Albertina: Evakuierung, extra light

(c) AP (Ronald Zak)
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950.000 Werke werden gelagert. Bohrung soll Klarheit bringen. Bis zu zehn Monate kann im Worst-Case-Szenario die Reparatur des Tiefenspeichers dauern.

Wien. Nein, von „Glück“ will Klaus Albrecht Schröder nicht sprechen. Trotzdem ist „Glück“ das Erste, das einem angesichts des bleigrauen, von Nässe gewellten Kartons einfällt, den der Albertina-Direktor am Donnerstagmorgen präsentierte. War doch in einer Schachtel wie dieser auch der weltberühmte Dürer-Feldhase verpackt, den man am vergangenen Dienstag – als das Feuchtigkeitsmeldesystem den Wassereinbruch im Tiefenspeicher der Albertina meldete – sieben Stunden lang nicht finden konnte.

Denn: Der Roboter, der als Einziger „wusste“, wo genau das Werk im vollautomatischen Depot lag, fiel wegen „eines Wassertropfens“ vorübergehend aus. Viel mehr als die unspektakuläre Kartonverpackung gab es aber bei dem für acht Uhr morgens angekündigten Beginn der systematischen Evakuierung des Depots auch nicht zu sehen. Die Lkw, die vorfuhren, um Gemälde abzuholen, luden bloß die Leihgaben der zu Ende gegangenen Rembrandt-Ausstellung ein. Die Evakuierung selbst, die wie Schröder betont, eine „reine Vorsichtsmaßnahme“ ist, spielt sich hingegen in intimem Rahmen ab: Das Depot, dessen Dach man hinter der Albertina unter den Plastikplanen erahnen kann, wird direkt ins Museum entleert.

Schlanke zehn Tage sind für die Verlagerung der 950.000 und – so viel man bis jetzt weiß – komplett unbeschädigten Werke veranschlagt. Für das weitere Vorgehen gibt es dann verschiedene Optionen: „Wir werden sicher nicht sinnlos hysterisch sein“, sagt Schröder. Soll heißen: Wird die Ursache für den Wassereinbruch rasch gefunden, behoben und kann eine weitere Gefahr ausgeschlossen werden, will er nicht zögern, die Evakuierung mittendrin zu stoppen. Andernfalls wird die Sammlung in ein geheimes Depot in Wien gebracht, das kurzfristig organisiert werden musste. Denn in petto hatte die Albertina ein solches Lager nicht: „Wozu auch“, sagt Schröder, „hätte ich geahnt, dass Wasser eindringen kann, hätte ich die Werke ja nie dort unten gelagert.“ Der Ersatzort wird derzeit für eine Dauer von zwölf Monaten vorbereitet. Denn bis zu zehn Monate kann im Worst-Case-Szenario die Reparatur des Tiefenspeichers dauern.

Was genau die Ursache sein könnte, darüber wird noch gerätselt. Ein möglicher Auslöser konnte laut Burghauptmann Beer jedenfalls bereits ausgeschlossen werden: Bei der Suche nach verstopften Abschnitten in Drainage- und Kanalrohren wurde man nicht fündig. Als wahrscheinliche Variante bleibt damit eine undichte Stelle in der Isolierschicht der Decke. Eventuell hat sich dort sogar seit Längerem ein „See“ aufgestaut, der durch die heftigen Regenfälle nun „überlief“ und heruntertropfte. Um dem Verdacht nachzugehen, will Beer eine Probeöffnung durchführen lassen. Vorsichtig soll ein Loch von 60 mal 60 Zentimetern durch Asphalt, Schotter, Beton und Dämmmaterial bis zur Isolierschicht gestemmt werden.

Die Tücken der Technik

Und dann? Über rechtliche Folgen, Versicherungsfragen oder gar Schuld will noch keiner sprechen. Immerhin wurde aber bereits ein unabhängiger Gutachter beauftragt. Auch andere Konsequenzen sind noch offen – etwa die Probleme mit der vollautomatischen Lagerung betreffend. Für eine „generelle Absage an das System“ sei es zwar zu früh, sagt Schröder, aber der Defekt nach dem Stromausfall habe gezeigt, dass man etwas ändern müsse. Auch wenn, wie er betont, das System doch relativ rasch repariert werden konnte und binnen vier Minuten nach der ersten Wassermeldung die händische Räumung einsetzte, soll nun ein internes „Projektteam“ nach Verbesserungen forschen,

Apropos Räumung: Diese ist nicht nur nach außen dezent, sie wird auch an den Besuchern der Albertina vorübergehen. Das Museum ist weiterhin geöffnet. Nur für den Studienbetrieb und für die Leihgaben (außer zugesagte) wird die Sammlung gesperrt.
Kunstlicht Seite 31

Lexikon

■Der vollautomatische Tiefenspeicher wurde erst 2005 um 5,1 Mio. Euro fertiggestellt. Entworfen wurde er von den Architekten Mascher und Steinmayr. Dem Bau ging die Evakuierung der Sammlung nach dem Hofburg-Brand 1992 voraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

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