Weil der kaufmännischer Direktor Peter Weinhäupl einer umstrittenen Klimt-Stiftung vorsitzt, nimmt Tobias Natter den Hut.
"Man kann nicht zwei Herren dienen", sagte Tobias G. Natter, museologischer Direktor des Leopold Museums, am Montag, dem "Kurier". Mit dieser Aussage attackierte er Peter Weinhäupl (rechts), den kaufmännischen Direktor des Hauses, weil dieser neben seiner Tätigkeit im Leopold Anfang Oktober auch Vorstand in der neu gründeten Klimt-Ucicky-Stiftung wurde. Noch bevor es zum Eklat kam, tat Natter einen überraschenden Schritt: Während der Preisverleihung des OscART gab Natter seine Kündigung als Leopold-Direktor bekannt. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Eigentlich war für Tobias G. Natter der Posten des museologischen Direktors im Wiener Leopold Museum "Liebe auf den ersten Blick", wie er bei seiner Vorstellung im September 2011 verkündete. Nach zwei Jahren scheint diese Liebe nun erkaltet. Dabei hatte der heute 52-jährige Experte für die Kunst der Wiener Moderne über lange Zeit als der gleichsam natürliche Nachfolger des 2010 verstorbenen Sammlers Rudolf Leopold gegolten. (c) APA/GINDL Barbara (GINDL Barbara)
Geboren wurde Tobias G. Natter am 26. Mai 1961 in Dornbirn. Er studierte in Innsbruck, München und Wien Betriebswirtschaftslehre (den ersten Studienabschnitt) sowie Geschichte und Kunstgeschichte, das Fach, in dem er 1988 promovierte. Nach kurzer Tätigkeit an der Uni Wien startete er seine Museumslaufbahn im Historischen Museum der Stadt Wien, 1991 wechselte er an die Österreichische Galerie Belvedere, wo er bis 2006 zum Kustos und Chefkurator aufstieg und Ausstellungen zu Kokoschka, Klimt und Schiele kuratierte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Für das Jüdische Museum Wien arbeitete er unmittelbar nach dessen Gründung als regelmäßiger Gastkurator und zeigte im Wien Museum "Schiele und Arthur Roessler". Im Leopold Museum stellte er sich als Fachmann für den Facettenreichtum rund um die Wiener Moderne mit "Die nackte Wahrheit. Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale" im Jahr 2005 vor. Als internationaler Botschafter der heimischen Kunst um 1900 machte sich Natter als Ausstellungskurator auch an der Neuen Galerie New York, im japanischen Kobe oder an der Tate Liverpool einen Namen. (c) imago stock&people (imago stock&people)
Aber schon am Belvedere wollte Natter höher hinaus und bewarb sich erfolglos um die Nachfolge von Direktor Gerbert Frodl. 2006 ging es dann zurück in die alte Heimat, und Natter übernahm das Vorarlberger Landesmuseum, für das er ein umfassendes museologisches Konzept zur Neuausrichtung erarbeitete, mit der er eine Verdreifachung der Besucherzahlen erreichte. (c) APA/OTS/VORARLBERGER LANDESMUSEU (OTS/VORARLBERGER LANDESMUSEUM VL)
Sein 2010 auslaufenden Vertrag beim Landesmuseum verlängerte Natter allerdings nicht. Er wurde schon damals als Favorit für das Leopold Museum gehandelt. Nach langen Verhandlungen, die sich nicht zuletzt um die Gehaltsvorstellungen drehten, wurde Natter schließlich als Nachfolger von Rudolf Leopold präsentiert. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
In den zwei Jahren seit Amtsantritt am 1. Oktober 2011 konnte der neue Direktor einige höchst erfolgreiche Ausstellungen verwirklichen. Die hochinszenierte Schau "Klimt persönlich" zog im Jubiläumsjahr 2012 über 250.000 Besucher an. Dabei fand Natter noch Zeit für Veröffentlichungen, die gewichtigste darunter "Gustav Klimt: The Complete Paintings" im Taschen Verlag - mit fast acht Kilogramm. (c) Die Presse - Schaufenster (Christine Pichler)
