Hans Hollein: Auf dem Mond - oder woanders

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Am Donnerstag ist einer der großen Architekten und Künstler, die Österreich in der Welt vertraten, nach langer Krankheit gestorben. Hans Hollein wurde 80 Jahre alt. Sein Jubeljahr wird zum Jahr der Erinnerungen an den Universalisten.

Die langen, strähnigen weißen Haare, die untersetzte Gestalt, die kleinen, stechenden Augen, der Blick zumindest öfter abwehrend, fast arrogant, als neugierig und schelmisch. Hans Hollein war sich seines markanten Auftritts bewusst. Jahrzehntelang war er eine prägende Figur des österreichischen Kulturlebens, schwer präsent, immer unterwegs, immer gefragt, immer seltener beschäftigt – unser aller einziger Träger des Pritzker-Preises, des Nobelpreises der Architektur. Donnerstagfrüh ist er nach langer Krankheit in einem Wiener Krankenhaus gestorben. Dort war er schon, als am 30.März sein 80.Geburtstag hymnisch bedacht wurde. Die Einladungskarten zu den Ausstellungen in diesem Jubeljahr waren verschickt bzw. in Druck. Jetzt werden sie zu Ausstellungen des Gedenkens (im Museum Mönchengladbach, in der Galerie Ulysses, im MAK, siehe Infobox).

Hollein war ein internationaler Star, der in Wien lebte, mit offenen Sinnen dafür, nirgends mehr angebetet, aber auch nirgends mehr abgelehnt zu werden als hier, in seiner Heimat, in der er 1934 in eine Ingenieursfamilie geboren wurde. Sein Weg scheint heute so klar, seine Entwicklung zum Avantgardisten rasant: Ohne Umwege studierte er gleich nach der Schule bei Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste – entschied sich dann wieder richtig, ging mit Anfang 20 schon in die USA, lernte weiter auf den Unis in Chicago und in Berkeley, Kalifornien. Und stieß Anfang der 1960er-Jahre wieder zu seinen Altersgenossen in Wien, die gerade mit aller Wucht und Macht und Radikalität das Neue formulierten. Diese Avantgarde rund um Hollein, Walter Pichler, Hausrucker und Co. ist heute legendär.

Auf ins Weltall!

Es ging gegen alle Konventionen, alles Bürgerliche, die Funktionalität, den Pragmatismus, das Mittelmaß. Was zählte, als die Menschen die Kriegstraumata hinter sich zu lassen versuchten und in Richtung Weltall aufbrachen, war die Utopie. In Manifeste gegossen. Wie 1963, als Hollein/Pichler ihren ersten großen Auftritt in Wien, in der Galerie St.Stephan, absolvierten: „Architektur ist elementar, sinnlich, primitiv, brutal, schrecklich, gewaltig, herrschend.“ Sie ist „nicht Befriedigung der Bedürfnisse der Mittelmäßigen, ist nicht Umgebung für kleinliches Glück der Massen“. Architektur „wird gemacht von denjenigen, die auf der höchsten Stufe der Kultur und Zivilisation, an der Spitze der Entwicklung ihrer Epoche stehen. Architektur ist eine Angelegenheit der Eliten.“ Gebaut werde nicht mehr für einen Zweck. „Was wir bauen, wird seine Verwendung finden.“

Was für Worte, was für eine Hybris, was für ein Beginn, der alle Grenzen ignorierte. Ein paar Jahre später, 1967, klang das schon anders, in seiner Radikalität noch gesteigert: „Alle sind Architekten. Alles ist Architektur“, formulierte Hollein sein Credo parallel zu Joseph Beuys, der im selben Jahr jeden Menschen als Künstler ausrief. Also setzte Hollein sich selbst in aufblasbaren Plastikbürozellen mitten ins Feld. Ließ Ausstellungsbesucher mit Schaufeln Cola-Flaschen als Relikte „ausgraben“. Widmete in Collagen, die sich heute teilweise im New Yorker Museum of Modern Art befinden, Alltagsgegenstände wie Teeservice oder weniger Alltägliches wie Flugzeugträger zu Stadtarchitekturen um.

Diese Mischung aus Science-Fiction und Archaik, wie es treffend beschrieben wurde, zieht sich durch Holleins Werk, in dem die Zeitachsen ausgehebelt wurden, wie es Peter Weibel, der Weggefährte voll Bewunderung für diesen „Universalisten“, formulierte. In bildender Kunst, Architektur, Design, Theoretiker, Kulturpolitik und Ausstellungsgestaltung wollte Hollein immer eines: etwas bewegen. Als Redaktionsmitglied der Architekturzeitschrift „Bau“, die lang vor ihrer Anerkennung Architekten wie Loos, Schindler und Kiesler propagierte. Als langjähriger Österreich-Kommissär für die Biennale Venedig (1978–1990). Als langjähriger Präsident des Kunstsenats (1999–2012). Als Lehrender in den USA, Deutschland und vor allem an der Wiener Angewandten (1976–2002).

Um 1970, da war Hollein gerade 30, begann sein internationaler Durchbruch, der in Wien mehr durch Skandale begleitet wurde: beginnend mit seinem ersten eigenständigen Projekt, der bald unter Denkmalschutz gestellten Fassade des winzigen Kerzengeschäfts Retti am Kohlmarkt (die Kreiskys Augen angeblich nicht zumutbar war), über die Aufregungen um das Haas-Haus gegenüber dem Stephansdom, schon eher eine postmoderne Hollein-Orgie (1985–1990), bis hin zum Flugdach der Albertina zuletzt (2001–2003).

Auf ins Exil! Wieder

Als ihm 1985, mit Anfang 50, der renommierte Pritzker-Preis verliehen wurde, hatte er bereits wegweisende Museumsbauten in Mönchengladbach und Frankfurt (Museum der Moderne) gebaut. Es folgten u.a. das Museum Vulcania in der Auvergne, Österreichs Botschaft in Berlin, zuletzt noch baute er in China und Peru. Ein Opernhaus hätte er gern noch gebaut, erzählte er immer wieder; seine Absage, gemeinsam mit Frank Gehry die Disney-Konzerthalle in Los Angeles zu verwirklichen, bereute er bis zuletzt.

Welches seiner vielen Bauwerke ihm am liebsten war, diese Antwort aber blieb er schuldig, auf ein Hauptwerk wollte er sich nicht festlegen. Da sei es doch wie mit den Kindern, sagte er, man könne sich nicht entscheiden, welches man lieber habe. Zumindest in diesem Punkt hatten es Lilli (Kuratorin und Designspezialistin) und Max (Direktor Städel und Schirn Frankfurt) mit ihrem Vater leichter. Gestern, Donnerstag, war der Abschied dann gekommen. Wieder ist in Österreich die „Architektur im Exil“, wie Hollein 1960 in einem Gedicht geschrieben hat. „Auf dem Mond/Oder am Nordpol.“

LEBEN UND WERK

1934 in Wien geboren, studierte Hollein Architektur in Wien und den USA. 1985 bekam er den Pritzker-Preis, bis heute ist er der einzige derart prominent ausgezeichnete österreichische Architekt. Hollein baute fast rund um die Welt, u.a. das Museum Abteiberg in Mönchengladbach, das Museum Moderner Kunst Frankfurt, das Haas-Haus in Wien (Abb.), das Nationalmuseum Ägyptischer Zivilisationen in Kairo.
Mehrere Ausstellungen waren zu Holleins 80.Geburtstag bereits geplant: „Alles ist Architektur“, Mönchengladbach, bis 28.9., „Hollein“, MAK, 25.6.–5.10., Galerie Ulysses, 5.–31.5. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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