Utopia im Flakturm: Der Roboter mixt Cocktails

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mehr als nur ein Urlaub (im Irak): Das dritte „Paraflows“-Festival, eine progressive Ideenbaustelle.

Den perfekten Platz zum Motto hat man: Das lautet nach Thomas Morus' einflussreichem Romantitel „Utopia“ – der Nichtort. Eine Bezeichnung, für die sich Wiens Flaktürme unübersehbar qualifizieren. Derjenige im dritten Hieb dient also ideal als Ausstellungsherzstück des dritten „Paraflows“-Festivals für digitale Kunst und Kulturen, das zwischen den etablierten Dinosauriern Ars Electronica und Steirischer Herbst als progressive kleine Ideenbaustelle gefällt.

Als Baustelle zeigt sich bei der Begehung, gut sieben Stunden vor der Eröffnung Mittwochabend, auch noch so mancher Installationsraum. So funktioniert von den zwei Robotergeräten, die in alter (Anti-)Utopie-Funktion menschliche Aufgaben einnehmen (können), nur „El receptionista“ vom Deutschen Ralph Kistler, steht aber noch nicht am Eingang: Das Metallgestell, von dem sich nach Aktivierung von Lichtschranken mechanisch Hände mit „Willkommen“-Schildern (in diversen Sprachen) heben, soll eigentlich als Begrüßungsmaschine dienen.

Uninspiziert muss leider der noch nicht angeworfene Robotikbarmixer bleiben, der Mojitos am Fließband machen soll. Nüchtern werden also unterschiedlichste Konzeptbereiche inspiziert: Eingangs fasziniert Günter Stögers „exoearth“ mit Panoramaschwenks durch das größte US-Airforce-Gelände in Utah, in dem ganz Konkretes eine unwirkliche Aura bekommt – während nebenan bei Claudia Larchers Videoanimation „Everytown“ die Überlagerung typischer Science-Fiction-Architekturen vor allem der 1920er und 1930er fast banal wirkt. Zu popkulturell abgenutzt sind die Motive: Dem Titel gemäß könnte der Effekt aber Absicht sein.

Ohnehin ist Sinn für doppelbödigen Humor abgebracht, wo die Medienkünstler des Konzeptkollektivs „monochrom“ treibende Kraft des Festivals sind: Sie haben auch eine Dokumentation ihrer Performance aus der letzten UdSSR-Teilrepublik „Sowjet-Unterzögersdorf“ beigesteuert – samt Computer-Adventure, in dem einem am Roten Telefon der Oberste Genosse erklärt, wer die Mitglieder der Heavy-Metal-Band „Slayer“ sind.

Knallige Werbefilme, leere Absperrungen

Sarkastischer Witz prägt auch den stärksten Beitrag zum unvermeidlichen 9/11-Teil der Schau: Der im Irak geborene Adel Abidin lädt in „Welcome to Baghdad“ mit Broschüren und knalligen Werbefilmen zur Reise – Werbezeile: „VIEL MEHR ALS NUR EIN URLAUB“. Nicht behaupten lässt sich das von Eva Grubingers benachbarter Installation „Crowd“, die zwar konzeptuell überzeugt: Gurtband-Absperrungen zur Menschenschlangen-Regulierung an Flughäfen, bleiben leer – was aber im normalen Flugverkehr gar nicht so selten ist. Das könnte man gleich im Symposium des Begleitprogramms debattieren.

Im MAK-Gegenwartskunstdepot, Gefechtsturm Arenbergpark, 1030. Tägl. 14–18h (bis 21.9.); dann (bis 19.10.) nur So, 14–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2008)

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