Kleine Narren, Teufel und ein Hochzeitstanz im Dorf

ALTE MEISTER IM DOROTHEUM / (Brueghel d.J.)
ALTE MEISTER IM DOROTHEUM / (Brueghel d.J.)APA
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Die "Alte Meister"-Auktion am 21. Oktober gehört zu den Höhepunkten der Dorotheumssaison – mit Toplosen aus dem 17. Jahrhundert.

Ein kleines Maxl hämmert auf den Kopf eines Mannes ein, der gerade ähnliche Mini-Männchen aus einem Sack auspackt. Hinter ihm sitzen Kaufleute an einem Tisch und wiegen die menschliche Ware. Vorne links hockt ein Maxl mit nacktem Gesäß auf einer Schale, wird mit Brei gefüttert und entleert gleichzeitig seinen Darm. Ähnlich grotesk geht es rundherum zur Sache, in der weiten Landschaft sind kleine Narren im Baum versteckt, die Größeren gehen sexuellen Vergnügungen in allen Posen nach. Dieses Wimmelbild wird Frans Verbeeck zugeschrieben, der in Mechelen um 1510-1570 lebte. 2007 war bereits ein ähnliches, aber deutlich kleineres Werk im Dorotheum für 160.000 Euro verkauft worden, der Zuschlag ging an Peter Alexander.

Dieser großformatige „Narrenhandel“ sei aber „von der malerischen Qualität wesentlicher besser“ und der Zustand erstaunlich gut, betont Alexander Strasoldo. Er ist Experte für Alte Meister im Dorotheum, wo dieses ungewöhnliche Verbeeck-Werk, das aus einer belgischen Privatsammlung stammt, am 21. Oktober zur Versteigerung kommt.

Mit letzter Sicherheit kann man das Bild jedoch nicht einem bestimmten Verbeeck zuordnen. Denn die Verbeecks waren eine vielköpfige Malerdynastie, der man im Laufe der Generationen 33 Gemälde und 37 Zeichnungen zuschreibt. Sie waren spezialisiert auf Wasserfarbenmalerei auf großformatigen Leinwänden, „Tüchleinbilder“ genannt, wie Strasoldo erklärt. Diese Werke kamen in der Farbigkeit den damals beliebten Tapisserien gleich, waren aber weitaus günstiger zu kaufen – allerdings nicht sehr haltbar, was diesen mit Öl gemalten „Narrenhandel“ als seltenen Glücksfall auszeichnet.


Ein Sinnbild menschlicher Torheit. Es war sehr schwer, den Preis zu finden. Denn es gibt nichts Vergleichbares auf dem Markt“, erklärt Strasoldo. Auf 900.000 bis 1,2 Millionen Euro ist das Werk jetzt taxiert – angesichts der musealen Qualität spricht Strasoldo vom „Hauptwerk des Meisters“. Es gilt als Höhepunkt der Auktion. Verglichen mit den Nachkriegskunstpreisen ist der Schätzpreis keine nennenswerte Summe, verkaufte die Galerie Skarstedt doch gerade auf der Kunstmesse Frieze Masters Andy Warhols „Der Schrei“ „in der Region von 5,5 Millionen Dollar“. Die Arbeit war 2007 von Christie's für 2,1 Millionen Dollar versteigert worden.

Doch zurück zu den Alten Meistern: Der „Narrenhandel“ versinnbildlicht, dass menschliche Torheit immer im Umlauf ist – ein bitterer Blick auf die Menschen. Viele Szenen spielen direkt auf Sprichwörter an, die uns heute großteils nicht mehr geläufig sind. Die Schläge auf den Kopf bedeuten etwa: Es ist unmöglich, die Dummheit operativ zu entfernen. In einem Käfig sitzt ein kleiner Teufel auf einem Ei: „Man lasse keinen Narren Eier ausbrüten, Narren brüten nur wieder Narren aus.“

