Nachdem der museologische Direktor überraschend seinen Rücktritt erklärt hatte, wurde er nun für den Rahmen der laufenden Kündigungsfrist offiziell dienstfrei gestellt.
Die Amtszeit von Tobias G. Natter als museologischer Direktor des Wiener Leopold Museums scheint endgültig vorüber: Nachdem er in der Vorwoche wegen der Doppelfunktion des kaufmännischen Direktors Peter Weinhäupl in der neu gegründeten Klimt-Stiftung seinen Rücktritt erklärt hatte, wurde Natter nach eigener Aussage am Montagabend in der Sitzung der Leopold-Museum-Privatstiftung für den Rahmen der laufenden Kündigungsfrist offiziell dienstfrei gestellt.
"Ich sehe leider die Voraussetzungen bestätigt, die zu meinem Verzicht auf eine weitere Ausübung meines Dienstvertrages geführt haben", so Natter in einer Aussendung: "Zu meinem allergrößten Bedauern verlasse ich ein Haus, dessen Sammlung weltweit geschätzt wird und für das ich die Ehre hatte, mich mit großer Freude, Leidenschaft und Gestaltungswillen erfolgreich einzubringen."
Plädoyer für Transparenz
Er habe mit seinem Schritt klar für Transparenz plädiert, so Natter im APA-Gespräch. Sein Wunsch wäre gewesen, dass sich auch jedes Vorstandsmitglied in der Causa positioniere. Dies sei jedoch ausgeblieben: "Das ist ein Armutszeugnis", so Natter. Die von ihm kritisierte mangelnde Transparenz sehe er dabei nicht in der Stiftungskonstruktion hinter dem Leopold Museum begründet. "Ich führe das eher auf die handelnden Personen zurück", so Natter.
"Man kann nicht zwei Herren dienen", sagte Tobias G. Natter, museologischer Direktor des Leopold Museums, am Montag, dem "Kurier". Mit dieser Aussage attackierte er Peter Weinhäupl (rechts), den kaufmännischen Direktor des Hauses, weil dieser neben seiner Tätigkeit im Leopold Anfang Oktober auch Vorstand in der neu gründeten Klimt-Ucicky-Stiftung wurde. Noch bevor es zum Eklat kam, tat Natter einen überraschenden Schritt: Während der Preisverleihung des OscART gab Natter seine Kündigung als Leopold-Direktor bekannt. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Eigentlich war für Tobias G. Natter der Posten des museologischen Direktors im Wiener Leopold Museum "Liebe auf den ersten Blick", wie er bei seiner Vorstellung im September 2011 verkündete. Nach zwei Jahren scheint diese Liebe nun erkaltet. Dabei hatte der heute 52-jährige Experte für die Kunst der Wiener Moderne über lange Zeit als der gleichsam natürliche Nachfolger des 2010 verstorbenen Sammlers Rudolf Leopold gegolten. (c) APA/GINDL Barbara (GINDL Barbara)
Geboren wurde Tobias G. Natter am 26. Mai 1961 in Dornbirn. Er studierte in Innsbruck, München und Wien Betriebswirtschaftslehre (den ersten Studienabschnitt) sowie Geschichte und Kunstgeschichte, das Fach, in dem er 1988 promovierte. Nach kurzer Tätigkeit an der Uni Wien startete er seine Museumslaufbahn im Historischen Museum der Stadt Wien, 1991 wechselte er an die Österreichische Galerie Belvedere, wo er bis 2006 zum Kustos und Chefkurator aufstieg und Ausstellungen zu Kokoschka, Klimt und Schiele kuratierte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Für das Jüdische Museum Wien arbeitete er unmittelbar nach dessen Gründung als regelmäßiger Gastkurator und zeigte im Wien Museum "Schiele und Arthur Roessler". Im Leopold Museum stellte er sich als Fachmann für den Facettenreichtum rund um die Wiener Moderne mit "Die nackte Wahrheit. Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale" im Jahr 2005 vor. Als internationaler Botschafter der heimischen Kunst um 1900 machte sich Natter als Ausstellungskurator auch an der Neuen Galerie New York, im japanischen Kobe oder an der Tate Liverpool einen Namen. (c) imago stock&people (imago stock&people)
Aber schon am Belvedere wollte Natter höher hinaus und bewarb sich erfolglos um die Nachfolge von Direktor Gerbert Frodl. 2006 ging es dann zurück in die alte Heimat, und Natter übernahm das Vorarlberger Landesmuseum, für das er ein umfassendes museologisches Konzept zur Neuausrichtung erarbeitete, mit der er eine Verdreifachung der Besucherzahlen erreichte. (c) APA/OTS/VORARLBERGER LANDESMUSEU (OTS/VORARLBERGER LANDESMUSEUM VL)
Sein 2010 auslaufenden Vertrag beim Landesmuseum verlängerte Natter allerdings nicht. Er wurde schon damals als Favorit für das Leopold Museum gehandelt. Nach langen Verhandlungen, die sich nicht zuletzt um die Gehaltsvorstellungen drehten, wurde Natter schließlich als Nachfolger von Rudolf Leopold präsentiert. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
In den zwei Jahren seit Amtsantritt am 1. Oktober 2011 konnte der neue Direktor einige höchst erfolgreiche Ausstellungen verwirklichen. Die hochinszenierte Schau "Klimt persönlich" zog im Jubiläumsjahr 2012 über 250.000 Besucher an. Dabei fand Natter noch Zeit für Veröffentlichungen, die gewichtigste darunter "Gustav Klimt: The Complete Paintings" im Taschen Verlag - mit fast acht Kilogramm. (c) Die Presse - Schaufenster (Christine Pichler)
Auch die auf den männlichen Akt fokussierte Ausstellung "Nackte Männer" wurde mit knapp 200.000 Schaulustigen zum großen Erfolg und ist derzeit in Paris zu sehen. Weniger handfest war da "Wolken - Bilder zwischen Himmel und Erde" im heurigen Jahr. Zuletzt wurde die Oskar-Kokoschka-Ausstellung "Das Ich im Brennpunkt" eröffnet. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Erst im Mai wählte die Londoner "Times" das Leopold Museum unter den 50 besten Kunstmuseen auf Platz 40. Und just am Montagabend, als Natter den Kunstpreis OscART für außergewöhnlichen Leistungen im Museumswesen entgegennahm, gab er seinen Rücktritt als Leopold-Direktor bekannt. (c) imago stock&people (imago stock&people)
''Man kann nicht zwei Herren dienen''
Zuvor hatte der Vorstand der Leopold-Museum-Privatstiftung lediglich bekannt gegeben, man habe "einstimmige Beschlüsse über die künftige personelle Führung der museologischen und kaufmännischen Direktion gefasst". Die Details werde man der Öffentlichkeit aber erst dann verkünden, wenn die Betroffenen informiert seien.
Der Vorstand übertrug am Freitag dem Kunsthistoriker Franz Smola die Leitung des Hauses. Per Ausschreibung soll ein Nachfolger für Tobias G. Natter gefunden werden.
Es sei eine "unglaubliche Undankbarkeit, einfach hinzuschmeißen, anstatt mir beizustehen", sagt die Sammlerwitwe über den Leopold-Direktor, der völlig unerwartet gekündigt hat. Die Kultusgemeinde will das Museum auflösen.