Raubkunst-Fall: „Sicher Bilder aus Österreich dabei“

Raubkunst, Bilder, Nazis, München, Hildebrand Gurlitt
Raubkunst, Bilder, Nazis, München, Hildebrand Gurlitt(c) REUTERS (WOLFGANG RATTAY)
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Kunstfund in München. Cornelius Gurlitt dürfte auch heimische Bilder gehortet haben. Experten über den Österreich-Bezug.

Ein geheimnisvolles Licht in der Nacht, ein Mann, der immer allein ist, nicht mit den Nachbarn reden will, sein Haus verkommen lässt – ist Cornelius Gurlitt am Ende ein Fritzl der Kunst? Der Mann, der rund 1400 Kunstwerke, davon vermutlich sehr viel NS-Raubkunst, aus dem Besitz seines Vaters, des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, in einer Münchner Wohnung hortete – darunter Meisterwerke der laut Nazis „Entarteten Kunst“ und klassischen Moderne, zum Teil ganz Unbekanntes wie ein Selbstporträt von Otto Dix oder Bilder von Chagall oder Matisse? Cornelius Gurlitt besitzt auch ein Haus in Salzburg, im Nobelviertel Aigen. Und habe sich immer schon sehr verdächtig verhalten, meinen nun Nachbarn.

Da dürfte es für manche Österreicher fast enttäuschend sein, was die deutschen Ermittler am Dienstag bei einer Pressekonferenz verkündeten: Sie gehen nicht davon aus, dass es ein zweites Lager in Österreich gebe. Auch die Tatsache, dass Hildebrands Cousin Wolfgang Gurlitt in Österreich lebte und die Linzer Neue Galerie (Lentos) gründete, sagt per se noch nichts über einen Österreich-Bezug des Falls. Dem Linzer Kulturdirektor Julius Stieber zufolge „gab es keine Geschäftsbeziehung“.

„Vieles hin und her geschafft“

Einige Werke könnten allerdings gerade angesichts des Einflussbereiches der Gurlitts Raubgut aus Österreich sein. „Es sind sicher Werke österreichischer Provenienz dabei“, glaubt Otto Hans Ressler, Mitbegründer des Wiener Auktionshauses Im Kinsky. „Die Bilder gingen oft durch die Hände mehrerer Kunsthändler, da wurde auch zwischen Österreich und Deutschland vieles hin und her transportiert“, sagt auch die deutsche Provenienzforscherin Meike Hopp der „Presse“. „Spontan würde ich die Zahl aber nicht allzu hoch einschätzen.“

Was wäre gewesen, hätte Gurlitt seinen Besitz nach Kriegsende deklariert, wie es viele (gezwungenermaßen) taten? Er hätte die Bilder vielleicht behalten können, meint Hopp. „Nach dem Krieg hatte niemand die Möglichkeit, so etwas zu überprüfen.“ Gurlitt war nicht der einzige Kunsthändler, der unter Hitler große Kunstschätze ansammelte. „Viele benutzten das später als Grundstock für ihre Sammlungen. Viel überraschender als die Menge finde ich, dass alles bis heute zusammengeblieben ist.“

Zwickau liebt Gurlitt

In Zwickau, wo Hildebrand Gurlitt in den 1930er-Jahren das städtische Museum leitete, schwärmt man von seinem Wirken: Er hat hier viel gewagt und umgekrempelt, sich sehr für die moderne, später als „entartet“ geltende Kunst eingesetzt, sagt Michael Löffler vom Kulturamt. „Wir sind ihm bis heute dankbar und machen in den letzten Jahren wieder vieles wie er damals. Und egal, was er später getan haben sollte, wir müssen ihm im Prinzip dankbar sein, dass er all diese Kunst nicht der Vernichtung überlassen, sondern indirekt gerettet hat.“

„Das meiste bedenklich“

Mögliche Erben dürften das anders sehen. „Es wird Jahre, vielleicht Jahrzehnte brauchen, um die Bilder den Eigentümern zuzuordnen“, sagt Ressler. „Und oft wird es vielleicht nicht gelingen“. Gleich wie er geht auch der österreichische Jurist Alfred Noll, der sich in der Kunstrestitutions-Causa von Klimts Bild „Amalie Zuckerkandl“ einen Namen gemacht hat, davon aus, dass der überwiegende Teil des Fundes „bedenklicher Herkunft“ ist.

Zwar sei der Gegenbeweis zulässig, aber „bei lebensnaher Betrachtung hätte ein lupenreiner Sammler die Sammlung längst öffentlich gemacht oder verkauft“.

Eine Internet-Veröffentlichung könnte nun die Rückgabe erleichtern. Noll kann die Geheimhaltung kriminaltaktisch verstehen, für die Provenienzforschung und mögliche Berechtigte wäre eine Veröffentlichung dennoch nötig, sagt er – „Museen gehen seit 15 Jahren diesen Weg.“

Einige Erben werden schon von sich aus aktiv, wie jene des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Sie haben bekannt gegeben, dass sie den Fund nach Werken aus Flechtheim-Besitz überprüfen lassen wollen. Eines daraus, Max Beckmanns „Löwenbändiger“, hatte Cornelius Gurlitt 2011 versteigern lassen, Gurlitt und die Erben erzielten eine Einigung.

Wie konnte Cornelius Gurlitt einen Teil der Sammlung an den Mann bringen? Bis zum Kunstrückgabegesetz 1998 habe sich keiner um die Provenienz gekümmert, sagt Noll, so sei auch ein Verkauf über Auktionshäuser möglich gewesen. „Und es hat sich wohl schnell herumgesprochen, dass Gurlitt gute Ware hat. Er musste sich wohl sogar gegen die begierigen Mittelsmänner wehren, um nicht allzu viel freizugeben“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2013)

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