Weltraumfotografie: Dort also wohnen wir!

Nasa, Mond, Weltraum, Fotografie
Nasa, Mond, Weltraum, Fotografie(c) Nasa
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„Völlig losgelöst“, eine ausnehmend schöne Ausstellung im Wiener Fotomuseum Westlicht über Geschichte und Resultate der fotografischen Erkundung des Universums, macht einen wieder einmal so richtig bescheiden.

Nach dem Urknall war etwa 13,8 Milliarden Jahre lang einmal nichts – abgesehen von Sternexplosionen, kollidierenden Galaxien, Planeten, die sich aus glühenden Nebeln formten und von Asteroiden bombardiert wurden, was also doch einiges war.

Dann, vor zwei bis drei Millionen Jahren, tauchte der Mensch auf – und wusste nicht, wo er war. Vor 100.000 bis 200.000 Jahren erschien der moderne Mensch, der Homo sapiens, der wusste die meiste Zeit auch nicht, wo er war. Sicher dämmerte es den Griechen vor etwa zweieinhalbtausend Jahren, im sechsten Jahrhundert vor Christus, dass der Mensch auf einer Kugel lebe. Aber sehen konnte man die so richtig noch lange nicht.

Das musste bis August 1966 warten: Da flog die US-Raumsonde Lunar Orbiter 1 um den Mond und sandte von dort ein gewaltiges Bild von aufklärerischer Kraft: Über die untere Hälfte, etwa entlang einer Diagonalen, spannt sich leicht unscharf eine schwarz-weiß schraffierte, pockennarbige Fläche aus Kratern, rundlichen Bergen und wüsten Ebenen. Und links darüber im Hintergrund, in der aussichtslosen Schwärze des Alls, ein weißlicher, nebelverhangen wirkender Halbkreis: die Erde. Dort also sind Dinge wie Australien, Ägypten und Attnang-Puchheim, dort werden, leben, sterben wir.

Von unserem Ecktischerl der Galaxie . . .

Das Bild ist nur eines von etwa 150, die derzeit im Wiener Fotomuseum Westlicht gezeigt werden, als Teil der feinen Ausstellung „Völlig losgelöst – Die Geschichte der Weltraumfotografie“. Zusammengestellt hat sie Jay (eigentlich Joseph) Belloli, ein 69-jähriger kumpelhafter Kalifornier mit „offensichtlichen Wurzeln in Norditalien, die Gegend um Turin“, wie er schmunzelnd sagt, für die California/International Arts Foundation in Los Angeles. Der erfahrene Ausstellungsmacher beschäftigt sich seit Mitte der 1980er auch mit den Themen Astronomie und Raumfahrt und hat gute Kontakte zur Nasa. Wien ist nach Kalifornien und New York der dritte Schauplatz seiner aktuellen Bilderschau. Und die, so erweist sich, macht einen wieder so richtig bescheiden, wenn nicht demütig, sie zeigt, wo der Mensch im Kosmos seinen Platz hat, irgendwo versteckt in einem Seitenarm dieser Galaxie, an einem Ecktischerl sozusagen, aber wir haben halt nichts anderes, darum sollte es für uns auch wichtig sein, dort anständig (zusammen) zu leben.

Die Fotografie, erfunden in den 1820er-Jahren, hat sich recht rasch des Himmels angenommen. Im März 1840 machte der Engländer John Draper vom Staat New York aus ein erstes brauchbares Foto vom Vollmond, nach der Methode der Daguerreotypie mit chemisch behandelten, silberbeschichteten Metallplatten. Das Bild ist Teil der Ausstellung, es muss aber wohl irgendwann etwas mit Wasser oder Hitze passiert sein, denn es wirft Blasen und man erkennt nicht sehr viel.

Wunderbar klar hingegen zeichnet sich der „Große Komet“ von 1882 am gräulichen Sternenhimmel ab. Ihn hat der schottische Astronom David Gill von Kapstadt aus fotografiert, das erste Lichtbild eines Wandersterns. Auch andere Objekte sind der wirklich historischen Dimension der Astrofotografie gewidmet, etwa jene Aufnahme vom 6. Oktober 1923, die unsere Nachbargalaxie Andromeda zeigt (Nachbar heißt 2,5 Millionen Lichtjahre) und aufgrund welcher der große US-Astronom Edwin Hubble zeigen konnte, dass es andere Galaxien fernab unserer Milchstraße gibt und sich das All zudem ausdehnt. Hubble (1889–1953) machte darauf handschriftliche Anmerkungen, die einem archimedischen „Heureka!“ entsprechen.

Ende der 1950er wurden die Bilder bunt, die Ergebnisse sind so dramatisch wie wunderschön. Da sind die berühmten Fotos der weißblauen Erdkugel, vom Mond aus gesehen, die die Apollo-Missionen der 1960/70er lieferten und die auch die Popkultur beeinflussten, etwa als Cover des Albums „Spectators“ der deutschen Synthesizer-Popband „Wolfsheim“ von 1999. Hier strahlt der gewaltige Ringplanet Saturn beige vor dem Hintergrund der Sonne, aufgenommen von der Nasa-Sonde Cassini 2006; dort ist das satte, fast gelangweilt wirkende Blau des Gasplaneten Neptun. Dann dreht sich die Schau weiter hinaus, zu Sternhaufen, kollidierenden Galaxien, Supernovae und dem ersten Foto eines Exoplaneten, also eines Planeten, der einen anderen Stern umkreist: Er ist ein helles Pünktchen in einer rötlichen Staubscheibe um den Stern Fomalhaut (Sternbild Südlicher Fisch), bloß 25 Lichtjahre entfernt und sicher unbewohnbar, das Weltraumteleskop Hubble hat ihn 2008 abgelichtet.

. . . fast an die Schöpfungstür geklopft

Von ihm stammt auch eine Aufnahme, die der Schöpfung fast an die Tür klopft: 2003/04 hat es einen winzigen Ausschnitt des Himmels, der komplett und leer schien,  lange Zeit beobachtet – das Sichtfeld entsprach einem Quadratmillimeter auf einen Abstand von einem Meter, umgerechnet einem Dreizehnmillionstel des sichtbaren Himmels. Und plötzlich war dort alles voller Sterne: Etwa 10.000 sehr kleine Galaxien in vielen Farben wurden auf dem Bild namens „Hubble Ultra Deep Field“ gezählt – in einer Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren. Aufgrund der Relativität heißt das, dass man diese Welteninseln so sieht, wie sie läppische 800 Millionen Jahre nach dem Urknall existiert haben.

Doch der Mensch ist seiner Welt am nächsten, und so zeigt eine gewaltige Aufnahme des US-Mars-Rovers Spirit vom März 2004, was unsere Erde ist: ein helles, unscheinbares Pünktchen über dem Horizont kurz vor Sonnenaufgang auf dem Mars, so übersehbar, dass man es mit einem Pfeil und der Notiz: „You are here“ markiert hat. Ein Leuchtkäfer wäre größer. Dort also sind wir.

Noch bis 25. Mai, Di/Mi/Fr 14–19, Do 14–21, Sa/So 11–19; Wien 7, Westbahnstraße 40

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)

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