Skulpturenpark: Mit dem Leben verbunden

Zaun. Lois Weinberger teilt die Natur mit einer „Mauer“ (1992) aus nummerierten Steinen.
Zaun. Lois Weinberger teilt die Natur mit einer „Mauer“ (1992) aus nummerierten Steinen.(c) A. Bush
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Südlich von Graz, im Österreichischen Skulpturenpark, sind die
Grenzen zwischen Kunst und Leben aufgehoben.

Große Namen? Elisabeth Fiedler gibt wenig darauf. „Ich brauche keinen Giacometti, Moore oder Gormley“, sagt sie. Fiedler ist Leiterin des Österreichischen Skulpturenparks in Unterpremstätten bei Graz und damit Herrin über mehr als 70 Skulpturen. Die offizielle Jobbezeichnung lautet „Leitung Abteilung Kunst im Außenraum“. Das Gros der Werke befindet sich unter freiem Himmel, eingebettet in einen sieben Hektar großen Landschaftspark mit Kieswegen, Rasen, Teichen, Waldstücken, Lichtungen. Ein grüner Wall grenzt das Gelände von der Umgebung ab und verleiht ihm eine heimelige Stimmung. Die Lage südlich von Graz und die Anbindung an das Freizeitzentrum Schwarzlsee machen den Park auch zum beliebten Naherholungsgebiet. Es kommt vor, dass Kunstflaneure bei ihrem Parcours am Gelände Jogger, Yogis und anderweitig Trainierende antreffen – oder herumtollende Kinder. „Es geht nicht nur um die Kunst per se, sondern auch darum zu zeigen, dass die Kunst mit dem Leben verbunden ist. Kunst hat mit Träumen zu tun, mit Vorstellungen, mit allem, was uns tagtäglich beschäftigt“, sagt Fiedler. „Die Kinder verstehen das am allerbesten.“

Blow-up. Hans Kupelwiesers „Gonfable 6“ (2002) vereint Aluminiumblech und Luft.
Blow-up. Hans Kupelwiesers „Gonfable 6“ (2002) vereint Aluminiumblech und Luft.(c) A. Bush

Stars aus Österreich. Auch wenn in Unterpremstätten keine Plastik von Moore, Giacometti oder Gormley in der Landschaft herumsteht – wer Wert darauf legt, findet hier durchaus ein Defilee kunsthistorisch relevanter Positionen, anhand derer sich die Entwicklung und Vielfalt des Skulpturbegriffs in den vergangenen Jahrzehnten nachvollziehen lässt. Nicht nur die Crème de la Crème der neuen österreichischen Bildhauerei ist hier versammelt: Gironcoli, West, Weinberger, Leitner, Strobl, Maderna, Stimm, Zobernig, Walde, Oberhuber, Sandbichler, Wurm, Kienzer und wie sie alle heißen. Auch die Grazer Schule ist selbstredend mit Arbeiten von Hartmut Skerbisch, Jörg Schlick, Michael Schuster, Manfred Erjautz, Matta Wagnest, Markus Wilfling, Werner Reiterer fast vollzählig vertreten. Ebenso internationale Kapazunder von Yoko Ono bis Nancy Rubins, Tobias Rehberger bis Fernanda Gomez findet man im Skulpturenpark. Außerdem heimische Klassiker. Dieses breite Fundament verdankt sich nicht zuletzt dem Engagement der Gründer, allen voran Emil Breisach, ehemaliger Intendant des Landesstudios Steiermark, der ab 1981 für das Gelände des ORF Werke der österreichischen Bildhauerei sammelte, etwa Plastiken von Herbert Boeckl, Fritz Wotruba, Gerhard Moswitzer, Heinz Leinfellner, Joannis Avramidis, Josef Pillhofer.

Lebensbaum. Tobias Rehbergers „Asoziale Tochter“ (2004) verhandelt soziale Fragen.
Lebensbaum. Tobias Rehbergers „Asoziale Tochter“ (2004) verhandelt soziale Fragen.(c) T. Rehberger

Nach seinem Abgang blieb die Sammlung sich selbst überlassen, bevor sie in eine Stiftung einging und Peter Weibel schließlich im Hinblick auf eine Nachnutzung des Geländes der IGS – Internationalen Gartenschau 2000 ein Konzept für einen internationalen Skulpturenpark für Graz vorlegte. Anlässlich des Kulturhauptstadtjahrs 2003 nahm der Bestand noch einmal schwunghaft zu. Im Juni 2003 wurde der Österreichische Skulpturenpark als größtes heimisches Projekt seiner Art offiziell eröffnet. Die Sammlung war in der Aufbauphase eher einem statischen Skulpturbegriff verpflichtet. Mit der Übersiedlung ins IGS-Gelände wurde vor allem für die jüngere Generation der Dialog mit der vom Schweizer Architekten Dietmar Kienast geschaffenen Landschaftsarchitektur ein zunehmend inspirierendes Momentum.

Low Budget. „Alle Themen sind sichtbar und alle Materialien“, sagt Fiedler. Michael Kienzer etwa greift mit einem auf einem Hügel platzierten, nach oben hin geöffneten Kupfertrichter die skulpturalen Eigenschaften der künstlichen Landschaft auf. Ingeborg Strobl stellt in einer Nische zwei „Allerweltsgrabsteine“ auf und verweist auf Friedhöfe als anonyme Form der Landschaftsarchitektur. Auch das Prozesshafte nimmt mehr und mehr Raum ein. Jeppe Hein etwa lässt die Fontäne eines Springbrunnens unvermutet auslösen, sobald sich ein Besucher auf einer davor aufgestellten Bank niederlässt, und stellt damit einen Bezug zu barocken Gärten her.

Tabu. Ingeborg Strobls Grabsteine (1989/90) verweisen auf den Friedhof als Urform des Parks.
Tabu. Ingeborg Strobls Grabsteine (1989/90) verweisen auf den Friedhof als Urform des Parks.(c) M. Schuster

In den vergangenen Jahren ist die Frage „Wie denken junge Künstler den Skulpturbegriff?“ in den Mittelpunkt gerückt. Der Park wurde zum Labor. Im Rahmen von Residence-Programmen haben sich seit 2011 ganze Meisterklassen mit dem Ort auseinandergesetzt. Budget ist dafür nicht viel vorhanden, dafür aber Einfallsreichtum. Eins gibt dabei das andere. 2014 etwa entwickelte die Klasse von Tobias Rehberger an der Frankfurter Städelschule einen temporären Pavillon aus Metallbügeln, die mit Folie bespannt wurden. Im Folgejahr wurde das Gerüst von Markus Wilflings Studenten an der Grazer Ortweinschule zur archaischen Lehmstrukur umgedeutet. Für diesen Sommer ist Heimo Zobernigs Klasse an der Akademie der bildenden Künste Wien zu einer Intervention eingeladen. Man darf gespannt sein, welche Facette des Mediums Bildhauerei die jungen Leute diesmal herausgreifen werden.

Tipp

Österreichischer Skulpturenpark. 26. 3.–31. 10., täglich von 10 bis 20 Uhr. Frühlingsfest: 22. 5.
www.skulpturenpark.at

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