Moskau gibt erstmals geraubte Kulturgüter zurück

(c) APA (Roland Schlager)
  • Drucken

Am Mittwoch nimmt das Österreichische Staatsarchiv 10.770 Aktenstücke in Empfang. Weiter in Moskau liegen bleiben Akten der Jüdischen Kultusgemeinde, der Paneuropäischen Union, verschiedener Freimaurerlogen oder der Wiener Schutzpolizei.

Seit April vorigen Jahres könnten sie laut Vereinbarung schon in Österreich sein. Aber er sei ja „auch nur ein Mensch mit zwei Händen“, erklärt Lorenz Mikoletzky, Generaldirektor des Staatsarchivs, den Umstand, dass er wegen der vorjährigen Republikausstellung keine Zeit gefunden hat, die im Zweiten Weltkrieg entwendeten Archivalien in Russland wieder entgegenzunehmen. Am 10. Juni ist es nun so weit: Zum ersten Mal restituiert der russische Staat Kulturgüter an Österreich. Konkret geht es um 51 der 80 in Moskau lagernden Archivbestände aus dem Österreichischen Staatsarchiv.

10.770 Aktenstücke werden am Mittwoch in Moskau auf den Lastwagen verladen werden. Quantitativ sind dies „etwa 80% der entwendeten Archivalien“, meint Mikoletzky: Akten österreichischer Behörden sowie politischer Parteien und Bewegungen, aber auch Archive österreichischer Privatpersonen.

Weiter in Moskau liegen bleiben Akten der Jüdischen Kultusgemeinde, der Paneuropäischen Union, verschiedener Freimaurerlogen oder der Wiener Schutzpolizei. Dass es sich dabei um die qualitativ wertvollsten Geschichtsdokumente handelt, lässt Mikoletzky nicht gelten: „Für einen Archivar ist alles wertvoll.“

Wertvolle persische Pergamente

Für die Russen auch. Am Ende des Zweiten Weltkriegs ließen die Sowjets Kulturschätze aus Österreich und Deutschland ausfindig machen und waggonweise nach Moskau schaffen. 1998 erließ Russland sein Restitutionsgesetz, Österreich brachte 2003 seinen Antrag auf Rückerstattung ein.

Zurückgefordert werden auch aus der Österreichischen Nationalbibliothek stammende Pehlewi-Papyri. 570 Pergamente aus der mittelpersischen Zeit über die persische Eroberung Ägyptens Anfang des 7. Jahrhunderts. Schon vor Jahren hieß es seitens der Nationalbibliothek, dass die Aussichten auf eine baldige Rückgabe „als gut eingestuft werden“. Seither hat sich nicht viel getan. „Wenn es überhaupt einen Fortschritt gibt, dann ist er sehr unauffällig“, hieß es im Außenamt. Dabei ist mit den Russen schon ausverhandelt, dass sie einen Papyrus als Gegenleistung behalten dürfen. Und Österreich hat auch schon einen Trumpf aus der Hand gegeben. Gemäß einer Gegenseitigkeitserklärung nämlich, derzufolge in Österreich aufgefundene russische Kulturgüter unter zumindest gleich günstigen Bedingungen rückzuerstatten sind, wurde den Russen im Mai 2005 die Bronzestatue „Fliegender Hermes“ übergeben.

Im Gegenzug wartet Österreich auch noch auf 860 Bände aus der Bibliothek der Esterhazy-Stiftung. Der Großteil von ihnen tauchte in der Moskauer Bibliothek für ausländische Literatur auf, weitere Exemplare in Petersburg. Die Bücher stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Derzeit wird anscheinend intensiv verhandelt, wie Alfred Weidinger von der Esterhazy-Stiftung andeutet. Er könne „bis Ende Juni eine gute Zusammenfassung geben“.

Über einen Zeitplan für die restlichen 20% der Akten des Staatsarchivs werde man wahrscheinlich im Herbst befinden, so Mikoletzky. Die Summe, die Österreich dafür zahlt, steht noch nicht fest. Für die 80% legt Österreich 400.000 € auf den Tisch. Nicht für die Bestände, wie es heißt, sondern für die Aufbewahrungszeit und die Anfertigung von Kopien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.