Aus derselben Zeit stammt auch der zweite Höhepunkt der Auktion: „Hochzeitstanz im Freien“ von Peter Brueghel II., ein nur 20 Zentimeter kleines, rundes Werk. Es kommt aus einer US-amerikanischen Privatsammlung, der Einbringer habe sich für das Dorotheum entschieden, weil hier oft gute Ergebnisse für Werke der Brueghel-Familie erzielt wurden, verrät Strasoldo. Schätzpreis ist 200.000 bis 300.000 Euro für dieses seltene Rundbild mit einer Szene aus dem Dorfleben – ein in der Malerfamilie beliebtes Motiv. Aber anders als bei dem berühmten Vater baut der Sohn (1564-1637/38) hier keine moralische Botschaft ein, sondern er erzählt uns detailliert vom Leben im Dorf.

Aus der vierten Generation der Familie stammt Abraham Brueghel (1631-1697), dessen „Früchtestillleben in einer Landschaft“ aus einer Mailänder Privatsammlung kommt und für 200.000 bis 300.000 Euro angeboten wird. Er arbeitete zunächst in der Manier seines Vaters Jan Brueghel der Jüngere, änderte aber seinen Stil nach einer Reise nach Italien, wo er ab 1666 auch lebte. Typisch für den Meister aus dem Norden ist die Detailgenauigkeit und Präzision, die großzügiger und großflächiger vor allem in den einzelnen Blütenblättern ausfällt.


Eine ungewöhnliche Serie. Freunde der Stillleben finden in der Auktion auch weitaus niedriger Taxiertes: Abraham van Beijerens (1620-1690) Werk mit sinnlichen Pfirsichen (20.000 bis 30.000 Euro), Gerrit van Vuchts (1610-1698) Stilllebenpaar mit Musikinstrumenten (15.000 bis 20.000 Euro) oder die „Tulpen und Nelken in einer Terrakottavase“ (5000 bis 7000 Euro) von Andrea Belvedere, gen. Abate Andrea (1642-1732).

Absolut ungewöhnlich sind die drei grotesken Szenen von Maestro della Fertitlità dell'Uovo, der im 17. Jahrhundert in Brescia tätig war. Man weiß nicht viel über den Maler, dessen Werke sich durch den Verzicht auf Räumlichkeit und Perspektive auszeichnen. Menschen, Zwerge und vermenschlichte Tiere treten gemeinsam auf, sitzen auf Stühlen, am Pult ein Lehrer, auf einem anderen Bild steht ein schwarzes Schwein im rosa Mantel auf einem Tisch – eine Figur, die auch auf einem vierten Bild dieser Serie zu finden ist, das vor zwei Jahren im Dorotheum versteigert wurde. Vielleicht erwirbt der damalige Käufer diese Werke dazu? Jedes ist auf 10.000 bis 15.000 Euro taxiert. Es wäre zwar schade, wenn die Gruppe endgültig auseinandergerissen würde, aber der Markt folgt nicht den kunsthistorischen Wünschen.

Aus einer Serie stammen auch zwei auf je 80.000 bis 120.000 Euro taxierte Frauenporträts von Pietro Antonio Rotari (geboren 1707 in Verona, gestorben 1762 in St. Petersburg), der für seine typenhaften Kopfstudien berühmt war. 1756 zog er einer Einladung folgend nach Russland, wurde Hofmaler der Zarin Elisabeth I. und erhielt den Auftrag, in Bildnissen junger Frauen die Vielfalt der Völker Russlands abzubilden. 360 Bilder entstanden, 50 weitere schenkte er der Petersburger Akademie. Im Schloss Peterhof hingen sie dicht an dicht im Porträtsaal. Heute befinden sich circa 40 Bilder in Schloss Archangelskoje in Moskau.

Auf einen Blick

„Versatzamt zu Wien“ hieß das durch Kaiser Joseph I. 1707 gegründete Dorotheum ursprünglich. Heute ist es das größte Auktionshaus im deutschsprachigen Raum, mit rund 600 Auktionen jährlich. Am 21. Oktober werden Toplose aus dem 17. Jahrhundert versteigert, etwa Verbeecks „Narrenhandel“ oder „Der Hochzeitstanz“ von Peter Brueghel II.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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