Prächtig: Die Erfindung der Kunstkataloge

Üppige barocke Hängung: David Teniers d. J., Hofmaler von Erzherzog Leopold Wilhelm, malte diesen um 1653 in seiner Gemäldegalerie in Brüssel. Aus der Graf Harrach'schen Familiensammlung (Schloss Rohrau, Niederösterreich).
Üppige barocke Hängung: David Teniers d. J., Hofmaler von Erzherzog Leopold Wilhelm, malte diesen um 1653 in seiner Gemäldegalerie in Brüssel. Aus der Graf Harrach'schen Familiensammlung (Schloss Rohrau, Niederösterreich).(c) Belvedere
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Die von Tobias Natter kuratierte Ausstellung „Fürstenglanz“ im Winterpalais führt vor, wie sich die Machthaber mit ihren Sammlungen in Szene gesetzt haben. Höchst repräsentable Bildbände sollten ihr Ansehen zusätzlich mehren.

Eine herrliche Ausstellung ist dem Belvedere hier im Winterpalais des Prinzen Eugen gelungen. Nur oberflächlich nicht so spektakulär wie die von Olafur Eliasson davor. Hier sieht man weniger sich selbst in den Spiegeln (was man sowieso immer auch kann), dafür Spiegelbilder der Machthaber ihrer Zeit. Diese spiegelten sich in ihren Kunstsammlungen, noch spezieller in den Publikationen ihrer Kunstsammlungen. Diese Prachtbände waren propagandistische Meisterwerke. Was wir heute völlig selbstverständlich als Kunstkataloge in Händen halten, wurde im Barock erfunden und trug damals wesentlich zur Demokratisierung des Zugangs zur Kunst bei.

„Wir sind hier live dabei, wie für die Menschen die Türen aufgehen zu den großen Sammlungen – erst virtuell, dann real“, erklärt Tobias Natter, der eloquente ehemalige Direktor des Leopold-Museums. Zu lang hat er schon keine Ausstellung in Wien mehr kuratiert. Mit dieser Schau kehrt er jetzt erstmals, zumindest als Gast, wieder an das Haus zurück, wo er einst Chefkurator war und das er so gern selbst geleitet hätte. Doch man entschied für Agnes Husslein – die zumindest ein großes Herz für Exkollegen hat, es haben schon Peter Noever und Edelbert Köb bei ihr kuratiert.

Leopold Wilhelms Gemäldekollektion

Diese Politik der besten Köpfe hat sich stets ausgezahlt, auch diesmal ist es wieder spannend geworden, richtig prächtig sogar, der Titel (und das superschöne Katalog-Cover) täuschen nicht: „Fürstenglanz. Die Macht der Pracht“ erzählt in zwölf Kapiteln die Geschichte der Kunstkataloge – von Erzherzog Leopold Wilhelm, dem ersten Fürsten, der seine Kunstsammlung sozusagen „online“ stellte, also medial verbreitete, bis zu Joseph II., dessen Porträt in der Sichtachse – ganz am Ende der Prunkräume – zu sehen ist. Er eröffnete 1781 mit dem Belvedere eines der ersten öffentlichen Museen der Welt.

Ein Herzstück der dort gezeigten habsburgischen Sammlung, die heute im Kunsthistorischen Museums ist, war die Gemäldekollektion von Leopold Wilhelm, aufgebaut, als er Statthalter der Habsburger in den Niederlanden in Brüssel war. Wir wissen in etwa, wie seine Gemäldegalerie dort aussah bzw. wie er wollte, dass man glaubte, dass sie aussah: Sein Hofmaler David Teniers hat sie gemalt. Der zentrale Saal der Winterpalais-Ausstellung ist jetzt dieser Gattung der Galeriebilder gewidmet, die damals sehr in Mode waren, um mit der eigenen Sammlung ein wenig anzugeben.

Doch Teniers ging einen Schritt weiter: Erstmals machte er aus einer Kunstsammlung ein Buch, ließ die Gemälde in Kupfer stechen und somit drucken und gab sie mit dem ersten Kunstband der Geschichte, dem „Theatrum Pictorium“, 1660, wörtlich heraus. Das machte natürlich Mode, Sonnenkönig Ludwig XIV. ließ 24 seiner Gemälde zu seiner Verherrlichung in einem Kunstband zusammenführen, der – in unterschiedlich aufwendiger Form – verschenkt oder später auch verkauft wurde. Kunst war immer auch Propaganda, durch die Kunstbücher konnte diese noch effizienter verbreitet werden.

Dazu gehörten auch Bilder der Haus- und Hofheiligen. Als Leihgabe aus dem Louvre kam etwa Guido Renis „Hl. Franziskus“, den man direkt mit seinem Stich im Kunstbuch vergleichen kann. Eine schöne Leihgabe ist auch Jusepe de Riberas „Alter Bettler“, 1640, wahrscheinlich ein Selbstporträt. Es ist eines der wenigen Gemälde, die noch immer im Besitz der Earls of Derby sind, auch ihre Collection wurde 1729 in einem Kunstband verewigt, was in England bis dahin nicht üblich war. Der Geist vieler Sammlungen überlebte durch derlei Publikationen die spätere Zerstreuung.

Die Erfindung des Museumsführers

Höhepunkt des „Galeriewerks“, wie man sagt, hätte die Dokumentation der Sammlung von Karl VI. in 30 Bänden werden sollen, aber das Geld ging aus, es wurden nur vier dieser Bände gedruckt, dann schwenkte man auf Sammelbände mit Miniaturabbildungen um. Der tatsächliche Höhepunkt fand dann Mitte des 18. Jahrhunderts in Dresden statt, wo Kurfürst August III., auch König von Polen, in grandiosen Riesenformaten seine „plus celebres Tableaux de la Galerie Royale de Dresden“ herausgeben ließ. In großen Glasvitrinen kann man einen Eindruck von dem Innenleben dieser Monsterbände bekommen. Das Buch als Kunstwerk, auch das zu zeigen war ein Anliegen von Natter, der schließlich ebenfalls in diesem Business reüssiert: Nach seinem Klimt-Prachtband im Taschenverlag soll nächstes Jahr sein Schiele-Ziegel herauskommen. Den hätte wohl auch Prinz Eugen gekauft, so musste er sich mit einer kleineren Ausgabe der Dresdner Bilderbibel begnügen: Sein Exemplar wurde aus der ONB ausgeliehen.

So geht es weiter, man staunt, bis man fast im Heute ankommt, bei dem ganz gemeinen Museumsführer, der in den Rucksack passen muss. Das wäre eine Publikation ganz nach dem Geschmack von Josef II. gewesen, der so einen Führer zur Eröffnung der habsburgischen Sammlung als öffentliches Museum herausgeben ließ. Aufgestellt waren die 1300 Gemälde von Christian von Mechel in 24 Zimmern, Sälen und Kabinetten. Im von den Erben des mittlerweile verstorbenen Prinzen Eugen angekauften Sommerschloss des Feldherrn, im Belvedere. Ein schöner Kreis, der sich hier im Winterpalais schließt.

Winterpalais, Wien 1, Himmelpfortgasse 8, bis 26. Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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