Auch die auf den männlichen Akt fokussierte Ausstellung "Nackte Männer" wurde mit knapp 200.000 Schaulustigen zum großen Erfolg und ist derzeit in Paris zu sehen. Weniger handfest war da "Wolken - Bilder zwischen Himmel und Erde" im heurigen Jahr. Zuletzt wurde die Oskar-Kokoschka-Ausstellung "Das Ich im Brennpunkt" eröffnet. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Erst im Mai wählte die Londoner "Times" das Leopold Museum unter den 50 besten Kunstmuseen auf Platz 40. Und just am Montagabend, als Natter den Kunstpreis OscART für außergewöhnlichen Leistungen im Museumswesen entgegennahm, gab er seinen Rücktritt als Leopold-Direktor bekannt. (c) imago stock&people (imago stock&people)
''Man kann nicht zwei Herren dienen''
Noch nie ist bei der Verleihung des „Oscarts", des Preises der österreichischen Kunstszene, etwas ähnlich Dramatisches, geschweige denn etwas Dramatisches passiert. Das änderte sich Montagabend schlagartig, als der eben für seine Leistungen ausgezeichnete künstlerische Leiter des Leopold Museums, Tobias Natter, auf offener Bühne seinen Rücktritt erklärte.Grund dafür ist die Doppelfunktion seines kaufmännischen Pendants am Museum, Peter Weinhäupl, der kürzlich die Klimt-Foundation gründete, als deren Vorsitzender er auch auf Lebenszeit fungiert. Im Stiftungsvermögen befinden sich 14 Werke Gustav Klimts aus der Sammlung seines Sohnes Gustav Ucicky (1899-1961). Die Witwe dieses in der NS-Zeit mit Propagandafilmen erfolgreichen Regisseurs hat die Werke eingebracht, deren Wert auf rund 200 Millionen Euro geschätzt wird. Neben Weinhäupl sitzen noch dessen Lebensgefährtin Sandra Tretter sowie sein Bruder im Vorstand. Stiftungsanwalt Andreas Nödl ist auch Mitglied im Vorstand der Leopold Museum Privatstiftung.
Diese hat die Doppelfunktion Weinhäupls nun abgesegnet, so Natter, es sei keine Inkompatibilität zu erkennen. Er selbst sehe dagegen sehr wohl „mögliche Interessenskonflikte und eine Unvereinbarkeit". Daher ziehe er die Konsequenzen und verlasse das Museum.
Stiftungszwecke ähneln sich
Mit ihrer Gründung Ende September sorgte die Klimt-Stiftung („Gustav Klimt/Wien 1900 Foundation") für Irritationen in der Kunstwelt. Eine seltsame Optik wurde konstatiert, nicht nur von Natter, auch von Belvedere-Direktorin Agnes Husslein. Seltsam war auch, dass sowohl die Familie Leopold als auch das Museums-Team erst durch die Medien von der Stiftung ihres kaufmännischen Direktors erfuhren, deren Stiftungszwecke sich teils fast wortwörtlich gleichen: Beide wollen die Bedeutung der Kunst in Wien um 1900 darstellen. Beide treten als wesentliche Leihgeber für internationale Ausstellungsprojekte auf. Mit Natter verliert das Leopold Museum einen der führenden Experten für Klimt und Wien um 1900 weltweit. Der 1961 geborene Vorarlberger war Chefkurator im Belvedere, leitete das Vorarlberger Landesmuseum und trat 2011 die Nachfolge Rudolf Leopolds als künstlerischer Leiter des Sammlermuseums an. (sp)
Auf einem Blick
Das Leopold-Museum wurde 2001 im Wiener Museumsquartier eröffnet, es zeigt die Sammlung von Rudolf Leopold und seiner Frau Elisabeth.
Tobias G. Natter wurde 2011 zum museologischen Direktor gewählt. Natter, geboren 1961 in Dornbirn, studierter Kunsthistoriker und international anerkannter Experte für Wiener Kunst um 1900, leitete davor das Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz.
Die neue Stiftung hatte für Zwist im Leopold-Museum gesorgt. Ein Team der Rechtsexperten soll noch im November eine Empfehlung im Fall des "Bildnis Gertrud Loew" abgeben.
Es sei eine "unglaubliche Undankbarkeit, einfach hinzuschmeißen, anstatt mir beizustehen", sagt die Sammlerwitwe über den Leopold-Direktor, der völlig unerwartet gekündigt hat. Die Kultusgemeinde will das Museum auflösen.