Venedig: Die Zukunft gibt's bei der Biennale im Plural

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Eine Kirche als Moschee, ein schwarzer Kubus als Wunderkammer: So sehen die Antworten auf das Motto der 56. Ausgabe der Biennale, „All the world's futures“, aus. Heimo Zobernig reagiert dagegen mit radikaler Reduktion.

Kenia, Costa Rica, auch Grenada: Zur Finanzierung ihres Länderauftritts auf der Biennale Venedig vermieten immer wieder Kuratoren Teile der Ausstellungsfläche. Da stellen dann italienische und chinesische Künstler unter fremden Flaggen aus. Das hat im Fall von Kenia zu Protesten geführt. Kurz vor Eröffnung der renommierten Kunstschau zog Kenias Kulturminister die Notbremse und sagte den Pavillon ab. Auch im Pavillon von Costa Rica eskalierte die Situation: 5000 Euro mussten die eingemieteten Gäste zahlen. Ein italienischer Künstler beschwerte sich über die Gesamtsumme von 95.000 Euro, er wollte eine ganze Etage allein füllen. Damit wurde das Geschäft erst publik, der Botschafter Costa Ricas schaltete sich ein – und auch hier folgte schlussendlich der Rückzug.

Beide Länder kündigten an, zur nächsten Edition einen ordentlichen Auftritt vorzubereiten. Dazu bedarf es einer stattlichen Grundfinanzierung, ohne die ein Auftritt in der wichtigsten aller Kunstausstellungen nicht möglich ist. Ob eines jener 29 Länder, die über ein eigenes Gebäude in den Giardini verfügen, oder jene 59 Länder, die Räume im Arsenale bzw. in der Stadt ein Palais anmieten – die Beteiligung ist kostenintensiv. Die größeren Palazzi im Stadtraum kosten bis zu 150.000 Euro für die heuer sechsmonatige Laufzeit. Aber auch die fixen Pavillons sind nicht billig, denn sie müssen zu jeder Ausstellung komplett renoviert werden.

Ein Kubus für Australien

Australien ließ die 1988 erbaute, offene und angenehm leichte Architektur sogar abreißen. Der neue, massive, dunkle Kubus kostete 4,7 Mio. Dollar. Für die erste Ausstellung inszeniert Fiona Hall „Wrong Way Time“. Eine Wunderkammer mit Hunderten von Objekten, in Vitrinen angeordnet und dramatisch ausgeleuchtet: bemalte Geldscheine, gebastelte Tiere, Masken, mit bedeutungsvollen Texten beschriebene Standuhren. Nicht weniger als die globale Politik, die Weltfinanzen und unsere Umwelt stehen zur Diskussion – zu viel, als dass man auch nur annähernd alles decodieren könnte.

Trotzdem passt der Beitrag perfekt in das Gesamtthema dieser 56. Ausgabe: „All the world's futures“. „Zukünfte“, das funktioniert nicht in unserer Sprache, aber die Botschaft ist klar: Statt eines einzigen, universal angelegten Programms braucht es pluralistische Konzepte – und da schauen alle auf die Kunst. Aber bietet auch nur ein einziger Künstler ein Modell, das nicht schon gedacht ist?

Nein, so hoch soll aber auch nicht gegriffen werden. Es geht um die kleinen Entwürfe, die oft weitaus wirkungsvoller sein können als die großen Gesten. Da verwandelt etwa der Schweizer Künstler Christoph Büchel als Länderbeitrag Islands die Kirche Santa Maria della Misericordia in eine Moschee. In enger Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft Venedigs entwickelt, ist es die erste Moschee in der langen Geschichte der Lagunenstadt, die immer eng mit der arabischen Welt verknüpft war.

Für Neuseeland inszeniert Simon Denny eine wilde, gut gemeinte, aber kryptische Installation zur „Post-Snowden-Welt“. Deutlicher nimmt der brasilianische Künstler Vik Muniz Stellung: Er lässt ein 13 Meter langes Boot im Arsenale-Hafen schwimmen. Es ist aus Holz gebaut, scheint aber aus einer Zeitung gefaltet zu sein – und ist bedruckt mit einer italienischen Ausgabe vom Oktober 2013, in der über afrikanische Flüchtlinge berichtet wird, die vor Lampedusa kenterten.

Flüchtlinge sind auch bei Tobias Zielonys Beitrag im deutschen Pavillon das Thema. Er ist einer von fünf Künstlern, von denen jeder einen eigenen Raum erhielt. Denn der Pavillon wurde massiv verändert, eine Zwischendecke wurde eingezogen, der Haupteingang zugemauert. Selbst das Dach ist heuer einbezogen, dort lässt Olaf Nicolai Bumerangs produzieren, die ständig ausprobiert und optimiert werden – der Wurf in den weiten Raum als Sinnbild für Kunst.

Zobernig: Geschwärzt, vereinheitlicht

Aber nicht alle reihen sich in die Praxis politisierender Kunst ein. Im österreichischen Pavillon kümmert sich Heimo Zobernig wenig um die Welt und ihre Probleme. Er konzentriert sich auf den direkten Kontext, und der ist architektonisch: Der in Wien lebende, 1958 in Kärnten geborene Künstler ließ die unterschiedlichen Raumniveaus des 1934 erbauten Pavillons auf eine durchgehende Ebene vereinheitlichen und schwärzen. Alles ist sehr elegant, kein Ausstellungsobjekt stört die radikale Reduktion. Man könne hier über die menschliche Präsenz im Raum sinnieren oder über die Form, wie Kunst präsentiert wird, erklärt der Pressetext. Tatsächlich strahlen die Räume eine angenehme Ruhe aus und sind damit ein starkes Gegengewicht zu vielen anderen Beiträgen. Ob in den Pavillons Spaniens, Kanadas, der USA und auch Japans: Dort herrscht ein Mehr-ist-mehr-Prinzip. In dieser Hinsicht ist Zobernigs Beitrag doch politisch lesbar: Die Beschränkung aufs Wesentliche wird zum Ausgangspunkt für eine Neubesinnung – über die Zukunft unserer Welt, aber auch über die Zukunft der Biennale.

Die Biennale Venedig

Kurator Okwui Enwezor hat heuer 136 Künstler Künstler aus 53 Ländern nach Venedig geladen – 89 davon sind erstmals bei der Biennale vertreten. 29 Länder besitzen eigene Pavillons, weitere 59 Länder haben Räume angemietet. Der österreichische Pavillon, gestaltet von Heimo Zobernig, wird heute, Donnerstag, offiziell eröffnet.

Die Biennale Venedig findet heuer zum 56. Mal statt. Sie wurde wegen der Expo in Mailand um einen Monat vorverlegt und läuft vom 9. Mai bis 22. November. Info: www.labiennale.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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