Museum zu verkaufen, na und?

(c) LAURENT ZIEGLER
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In Wien wird die belgische Sammlung Herbert gezeigt. Wie einmal schon in Graz. Nur nicht so schön. Trotzdem treffen wir immer dieselben: West, Zobernig, Kippenberger.

Es ist eine der schönsten Ausstellungen, die man im Wiener Museum moderner Kunst in den vergangenen Jahren gesehen hat – durchdacht und elegant gehängt, gestellt, kombiniert. Ein würdiger letzter Auftritt der renommierten Privatsammlung des belgischen Paares Annick und Anton Herbert in „Freiheit“, danach sollen die 2008 in eine Stiftung eingebrachten Bestände internationaler Minimal- und Konzeptkunst umfassend nur noch im eigenen „Museum“, einer einstigen Industriehalle in Gent, zu sehen sein.

Alle sind glücklich – der Sammler selbst, der sich aus der Mumok-Sammlung bedienen durfte, um Lücken zu schließen, die man selbst zu schließen versäumt habe, wie er sagt. Viele waren das anscheinend nicht, die Mumok-Einsprengsel auf den vier Stockwerken sind eher homöopathisch. Auch Mumok-Direktorin Karola Kraus strahlt – endlich konnte sie verwirklichen, was sie 2011 noch für Baden-Baden geplant hatte, in kleinerer Form. Dann wurde sie nach Wien berufen, die Herbert-Ausstellung wurde gecancelt.

Der Sammlername kommt Ihnen bekannt vor? 2006 schon stellte Peter Pakesch ein Best-of der Sammlung im Kunsthaus Graz vor. Auch damals sah man ihre Hauptwerke, wie Martin Kippenbergers lebensgroßes Modell eines „Spiderman Ateliers“. Oder Gerhard Richters monumentales Farbflimmerfeldgemälde „1024 Farben in 4 Permutationen“. Oder Bruce Naumans geniales Leuchtreklamegemälde „Sex Or Death“, in dem sich zwei Männerfiguren abwechselnd mit ihren Waffen oder Penissen bedrohen.

Im Mumok hat Kuratorin Eva Badura allerdings besonders gelungene Dialoge initiiert, etwa ein Skulpturenwäldchen aus Säulenartigem von Franz West, Heimo Zobernig und Michelangelo Pistoletto. Oder, im obersten Stock, das Generaltreffen der beiden Brachialhumoristen Mike Kelley und Martin Kippenberger: Der Kalifornier lässt zwei ratternd hinter Türen hervorfahrende, überlebensgroße Trachtenfiguren mechanisch einander zuprosten, eine ganz böse Kuckucksuhr-Slapstick-Persiflage. Daneben torkeln zwei nicht sonderlich standfeste Straßenlaternen Kippenbergers. So viel zum Schmunzeln. Der Rest ist Hardcore-Kost, für deren näheres Verständnis man auf das beigestellte handliche Begleitheft zurückgreifen muss.

Ein Netz: Pakesch, Kraus, Grässlin

Insider zu sein ist in dieser Clique von Vorteil. Dieses Gefühl beschleicht einen, versucht man, das Netz zu analysieren, in dem man hier zappelt. Sind Namen wie Pakesch, Kraus, deren Schwester, die Galeristin Bärbel Grässlin, und Sammler wie die Herberts im Spiel, kreist immer alles um dieselben Namen. Um die, die Pakesch in den 1980er-Jahren schon in seiner Wiener Galerie ausgestellt hat, Zobernig, West, Kippenberger, Baldessari, Kelley, Sol Lewitt, Albert Oehlen usw. Diese Künstler sind durch die Programme von Mumok und Kunsthaus Graz mittlerweile in Österreich derart institutionalisiert, dass man das Gefühl hat, immer dasselbe zu sehen, nur in unterschiedlichen Variationen. Allmählich wird das ein bisschen langweilig.

Was hätte zu diesen Verstrickungen von Markt und Institutionen wohl der belgische Konzept-Uronkel Marcel Broodthaers gesagt, der die Herberts wesentlich in ihrer Sammlungstätigkeit beeinflusste? Hätte er das Mumok ebenso gestürmt, wie 1968 das Palais des Beaux-Arts in Brüssel? Broodthaers, dessen Arbeiten eine prominente Sektion in der Ausstellung gewidmet ist, steht am Beginn der Institutionskritik in der Kunst. Er gründete zu Hause ein eigenes „Museum der Moderne“, inklusive Wappenvogel (Adler), einer Idee, der sich heute die benachbarte Kunsthalle Wien bedient. Der 1976 verstorbene Broodthaers ist mittlerweile ein Paradebeispiel des Problems, das historische Institutionskritik heute hat. Sie ist zu Tode institutionalisiert.

„Musée à vendre pour cause de faillite“ lautet der ebenfalls von Broodthaers entlehnte Titel der Mumok-Schau (Museum wegen Konkurses zu verkaufen). Als geschaltete Anzeige im Katalog der Kölner Kunstmesse 1971 war das vielleicht noch drastisch. Auf die graue Mumok-Wand riesengroß appliziert kann ihn heute einfach nur niemand mehr verstehen, sprachlich und inhaltlich. Wir haben Detroit, wo Experten den Wert von Museumssammlungen zwecks etwaigen Schuldenabbaus schätzen. Wen kümmert's.

Bis 18. Mai. Mo: 14–19h, Di–So: 10–19h, Do: bis 21h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2014)

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