Winterpalais: Ich seh, ich seh – mich selbst

Gleißendes gelbes Licht im Palais des Prinzen Eugen: „Baroque Baroque“ von Olafur Eliasson.
Gleißendes gelbes Licht im Palais des Prinzen Eugen: „Baroque Baroque“ von Olafur Eliasson.(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Olafur Eliasson, Künstler der elementaren Installationen, wirft uns in eine grandiose Spiegelwelt, um uns auf uns selbst zu werfen.

Fotografieren ist in dieser Ausstellung strikt geboten, das Fotoverbot sei diesmal aufgehoben, erklärte Belvedere-Direktorin Agnes Husslein bei der Eröffnung der Olafur-Eliasson-Ausstellung im Winterpalais. Es fällt auch wirklich schwer, sich dieser hemmungslosen Realitätenmultiplizierung namens „Baroque Baroque“ zu entziehen, hat der dänisch-isländische Künstler, ein Star des internationalen Ausstellungsbetriebs, doch durch die gesamte Flucht der Prunkräume eine Spiegelwand gezogen. 64 Meter lang, 2,20 hoch, schnörkellos, durch alle Türen hindurch, alle Fenster hinunter auf die Himmelpfortgasse, alle originalen goldgerahmten Spiegel verdeckend.

Ein Schauspiel, wie man es von Eliasson, dem „Künstler der Elementarmächte“ (Katalog), gewohnt ist, denkt man etwa an seine monumentale Installation eines Sonnenaufgangs in der Londoner Tate Modern oder an die zwölf Blöcke antarktisches Eis, die gerade von Grönland in Richtung Frankreich unterwegs sind – sie sollen anlässlich des Weltklimagipfels in Paris auf dem Place de la Republique zur schmelzenden „Ice Watch“ aufgebaut werden. Was aufgrund der aktuellen Situation noch nicht ganz sicher ist.

Eliasson passt also trotz puristischer Mittel hervorragend zum allumfassenden Anspruch barocker Kunst, zur Intensivierung der Wahrnehmung, zur großen Inszenierung, zur Verschmelzung von Kunst und Wissenschaften. Zu einer Kultur, die hier einst im Stadtpalais des Prinzen Eugen einen prunkvollen Höhepunkt erlebt hat. Himmel und Erde, Mythologie und Selbstinszenierung gehen hier ineinander über, Gold, Spiegel und Glas, alles was unseren schnöden Alltag so transzendiert, wird hier verschwenderisch eingesetzt. Eliasson macht jetzt vor allem eines: das Ganze spiegeln. Und fordert uns auf, es noch einmal zu tun, mit unseren Smartphones. Der Witz ist, dass wir uns dabei selbst im Spiegel beobachten: Ich seh, dass ich seh und dabei gesehen werde. Ein ganz schön philosophisches Verwirrspiel mit den Realitätsebenen.

Flüchtlinge basteln Lampen

Es gibt aber auch handfestere Überlegungen. Nicht umsonst stehen im ersten Raum des Spiegeldefilees zwei mächtige historische Globen, Manifestationen eines sich wandelnden Weltbilds. Das soll hier schließlich nichts Abgehobenes sein, betont Eliasson. Seine Kunst hat auch mit dem zu tun, was gerade auf der (ausgeblendeten) Straße passiert: Unsere Welt ist relativ, verhandelbar, immer in Bewegung. Erkennen wir uns selbst (im Spiegel), nehmen wir uns als gesehen wahr, als Mitglied einer Gesellschaft, dann tut das unserem Verständnis der Zustände nur gut.

In diesem Sinn ist auch ein Flüchtlingsprojekt zu verstehen, das Eliasson parallel zur Ausstellung startet: Gemeinsam mit Kunststudierenden sollen Lampen nach seiner Anleitung gebaut werden, in den nächsten drei Monaten im Augarten, wo Francesca Habsburgs TBA-21-Stiftung ihren Sitz hat.

Die Ausstellung im Winterpalais ist Habsburg zu verdanken, die Husslein von der Idee nicht lang überzeugen musste. Sie überzeugte zur Kooperation auch das Sammlerpaar Juan und Patricia Vergez aus Buenos Aires, wie Habsburg Eliasson-Sammler erster Stunde. Die ersten Stunden dieser Karriere haben übrigens in der Neuen Galerie Graz (unter Peter Weibel) 1996 begonnen, wo Habsburg Eliassons Lichtinstallation „Die kristalline Beschreibung“ gesehen hat (die sie dann kaufte). Die blau-gelben Wellen aus der Lichtmaschine streicheln jetzt wie tröstend über das wenig attraktive Eingangsfoyer des Winterpalais – und leiten zu Fischer von Erlachs Stiegenaufgang über.
Diesen hat Eliasson völlig mit gelbem Licht geflutet – ist es etwa die Sonne des Deckenfreskos mit dem Aufstieg Apolls, die hier so strahlt? Sie strahlt erbarmungslos, nämlich in Monofrequenz, was heißt, dass man keine anderen Farben außer Gelb wahrnehmen kann. Alles andere wirkt grau, die Gesichter, der rote Teppich, geisterhaft.

Derlei spielerische Versuche mit unserer Wahrnehmung nimmt Eliasson laufend mit seinen Installationen und Objekten vor – mit großen kaleidoskopartigen Röhren zum Durchschauen, mit einer Art dramatischem Saurons-Auge (für alle „Herr der Ringe“-Fans) oder mit bunten Schattenspielen. Spiele für das Volk. Ruhm den Direktorinnen. (Relative) Ewigkeit dem Künstler.

Olafur Eliasson: „Baroque Baroque“, Winterpalais des Prinzen Eugen, Himmelpfortgasse 8. Bis 6. März 2016.

Zur Person

Francesca Habsburg konnte ihre Rührung nur schwer verbergen, als sie sich am Donnerstag bei der Eliasson-Pressekonferenz bei Belvedere-Direktorin Agnes Husslein bedankte: Diese sei die Einzige in Österreich gewesen, die sie immer unterstützt habe. Habsburg hatte vorige Woche für Aufsehen gesorgt, als sie ihre Überlegung bekannt gab, die Aktivitäten ihrer Kunststiftung TBA-21 2017 von Wien nach Zürich zu verlegen. Sie fühle sich in Wien nicht zu Hause, zu wenig geschätzt und unterfordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)

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