21er Haus: „Mensch verdamme den Krieg“

(c) APA (FRITZ WOTRUBA-VEREIN WIEN)
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Zu schroff, zu abstrakt, zu radikal – oder politisch nicht opportun: Die meisten Denkmalprojekte von Fritz Wotruba wurden nie verwirklicht. Eine Ausstellung zeigt 13 davon.

Den „Opfern für ein freies Österreich 1934–45“ sollte auf dem Zentralfriedhof in Wien ein Denkmal gesetzt werden. Die Stadt Wien lud dazu auch Fritz Wotruba ein. Der 1907 geborene Bildhauer war damals bereits renommiert, hatte 1932 an der Biennale Venedig teilgenommen und im selben Jahr auf dem Friedhof im steirischen Donawitz ein Mahnmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges aufgestellt. „Mensch verdamme den Krieg“ stand auf der Säule. Man wusste also, worauf man bei Wotruba gefasst sein musste: Er war ein scharfer Kritiker des Krieges, verzichtete in seiner künstlerischen Sprache auf alles Heroische. Auch das Denkmal in Wien sollte an den Krieg erinnern. Beauftragt 1947, sollte es Tätern und Opfern gleichermaßen gelten. Aber Wotruba entschied sich radikal gegen das verlangte Versöhnlichkeitspostulat. Er reichte eine leidende, ausgezehrte, gesichtslose, sitzende Figur ein – ein Opfer, eine Anklage. Die Jury lehnte den Entwurf als zu schroff ab.

Das Gipsmodell ist nicht erhalten, nur eine Fotografie davon. Die ist jetzt im 21er Haus zu sehen, zusammen mit 20 Zeichnungen, 18 plastischen Entwürfen und einer umfangreichen Fotodokumentation. Insgesamt werden 13 Denkmalprojekte vorgestellt, die meisten wurden nie verwirklicht. Wotruba habe sich der Gesellschaft verpflichtet gefühlt, habe „erzieherisch wirken“ wollen, sagt Gabriele Stöger-Spevak, Kuratorin der Fritz-Wotruba-Privatstiftung, die im 21er Haus eingemietet ist. Doch er sei „sich selbst im Wege gestanden“, seine „Unbiegsamkeit“ habe oft die Umsetzung der Entwürfe verhindert.

Vor allem aber verhinderten politische Entscheidungen die Umsetzung, wie eben in Wien 1947 oder zuvor 1936: Wotruba war 1935 von einem privaten Komitee mit einem Denkmal für Gustav Mahler beauftragt worden. Ursprünglich hatte er eine hingebungsvoll Lauschende vor einem Relief mit dem Porträt Mahlers vorgesehen. Dann schuf er eine liegende Frauenfigur. Auch die wurde nie aufgestellt, denn antisemitische Stimmen protestierten gegen das Projekt. Mit dem „Anschluss“ 1938 war die Idee eines Denkmals für einen jüdischen Künstler dann gestorben.

Auch das 1932 aufgestellte Werk mit der Aufschrift „Mensch verdamme den Krieg“ kam noch ins Visier der Politik. Wotruba hatte den grob behauenen, zwischen massiven Kuben ruhenden Kopf selbst gefertigt. Die Schrift auf den Kuben wurde von Kriegsversehrten und Arbeitslosen des Eisenhüttenwerks in Donawitz in den Stein graviert. Zunächst wurde es groß gelobt, man sah darin nicht nur eine Skulptur gegen den Krieg, sondern auch gegen Arbeitslosigkeit und Elend. Die Christlichsozialen aber hofften, dass es bald durch Pflanzen bedeckt würde. 1934 forderte das Bauamt dann den Abriss. Die an der Erstellung der Skulptur beteiligten Arbeiter aber retteten heimlich die Steine mit der Inschrift und den Kopf. In den Achtzigerjahren als Friedensmal wiederentdeckt, wurde das im Fuhrhof der Stadt Leoben gelagerte, lang vergessene Werk 1988 im Pestalozzipark neu errichtet.

„Dämonisch-Barbarisches“ in Stuttgart

Nicht nur politische Einwände wurden gegen Wotruba vorgebracht. 1965 beauftragte die Stadt Stuttgart ihn mit einem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Mit einem dunklen, vier Meter hohen Relief aus Bronze wollte er an das „Dämonisch-Barbarische“ im Menschen erinnern, eine fünf bis sieben Meter hohe Skulptur aus hellem Marmor sollte als „Genius der Helligkeit in der Harmonie von Geist und Vitalität den Eindruck eines beflügelten Vorstürmenden vermitteln“, erläuterte er. Aber als ein Modell im Maßstab 1:10 im Rathaus ausgestellt wurde, protestierten die Stuttgarter Bürger. War es ihnen tatsächlich zu abstrakt und modern? Oder hatte eine rechtsextreme Gruppe erfolgreich agiert? Auf ihrem Flugblatt stand: „Muss sich die Bevölkerung einen Wotruba aufzwingen lassen?“ Die Stadt entschied sich dann für eine regionale Ausschreibung, der Gewinner errichtete drei völlig abstrakte Kuben mit einem eingravierten Text von Ernst Bloch. Im Wikipedia-Eintrag zum Denkmal ist vom Auftrag an Wotruba übrigens keine Rede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

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