Ellsworth Kelly: Mit klarer Kante und leuchtenden Farben

(c) EPA (FRANK LEONHARDT)
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Der US-amerikanische Maler Ellsworth Kelly brachte die Gegenbewegung zum abstrakten Expressionismus nach New York. Er wurde 92 Jahre alt.

Es sind die klaren Linien in der abstrakten Kunst, die Ellsworth Kelly zum Vertreter der Hard-Edge-Malerei, übersetzt als Malerei der klaren Kante, gemacht haben. Neue Bildideen erprobte der Künstler immer zuerst in einer Schwarz-Weiß-Version, weil Form und Profil dann besonders scharfkantig wirken.

Diese schwarz-weißen Bilder gibt es in allen Stationen seiner künstlerischen Entwicklung. Sie machen ein Viertel des umfangreichen Œuvres von Ellsworth Kelly aus, der nun mit 92 Jahren gestorben ist. Bekannter sind allerdings seine großflächigen Elemente in kräftigen Grundfarben. Wie Legosteine stellte er sie unvermischt nebeneinander. Die leuchtenden Farben blieben sein Markenzeichen, ebenso wie geometrische Formen, insbesonders Quadrate.

Prägend für diesen Stil war ein sechsjähriger Aufenthalt im Paris der Nachkriegszeit. Schon als Soldat war Kelly in Frankreich gewesen: Nach drei Semestern Studium am New Yorker Pratt Institute hatte er sich 1943 freiwillig gemeldet. 1948 kam er als Kunststudent zurück, schrieb sich an der École des Beaux Arts in Paris ein und traf Künstler wie Joan Miró, Alexander Calder, Hans Arp und John Cage. Auch Picasso und Matisse beeinflussten seinen Stil.

Als Kelly 1954 in die USA zurückkehrte, erregte sein klarer und farbenfroher Zugang Aufsehen. Zum abstrakten Expressionismus rund um Jackson Pollock hielt Kelly kritische Distanz. In diesem Kontext gewann sein Werk als eine Art europäisch inspirierte Gegenbewegung bald hohes Ansehen – so zeigte das Museum of Modern Art (MoMA) schon 1959 Ellsworth Kellys Bilder.

Mehrmalige Teilnahmen an der Documenta in Kassel und auf der Biennale in Venedig (1966) folgten. Das brachte spätere internationale Aufmerksamkeit durch die Londoner Tate Gallery, das Haus der Kunst oder die Pinakothek der Moderne in München mit sich. 1973 zeigte das MoMA Ellsworth Kellys erste Retrospektive. Ein paar Jahre zuvor hatte sich der Künstler aus der hektischen Kunstmetropole zurückgezogen. Bis zu seinem Tod am Sonntag lebte er gemeinsam mit seinem Partner, dem Fotografen Jack Shear, in Spencertown, nahe seinem Atelier in Chatham. (juf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)

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