Kunsthistorisches Museum: Ihr Kinderlein, kommet – zu den Bildern!

(c) Clemens Fabry
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„Die Presse“ schenkt Ihnen und Ihren Kindern eine Weihnachtsführung in der Gemäldegalerie, jedenfalls den Leitfaden dazu. Sechs Bilder, kinderleicht erklärt von KHM-Kunstvermittler Daniel Uchtmann.

Das KHM macht zwar jedes Wochenende großartige Kinderführungen – ohne Anmeldung, ohne Extrakosten, Eintritt für Kinder und Jugendliche ist ohnehin gratis. Aber jetzt sind einmal die Eltern selbst dran, „quality time“! Keine Angst, wir haben dazu einen Profi an der symbolischen Hand, Kunsthistoriker Daniel Uchtmann vom KHM-Vermittlungsteam. Sechs Bilder wurden ausgesucht, Beginnalter ist vier, fünf Jahre, der kleine Rundgang dauert etwa eine halbe Stunde. Selbst Uchtmann war dabei übrigens überrascht, wie wenig Weihnachtsbilder hier eigentlich hängen. Oder auch wie viele, schließlich könnte ja jede Madonna mit Kind gezählt werden. Noch ein paar Tipps, dann starten wir beim Eingang zu Saal IX (siehe Plan unten). „Keep it short and simple“, sagt Uchtmann. „Kinder lieber fragen, als ihnen etwas stur erklären.“ Mit Geschichten könne man sie sowieso locken. Und schonen müsse man sie in der Regel auch nicht. Bethlehemitischen Kindermord haben wir dennoch keinen ausgesucht.

Sondern das erste Schneebild der Kunstgeschichte, „Die Jäger im Schnee“. Vor 1565, vor Pieter Bruegel d. Ä. (Saal X), hat sich einfach kein Maler wirklich für Schnee interessiert. In dem Bild spürt man richtig, wie die frische Schneedecke alle Geräusche dämpft. Warum werfen die Figuren aber keine Schatten? Ist die Sonne hinter Wolken? Wie viele Hunde sieht man? (Zählen Sie auch 14? Und mindestens einen am zugefrorenen See!) Das Eislaufen oder Eisstockschießen oder Eishockeyspielen (man nannte es „Colfen“, so Uchtmann) war übrigens eines der wenigen Hobbys der armen Landbevölkerung, die schließlich nur im Winter Freizeit hatte, wenn die Landwirtschaft ruhte.

Wir springen fast 100 Jahre weiter, bleiben aber in den großen Sälen, im übernächsten (Saal XII) hängen gleich zwei weihnachtliche Motive: Ein fetter flämischer Schinken, das „Fest des Bohnenkönigs“, von Jakob Jordaens um 1640/1645. Was das mit Weihnachten zu tun hat? In Deutschland, Frankreich, der Schweiz wurde bzw. wird am Dreikönigstag ein recht heidnisches Gelage begangen, wer die in Pastete oder Kuchen eingebackene harte Bohne in seinem Stück findet, ist Chef der Party. Auf der Karnevalskrone des alten Herrn am Bild hier sind, wenn man genau schaut, die Heiligen Drei Könige noch dargestellt. Das ist aber schon das einzig Heilige, sonst wird getrunken, gefressen und gespien (links). Die vom „König“ erwählte „Königin“ (viel zu jung natürlich, die echte Gattin scheint gegenüber zu sitzen) trägt eine Kette aus Würsten und Eiern (Fruchtbarkeit!). Die anderen Gäste übrigens zogen Zettel, auf denen ihre „Rollen“ am Hof des Bohnenkönigs stehen, Medicus etwa oder Sänger. Das wäre doch einmal etwas zum Nachspielen! Der Spruch ganz hinten oben, auf dem schwarzen Schild übrigens lautet übersetzt: „Niemand ist dem Narren ähnlicher als der Betrunkene.“

Schnell umgedreht zu Jacob von Oosts „Anbetung der Hirten“ um 1645. Als Erstes offenbarte sich der Gottessohn den Hirten, nicht den Königen, den Armen also. Das Lamm, das sich in (freiwilliger!) Opferhaltung vor die Krippe legte, deutet schon aufs Kommende, auf Ostern und den Tod am Kreuz hin. Die Laterne ist ausgegangen, denn das wahre Licht kommt von Jesus, so Uchtmann. Maria und Kind sind klar, aber wo ist Josef? (Verschwindet fast links hinten, gemeinsam mit dem Eselskopf.) Der Mann daneben ist der heilige Franziskus, das Bild war ursprünglich vielleicht für eine Franziskanerkirche gemalt worden. Oder der Stifter, also der es in Auftrag gab, hieß Franz. Wer entdeckt die Engel? (Rechts oben, über der Mauer, auf der eine nur schwach leuchtende Kerze steht – auch hier die Symbolik: Das himmlische Licht überstrahlt das irdische.)

Vergleichsweise weltlich im nächsten Saal (XIII) „Die Hl. Familie unter dem Apfelbaum“, von Peter Paul Rubens um 1630/32 gemalt. Worauf eigentlich? Auf Eichenholz! Man musste es Klappen können, es sind die später zusammengefügten Flügel des „Ildefonso Altars“ (nein, nicht die Praline, sondern der heilige Ildefons von Toledo, ein mittelalterlicher Mönch, der sehr beredt gewesen sein soll, pssst also!). Zu sehen ist das Treffen von Jesus und Johannes, der ihn später taufen sollte. Ihre Mütter waren verwandt, vielleicht Cousinen. Entzückend die Engerln im Apfelbaum. Äpfel waren damals Liebesgaben, so wie rote Rosen heute, sagt Uchtmann. Außerdem erinnern sie hier an den Baum der Erkenntnis, aber das ist eine andere Geschichte . . . Wer sieht die Hasen? Sie stehen für Fruchtbarkeit und für die christliche Seele – wie die Hasen könne diese nämlich Haken schlagen vor den Versuchungen des Teufels, so die etwas weit hergeholte Analogie laut Daniel Uchtmann.

Noch einmal nackige Bübchen von Rubens im Saal XIV, ein Playdate von Jesus mit Johannes und Engerl. Das erinnert natürlich alles frappant an den römischen Liebesgott Amor, der Einzige, der auch als Kind schon die größte Macht besaß. Das Lamm allerdings weiß eindeutig schon vom bitter-süßen Ende . . . Wer größere Kinder hat, könnte jetzt ins Kabinett 24 zur Rechten abstechen, eine Art Weihnachtskammerl, mit einer schönen, aber sehr dunklen Geburt Christi von Altdorfer und einer „Hl. Familie“ von Martin Schongauer in einer Vitrine, die etwas hoch liegt.

Für alle anderen, die noch Ausdauer haben, bietet sich ein Sprung zu den Italienern auf der ganz anderen Seite der Gemäldegalerie an – Veroneses „Anbetung der Könige“ (1580/88) im Saal II. Diese Geschichte kennen Sie auswendig!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)

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