MAK: Die Kunstauktion als Kunstwerk

AMIE SIEGEL. Provenance
AMIE SIEGEL. Provenance(c) Courtesy of the artist and Simon
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In „Provenance“ will Amy Siegel „Spekulationsmärkte für Kunst und Design“ erforschen. Ein spannendes Thema. Leider lässt sie ästhetisch kein Klischee aus.

Es war nur eine Frage der Zeit, dass die erste realitätsgetreue Übernahme einer Kunstauktion als Kunstwerk vermarktet wird. Jetzt ist es so weit: Amy Siegels Einzelausstellung im MAK empfängt uns mit einer im Auktionshaus Christie's gefilmten Dokumentation. Wir sehen junge Frauen auf hochhackigen Schuhen durch die eleganten Räume hasten, erhaschen einen kurzen Blick auf die ausgestellte Ware und dürfen dem Auktionator beim Hochsteigern eines Jasper-Johns-Bildes zuschauen. Dann wird Los 248 ausgerufen, es startet mit 4200 Pfund, der Hammer fällt bei 42.000 Pfund.

Das begehrte Objekt, ein 40-Minuten-Film, ist natürlich ebenfalls ein Werk Siegels. Diese Auktionsdokumentation, das versteigerte Objekt selbst und eine eingeschweißte Seite des Auktionskatalogs zusammen nennt sie „Provenance“ – „Provenienz“ bezeichnet die Herkunft einer Ware. So behandelt die dreiteilige Installation der 1972 geborenen US-Künstlerin den Kreislauf einer Kunstmarktware, der seinen Abschluss im Verkauf ihres eigenen Werkes nimmt und seinen Beginn in den Designobjekten des Schweizer Architekten Pierre Jeanneret.

Die Geschichte von Jeannerets Möbeln

Jeanneret entwarf die Möbel in den Fünfzigerjahren im Auftrag Le Corbusiers für die indische Stadt Chandigarh. Durch die Trennung in zwei Staaten verlor Indien die Stadt Lahore an Pakistan und beschloss, eine neue Hauptstadt für den indischen Teil des Punjab zu bauen. 1952 wurde der Grundstein gelegt, heute ist Chandigarh aufgrund der beeindruckend skulpturalen Bauten ein Mekka für Architekten und Künstler. Und Jeannerets Möbel sind gefragte Designklassiker.

Amy Siegel verfolgt in ihrem Film den Weg von Jeannerets Möbeln von privaten Wohnungen bis zurück zu ihrem Herkunftsort in Chandigarh – und dreht damit eines ihrer früheren Werke aus dem Jahr 2008 um. In „DDR/DDR“ filmte sie die Geschichte eines gemeinen Sessels aus der DDR, der am Ende als hochpreisiges Einzelstück in einem New Yorker Edelgeschäft verkauft wird. Es war pure Fiktion, erzählt sie. Aber wenige Jahre später fand sie den Sessel tatsächlich in einem Auktionskatalog. Damals entstand ihre Idee für „Provenance“.

Laut Pressetext „erforscht“ Siegel mit ihrer Installation „Spekulationsmärkte für Kunst und Design“. Das ist ein hoch spannendes Thema, das wohl um harte Fakten kaum herumkommt, am besten mit eingespielten Interviews und Analysen. Siegel aber ist Künstlerin und sucht eine andere Sprache. Sie verlässt sich ausschließlich auf Bilder: aus dem Alltag der westlichen Designwelt, der gestapelten Sessel in einem Schiffscontainer und vor allem auf die Schönheit von Le Corbusiers Architektur. Filmisch folgen die Aufnahmen dem Stil einer gut gemachten, aber braven Arte-Dokumentation. Kein Klischee wird ausgelassen: Da stehen Le Corbusiers Bauten als stille Helden im frühen Morgenlicht, Dunst liegt im Hintergrund auf der Landschaft, ein Schwenk zeigt Vögel, die durch die kitschige Kulisse fliegen. Die Kamera beobachtet Affen, die in den Gebäuden spielen, und hält Wasserreflexionen auf der Patina der Betonflächen fest – sind das aussagekräftige Bilder für „Spekulationsmärkte“? Warum sucht die Künstlerin keine eigenständige Ästhetik? Oder ist die 08/15-Kameraführung das Resultat ihrer „Erforschungen“?

Um 110.000 Euro vom MAK angekauft

Le Corbusiers Stadt ist eng mit der indischen Kolonialgeschichte verbunden, in der die westlichen Kreativen keine glorreiche Rolle spielen. Architektur und Möbel folgen kompromisslos den Ideen der westlichen Moderne, die Entwürfe sind völlig losgelöst von dem vorgefundenen Kontext. Darum konnten die Sessel zu – im Westen – gefragten Designklassikern werden. Soll die klischeehafte Dokumentation diese Beobachtung widerspiegeln? Ist darum auch der Auktionsfilm ohne jede ironische, kritische oder fragende Brechung in allzu gewöhnlicher TV-Ästhetik gehalten? Wenn es eine Camouflage wäre, hätte es allerdings nicht der eingeschweißten Auktionskatalogseite bedurft, die die Echtheit der Versteigerung bekräftigt.

„Provenance“ wurde vom MAK angekauft. Aus einer historischen Perspektive heraus mag das Werk innerhalb der Sammlung später einmal unerwartete Schlüsse über unsere Aufarbeitung einer kolonialistischen Moderne zulassen. Als singuläres Werk ist „Provenance“ allerdings eine künstlerisch dürftige Installation, die thematisch, ästhetisch und motivisch in allzu Bekanntem stecken bleibt – oder ist genau das ein bewusst entschiedenes Erfolgsrezept? Mehrere große Museen in New York und London erwarben bereits Editionen. Die 110.000 Euro für den Ankauf im MAK spendete ein privater Verein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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