"Man merkt es doch schnell, wenn es stinkt!"

Klaus A. Schröder
Klaus A. Schröder APA/GEORG HOCHMUTH
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Klaus A. Schröder und Eberhard Kohlbacher über selbstsüchtige Sammler und die abnehmende Bedeutung von Hehlerei.

Gibt es ihn? Den Sammler, der ein Kunstwerk stehlen oder auf legalem Weg besorgen lässt, und es wegschließt, um es allein zu betrachten? „Wahrscheinlich“, sagt Albertina-Direktor Klaus A. Schröder: „Aber vergessen Sie einmal den Diebstahl. Eigentlich ist das ja ein ideales Kunstverhalten, in der Romantik von August Wilhelm Schlegel aufwärts hätte man gesagt: So sollte es sein, Kunst als Meditationsobjekt. So ein Sammler will nicht repräsentieren, angeben, auf seinen Status verweisen. Er genießt die Kunst um der Kunst willen. Wir sehen das heute anders: Kunst ist ein Allgemeingut und muss allen zugänglich sein.“


Van-Gogh-Bild im Sarg? Ein besonders krasses Beispiel von Kunstleidenschaft war der japanische Unternehmer Saitō Ryōei, zu dessen Sammlung zwei der zehn teuersten, je verkauften Kunstwerken gehören: „Bal au Moulin de la Galette“ von Renoir und „Dr. Gachet“ von Van Gogh. „Legt das Bild in meinen Sarg“, verlangte Saitō Ryōei 1991. 1996 starb er, von „Dr. Gachet“ fehlt seither jede Spur. Private Sales, Privat- oder Direktverkäufe nehmen in internationalen Auktionshäusern an Bedeutung zu und machen nach Schröders Schätzung bereits ein Viertel bis ein Drittel des Kunstmarktes aus. Verstecken sich dahinter illegale Machenschaften? „Auktionshäuser nutzen ihre Kontakte, um Käufer, Verkäufer auch außerhalb der öffentlichen Versteigerungen zusammenzubringen. Das ist nicht illegal. Der Grund kann auch darin liegen, dass Käufer und/oder Verkäufer auf Diskretion Wert legen. Der Verkäufer will z. B. nicht, dass jeder weiß, dass er das Bild verkauft hat, damit es nicht heißt, er musste verkaufen. Natürlich ist es möglich, dass jemand unklare Provenienzen verschleiern will. Es kann aber auch andere Gründe haben, dass ein Verkäufer will, dass ein Bild längere Zeit in der Hand eines Käufers bleibt“, erläutert Schröder.

Welche Rolle spielt Hehlerei, gibt es viel illegalen Handel mit Werken zweifelhafter Herkunft, Raubkunst? „Immer weniger“, meint Schröder: „In dem Augenblick, in dem es um mehr Geld geht, will doch niemand mit Restitutionsproblemen konfrontiert sein, die womöglich Jahre, Jahrzehnte später auftauchen, auch wenn der Raub längst verjährt ist. Kein Mensch zahlt hunderttausende oder Millionen Euro für Diebsware. Das hat sich alles in den letzten Jahren sehr stark verändert. Sammler verlangen heute eine lückenlose Provenienz. Dass Hehler Waren auf den Markt schleusen und das unentdeckt bleibt, gibt es heute nur mehr bei minderwertiger Kunst. Das können Sie auch daran sehen, dass Kunstdiebstähle bedeutender Objekte in der Regel nur mehr dazu benutzt werden, um eine Versicherung zu erpressen.“


U-Boot-Geschäftsleute. Alfred Weidinger, Vizedirektor des Belvedere, meinte, es sei „lächerlich, von einer großen Entdeckung zu sprechen“ – bei den 1400 Werken, die bei Cornelius Gurlitt gefunden wurden. Schröder: „Das stimmt nicht! Natürlich wusste man, dass die Gurlitts Bilder besaßen. Trotzdem ist es eine absolute Sensation, dass diese Sammlung aufgetaucht ist. Meiner Ansicht nach ist nicht damit zu rechnen, dass vergleichbare Funde noch gemacht werden.“ „Man merkt, wenn's stinkt“, sagt Kunsthändler Eberhard Kohlbacher (Wienerroither & Kohlbacher) auf die Frage, ob er schon öfter mit Werken zweifelhafter Herkunft konfrontiert gewesen sei: „Wenn einer zu mir ins Geschäft kommt und mir einen Schiele oder Kokoschka für ein paar Tausender anbietet und ich weiß, wenn das Bild echt ist, kostet es ein Vielfaches davon, klingeln bei mir die Alarmglocken.“

„Ein ordentlicher Händler“, so Kohlbacher, „lässt sich sicher nicht auf Hehlerei ein. Natürlich gibt es einen grauen Markt oder Private, U-Boot-Geschäftsleute, aber für uns gilt das Prinzip der Due Dilligence, der sorgfältigen Prüfung. In den Fünfziger-, Sechzigerjahren war das ein Kavaliersdelikt. Manche haben auch nicht gewusst, was sie besitzen oder verkaufen. Es gibt ja das Prinzip des guten Glaubens – durchaus zu Recht, weil nach drei Besitzern gilt: Den Letzten beißen die Hunde. Aber heute muss man sehr vorsichtig sein. Der Kunstraub der Nationalsozialisten, das ist allgemein akzeptiert, war eine besonders perfide Sache, nicht vergleichbar mit dem, was Napoleon oder die Engländer aus Ägypten abtransportieren ließen. Da muss man eher sagen, seien wir froh, dass diese Objekte erhalten wurden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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