Die Kunst und die Finanzen

Danae Stratou
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Danae Stratou ist Künstlerin und Frau des griechischen Ex-Finanzministers, Yanis Varoufakis. Ein Gespräch anlässlich ihres Vortrags für Globart in der Wiener Secession.

2007 reiste Danae Stratou das erste Mal zusammen mit ihrem Mann, Yanis Varoufakis, durch die Welt. Ihr Ziel waren sieben Orte, die aufgrund politischer Entscheidungen zerschnitten sind. „Cut“ führte sie in den Kosovo, nach Belfast, Palästina und Kaschmir, Varoufakis schrieb dazu einen Text, der Krisen historisch und ökonomisch erklärt. Damals war sie noch eine wenig bekannte Künstlerin, Tochter eines griechischen Industriellen, die in London Bildhauerei studiert hatte und erste politisch ausgerichtete Kunstprojekte begann. Seit Varoufakis voriges Jahr sechs Monate lang polarisierender Finanzminister Griechenlands war, steht die Künstlerin im Scheinwerferlicht. Jetzt war sie in Wien, um auf Einladung von Globart ihr Projekt „Vital Space“ vorzustellen.

Warum haben Sie 2010 gemeinsam mit Ihrem Mann die Kunstplattform „Vital Space“ gegründet?

Danae Stratou: Dieses Projekt basiert auf unserem Glauben, dass mit Kunst die Welt geändert werden kann. Wir wollen damit interdisziplinäre Projekte ermöglichen, um die Polarisierung zwischen der Natur und uns zu überbrücken. Eigentlich begann „Vital Space“ schon 2008, als die weltweite ökonomische Krise ausbrach. Wir erkannten, dass alle diese Krisen im Grunde nur verschiedene Gesichter ein und derselben Situation sind: der Art, wie die Gesellschaft heute funktioniert, wie wir miteinander und dem Planeten umgehen. Es ist eine gemeinsame Krise, die Griechenland 2010 als Erstes traf, weil unser Land ökonomisch schwach ist. Aber es wird alle treffen. Die Grundidee von „Vital Space“ ist es, durch die Kunst eine andere, eine dringlichere Wahrnehmung dieser Situation zu schaffen.

Ist in unserer Gesellschaft die Grundlage von allen unseren Beziehungen nicht das Geld bzw. Kapital? Wie will die Kunst das ändern?

Ja, wir leben in einer Zeit, in der nichts passieren kann ohne Geld. In Griechenland kauft oder unterstützt kaum noch jemand Kunst, das gesamte System kollabiert gerade. Aber auf der anderen Seite ist Kreativität ein Grundbedürfnis der Menschen. Stellen Sie sich eine Welt vor, die grau ist, ohne Kreationen – so wie wir atmen, so müssen wir auch kreativ sein. Damit schaffen wir eine Verbindung unserer Innen- mit der Außenwelt. Das sieht man ja auch in Wien: Warum ist diese Stadt wunderschön? Weil die Menschen nicht nur irgendwelche Blöcke gebaut haben, um darin zu wohnen, sondern diese Häuser schön gestalteten. Kreativität ist eine menschliche Notwendigkeit.

Wird Kreativität nicht gerade monetarisiert, in eine Kreativwirtschaft verwandelt – und ist damit weit weg von den Künsten?

Das ist ein großes Problem. Darum sind solche eng mit Künstlern verbundenen Initiativen wichtig. Künstler werden zwar immer kreativ sein, auch dann, wenn kein Geld fließt. Aber wir müssen trotzdem sehen, wie es weitergehen kann, ohne von Staat oder Privatunternehmen abhängig zu sein. „Vital Space“ in seiner jetzigen Form mit Yanis' Texten und Gastbeiträgen anderer Künstler begann ja in dem Jahr, als die Krise Griechenland traf. Anfangs wollten wir eigentlich Kunstwerke produzieren, aber schnell wurde es nur eine Internetseite – mehr können wir uns nicht leisten. Es gibt keine finanzielle Unterstützung dafür.

Sie sprechen die Krise in Griechenland an – wie haben Sie als Künstlerin darauf reagiert?

