Gesso Artspace: Ausstellen, was man »selbst sehen möchte«

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Im etwas abgeschiedenen Gesso Artspace Wien im 21. Bezirk betreiben der Maler Andreas Reiter Raabe und Mäzen A. Obermayr ein Non-Profit-Projekt. Verkaufen ist hier Nebensache.

Seit Jahren wurde in Wien keine neue Galerie mehr gegründet. Das Feld der kommerziellen Kunstvermittlung mit dem Ziel, ein profitables Geschäft zu führen, ist wohl gesättigt. Stattdessen sperren immer mehr Projekträume auf. Manche stehen in enger Verbindung zur Kunsthochschule wie Wellwellwell am Mittersteig 2. Andere zeigen weltbekannte Künstler wie der Raum Gesso in der Donaufelderstraße 73. Als Verein eingetragen, finden hier galerieähnliche Ausstellungen statt. Manche Werke stehen zum Verkauf, aber das ist nicht der Hauptzweck des Ende 2012 gegründeten Ortes, sondern dient dem Selbsterhalt.
Die Lage auf der anderen Seite der Donau, fern von allen anderen Kunsträumen der Stadt, und auch der Name zeigen es: Gesso ist ein Non-Profit-Künstlerprojekt. Der italienische Begriff gesso bezeichnet die Grundierung auf Leinwänden. Gesso-Gründer ist der Maler Andreas Reiter Raabe zusammen mit A. Obermayr, der als Mäzen im Hintergrund bleibt. Die beiden kleinen Räume im 21. Bezirk kosten ihn kaum Miete, hier kann er die Ausstellungen kuratieren, „die ich selbst sehen möchte“.

Interesse an Verzahnungen. Reiter Raabes Malerei basiert auf vielen Schichten von Farben, die er in unzähligen Arbeitsschritten übereinander aufträgt. Die Überschneidungen, Schnittmengen und Verzahnungen interessieren ihn dabei – ein Prinzip, das auch für seinen Raum gilt. In den zwei nebeneinanderliegenden Geschäftslokalen brachte der Maler schon 22 Künstler zusammen, darunter Stars wie Bruce Nauman, Ed Ruscha und Sharon Lockhart. „Artists using Photography“ war das Thema. „Das waren Arbeiten, die man kaum kennt, auch Künstlerbücher, die ich absolut gleichbedeutend sehe wie die großen, teuren Werke.“ Dazwischen standen auch Cut-outs der ukrainischen Künstlergruppe Femen: James Robertson hatte die Gründerin Hanna Huzol vervielfältigt und von der Straße in die Galerie zurückholt. Oder es kommen nur zwei Positionen zusammen wie gerade in der Dialogausstellung „Minimum“: der deutsche Konzeptkünstler Franz Erhard Walther (geb. 1939) kombiniert mit dem Turner-Prize-Gewinner 2011, Martin Boyce (geb. 1967), der sich mit der Formensprache der Moderne beschäftigt. Reiter Raabe interessiert, wie man die Werke durch den Dialog neu sehen kann: „Walther wird dadurch sehr poetisch“ – und Boyce rückt mehr Richtung Design, möchte man ergänzen.

Woher nimmt der Wiener die Werke berühmter Künstler? Er habe ein Netzwerk von Künstlerfreunden und finde Wege, die Werke ohne die enormen Kosten des „überprofessionalisierten“ Kunstsystems zu transportieren, erklärt Reiter Raabe. Künstler und manchmal auch Sammler oder Galerien seien offen für seine Projekte. Verkauft er auch? Das sei nicht sein Hauptinteresse und in Österreich schwierig. „Ich hab das Gefühl, dass es kaum noch eine Leidenschaft für Kunst gibt, oft ist es nur ein Prahlen mit Namen.“

Von den szenebekannten Sammlern habe noch keiner den Raum besucht. Liegt das an der Lage oder an fehlenden Museumsformaten, die Kunstkäufer bevorzugen? Gerade diese Aspekte seien ja das Spezielle seines Raumes, betont er: die Unabhängigkeit von Marktkriterien. Seine Besucher bleiben meist mehrere Stunden, die intensiven Gespräche sind das Entscheidende. Darum will er auch auf keine Kunstmesse: „Ich habe noch keine Idee, wie ich die Aufmerksamkeit auf einer Messe nutzen und gleichzeitig den Markt für meine Interessen benutzen könnte.“ Und hat er keine Sorge, dass der Zeitaufwand für das Projekt ihn von seiner künstlerischen Arbeit ablenkt? Er müsse oft warten, bis die Schichten seiner Bilder getrocknet seien – und denke dann über neue Ausstellungen für Gesso nach. Als Nächstes plant er eine Malerei-Ausstellung: „Ein sehr schwieriges Thema, man sieht es nur selten und selten gute. Die letzte, die mich überzeugte, war ,Der Zerbrochene Spiegel‘ 1993 in Wien.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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