Phettberg ist 60: "Bin nicht mehr der, der ich einmal war"

Phettberg nicht mehr einmal
Phettberg nicht mehr einmal(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der Ex-Talkmaster lebt zurückgezogen, Schlaganfälle haben sein Sprechvermögen stark beeinträchtigt. Trotzdem bleibt er ein scharfer Beobachter.

Der ehemalige Talkmaster und "Falter"-Kolumnist Hermes Phettberg, der mit bürgerlichem Namen Josef Fenz heißt, feiert am 5. Oktober seinen 60. Geburtstag. Er lebt zurückgezogen in seiner Wohnung an der Gumpendorferstraße, aber seine körperlichen Gebrechen halten ihn nicht davon ab, weiterhin seinen "Predigtdienst" zu verfassen, in dem er sich als scharfer Beobachter gegenwärtiger Diskurse profiliert.

Von dem einstigen Koloss und medienwirksamen "Extremerotiker" ist wenig übrig geblieben. Mehrere Schlaganfälle haben sein Sprechvermögen stark beeinträchtigt, er hat rund 100 Kilo abgenommen und ist nur noch um die 70 Kilogramm schwer. Viermal pro Woche wird er von einer Heimhilfe betreut, diese hat "mein Leben gerettet", sagt Hermes Phettberg gleich zu Beginn des APA-Gesprächs in seiner Wohnung in Wien-Mariahilf. Es geht im "elend", so elend, "dass ich nicht mehr an 'Gotty' glauben kann". 'Gotty' ist sein Name für Gott, seine Helfer nennt er liebevoll "Nothelfys".

Medikamente und "Jeansboys"

An den Wänden der mit Medikamenten, angebissenen Äpfeln und getrockneten Kornspitzen übersäten Dreizimmerwohnung hängen zwischen erotischen Gemälden zahlreiche Poster von "Jeansboys", auf den Tischen türmen sich Zettelberge, neben seinem Rollator liegen Hermann Hesses "Demian" und Thomas Glavinics "Unterwegs im Namen des Herrn". Neben den Büchern füllen vor allem Radiosendungen seinen Alltag: "Ich lebe nur von Ö1", sagt Phettberg, wie alles, mehrmals hintereinander.

Immer wieder muss er sich zurücklehnen, sich "sammeln", um weitersprechen zu können. Wer seinInternet-Tagebuch, die "Gestionen" kennt, weiß, dass der Schein trügt: Hermes Phettberg denkt klar, kritisch, zynisch. Bloß die Artikulation macht nicht immer mit.

"Mir entgeht nichts", schmunzelt er in Hinblick auf seinen Radio-Konsum. Doch ausgerechnet das Fernsehen, das wesentlich zu seinem einstigen Ruhm beigetragen hat, bleibt ihm verwehrt. Nach seinen Schlaganfällen kommt er nicht mehr mit den beiden Fernbedienungen zurecht. "Es ist einfach zu kompliziert für mich, den Fernseher einzuschalten. Aber ich will es auch nicht."

Aufregung um den "Garten der Lüste"

Jüngst gab es wieder Aufregung um eine Kunst-Aktion Phettbergs: Mit der Aktion "Garten der Lüste" im Rahmen der "Wienwoche", bei der er sich an einen Baum fesseln ließ, demonstrierte er gegen Homophobie. Einige Medien witterten die Verschwendung von Steuergeldern. Phettberg spendete seine Gage für Asylwerber.

Die Aufregung lässt Phettberg selbst kalt. Schließlich habe er sein Honorar der "Rosa-Lila-Villa" gespendet, um einem türkischen Transsexuellen, der in seiner Heimat verfolgt wurde, ein Zimmer in Wien zu organisieren. "Unser Staat ist reich, er sollte sich bemühen, Andersartige, die in ihrer Heimat verfolgt werden, aufzunehmen", unterstreicht Phettberg.

"Ein Kind hätte es in meinem Leben nicht leicht gehabt"

Die Situation von Schwulen und Lesben schätzt er heutzutage als wesentlich besser als vor einigen Jahrzehnten. Dennoch: "Dass die ÖVP dagegen ist, dass Schwule und Lesben Kinder adoptieren dürfen, ist ein Wahnsinn. Nur ein Kind macht die Vaterschaft perfekt." Er selbst bereut es nicht, keine Kinder zu haben: "Ich bin dafür auch zu dumm gewesen. 'Gotty' hat schon Recht gehabt. Ein Kind hätte es in meinem Leben nicht leicht gehabt", so Phettberg selbstkritisch, aber wehmütig.

Im Laufe des Gesprächs hat sich Phettbergs Gemütszustand von "elend" auf "voller Glück" verbessert. "Ich lebe von der Sozialhilfe. Mein größter Wunsch ist es, mir jeden Tag einen Kaffee und ein Butterbrot mit Schnittlauch im Cafe Jelinek leisten zu können. Das reicht mir." Aber auch beim Essen stößt Phettberg nunmehr an seine Grenzen. Kommenden Montag wird ihm sein letzter Backenzahn gezogen. Er sieht zu seiner Heimhilfe auf: "Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war."

Phettbergs Werdegang

Hermes Phettberg wurde am 5. Oktober 1952 in Hollabrunn geboren. Der Sohn von Weinbauern arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien wurde.

Mitte der 80er-Jahre war er Mitbegründer des Vereins "Libertine Sadomasochismusinitiative Wien" und des Projekts "Polymorph Perverse Klinik Wien". Öffentlich bekannt wurde er mit sadomasochistischen Kunstaktionen (wie seiner "Verfügungspermanenzen") gemeinsam mit Walter Reichl im Rahmen von "ErotiKreativ" im WUK.

In der Theatergruppe "Sparverein Die Unz-Ertrennlichen" rund um Kurt Palm spielte er ab Anfang der 90er-Jahre verschiedene Rollen, seit 1992 schreibt Phettberg für den "Falter" die wöchentliche Kolumne "Phettbergs Predigtdienst". Eine Sammlung der Falter-Kolumnen erschien als Faksimile der Typoskripte unter dem Titel "Hundert Hennen. Katechesen 1992 - 2003".

In seiner Talkshow "Phettbergs Nette Leit Show" begrüßte er ab Ende 1994 verschiedene Prominente, darunter etwa Marcel Prawy, Hermann Nitsch, Manfred Deix oder Josef Hader . Gemeinsam mit Kurt Palm gab er 1996 das Buch "Frucade oder Eierlikör" mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung "Beichtphater Phettberg" aus. Als jährlicher Fixpunkt gilt nach wie vor sein jährlicher Auftritt auf der Regenbogenparade auf dem Wiener Ring.

Phettberg erhielt 1993 den Franz-Grillparzer-Preis der "Anonymen Aktionisten" und 2002 den Preis der Stadt Wien für Publizistik. 2007 widmete sein alter Freund und Entdecker Kurt Palm dem nunmehrigen Sozialfall einen Dokumentarfilm: "Hermes Phettberg, Elender".

Ein neuer Film entstand im Vorjahr: Sobo Swobodnik drehte die Schwarz-Weiß-Doku "Der Papst ist kein Jeansboy", ein Kino-Starttermin steht jedoch noch aus. Am 18. Oktober (19 Uhr) wird im Rahmen des Rauchsalons in der Wiener Secession das im Sensationsverlag herausgegebene Buch "Alles Erschreckliche! Ausgewählte Texte" präsentiert. Hermes Phettberg wird kommen, hundert signierte Bücher liegen als Vorzugsausgabe bereit.

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

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