdings nur fruchtbar, „wenn eine Disziplin für die andere nicht nur Hilfswerkzeug ist, sondern es überraschende Momente gibt“. Er wisse zwar am Anfang immer ganz genau, was er von den Wissenschaftlern wolle, „die aber nicht. Am Anfang bin ich der Parasit. Am Ende ist es dann manchmal umgekehrt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

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