Ich habe 2010 das Projekt „It's Time To Open the Black Boxes!“ begonnen. Ich schicke Menschen zwei Fragen zu, auf die sie mit je einem Wort antworten sollen: wovor sie die größte Angst haben und was am meisten beschützt werden muss. Immer wieder kommt das Wort Obdachlosigkeit, aber auch Unschuld. Ein anderes Projekt reagiert auf den Klimawandel: In „Ice Songs“ hören wir Eisberge, die sich bewegen, aneinander reiben und abbrechen. Den Sound habe ich von australischen Wissenschaftlern bekommen. Wir brauchen die Kunst, um Vorstellungen für positive Änderungen zu entwickeln.

Sie sprachen von der Krise im griechischen Kunstmarkt – wie äußert sich diese konkret?

Es ist nicht leicht, darauf zu antworten. Manche Galerien schließen, andere werden immer kommerzieller. Immer neue Non-Profit-Räume öffnen und ich habe keine Ahnung, wie sie finanziert werden. Viele Künstler kämpfen ums Überleben, viele verlassen das Land. Jeder verlässt Griechenland.

2017 wird ein Teil der Documenta in Athen stattfinden. Gefällt Ihnen das?

Das ist schwierig, weil so isoliert von den Entwicklungen in Athen. Kaum jemand hat eine Beziehung dazu, es findet in einer kleinen, sehr speziellen Nische statt. Niemand weiß so recht, was da eigentlich geschehen soll. Wird denn ein Teil des Budgets auch in Künstlerproduktionen vor Ort gehen? Gestern las ich in der Zeitung von Marina Abramović, die Anfang März ein großes Performance-Projekt im Benaki-Museum in Athen machen wird. Es ist finanziert von der Neon Foundation von Dimitris Daskalopoulos, einem der größten Sammler Griechenlands. Diese Stiftung hat bisher einige kleine Projekte gefördert – nicht direkt Künstler, sondern Organisationen. Für die Kunst gibt es bei uns keinerlei staatliche Förderungen, und jetzt geht eine große Summe an diese Starkünstlerin, das hat zu vielen verärgerten Diskussionen in den sozialen Medien geführt. Es könnte sehr kräftige Kunst aus der schwierigen Situation in Griechenland kommen, aber es braucht Unterstützung.

Seit wann leben Sie wieder in Griechenland?

Genau ein Jahr jetzt. Wir haben vorher über zwei Jahre in Texas gelebt, ich war gerade mit der Kunstszene dort verbunden. Dann zogen wir nach Athen, das hat mein ganzes Leben verändert und war eine sehr herausfordernde Zeit. Sehr fordernd.

Haben sich diese Zeit und die Aufgabe Ihres Mannes als Finanzminister auch in Ihrer Kunst geäußert?

Nicht direkt, denn ich lebe ja schon länger mit Yanis zusammen und wir sprechen viel über Ökonomie und Krisen. Ich habe dadurch gelernt, vieles besser zu verstehen. Er war ja nicht ein Politiker für sechs Monate, sondern schon vorher sehr politisch. Aber es war eine sehr konzentrierte Phase.

Glauben Sie wirklich, dass die Kunst die Welt verändern kann?

Ich glaube, dass wir als Menschen die Welt ändern können, und Künstler sind ein Teil davon – also ja, das glaube ich.

Eine letzte Frage: Ist es wahr, dass der Song „Common People“ von der britischen Band Pulp von Ihnen handelt? Sind Sie das griechische Mädchen, das Jarvis Cocker an der Kunstschule kennenlernte und das ihm sagte, es wolle wie „gemeine Menschen“ leben?

Diese Frage beantworte ich nie. Man weiß nie, wovon Künstler sich inspirieren lassen.

Danae Stratou

Die Künstlerin, 1964 in Athen geboren, studierte Anfang der 1980er in London. Sie ist die Frau von Yanis Varoufakis.

Ihre Ausstellung „It's Time to Open the Black Boxes!“ wird von 8. 9. bis 3. 10. im Rahmen von Globart im Museum Krems gezeigt. Marili Zarkou

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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