Louvre Abu Dhabi: Das Museum als mächtiges Marketing-Tool

Jean Nouvels Bau in Abu Dhabi ist spektakulär.
Jean Nouvels Bau in Abu Dhabi ist spektakulär.(c) Louvre
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Jean Nouvels architektonisch überwältigende Louvre-Filiale im Wüstenstaat ist fast fertig, samt perforierter Kuppel, Kindermuseum und Wasserspielen. In Brüssel, Barcelona, London stehen ähnliche Projekte am Start.

Kaum eine Minute vergeht, ohne dass jemand anklopft. „Wir sind in der Endphase, jetzt muss alles entschieden werden“, entschuldigt sich Manuel Rabaté. Wir sitzen im Büro des französischen Museumsmannes, der gerade zum Direktor des Louvre-Ablegers in Abu Dhabi ernannt wurde. Angekündigt wurde das Projekt vor neun Jahren. Damals hieß es, bis 2013 sollten gleich fünf große Museen entstehen. Aber die Wirtschaftskrise 2012 ließ die Baukräne stillstehen, die Verträge mit Frank Gehry für das Abu Dhabi Guggenheim sind noch immer nicht finalisiert und ob das Performancecenter von Zaha Hadid oder das Tadao-Andos-Meeresmuseum jemals gebaut werden, ist offen. Fix ist nur das National Museum von Norman Foster. Und eines ist fast fertig: der Louvre Abu Dhabi. Er wurde durch einen Staatsvertrag gesichert, der Frankreich mächtig Geld einbringt: Rund 500 Millionen Euro soll die Verwendung des Namens gekostet haben. Weitere rund 700 Millionen müssen für Leihgaben, Ausstellungen, Beratung bezahlt werden.

Der Guggenheim-Effekt

Museumskooperationen haben sich in den vergangenen Jahren zu einem neuen Geschäftsfeld entwickelt. Das prominenteste Beispiel ist das 1997 eröffnete Guggenheim Bilbao. Der futuristische Bau von Frank Gehry gilt als Impulsgeber für einen erfolgreichen Strukturwandel der Region, bewirkte steigende Tourismuszahlen und einen Imagegewinn für die ehemalige Industriemetropole – man spricht vom Guggenheim-Effekt. Dabei wird oft vergessen, dass dazu vieles zusammenwirken muss, darunter eine Investitionsstrategie für Verkehr, Handel, Tourismus, vor allem aber gesicherte Subventionen für das Museum. Erfolgreich ist daher die 2009 eröffnete Hermitage Amsterdam als holländischer Ableger des St. Petersburger Museums. Andere Satellitenmuseen scheiterten: Die Allianz zwischen dem New Yorker Guggenheim Museum und der St. Petersburger Hermitage in Las Vegas endete nach nur sieben Jahren, das Vilnius Guggenheim Hermitage Museum kam über eine teure Planungsphase nicht hinaus und die finnische Regierung lehnte gerade ab, 40 Millionen Dollar für den Bau des Guggenheim Helsinki aufzustellen.

2019 soll eine Hermitage Barcelona eröffnen, allerdings müssen noch 38 Millionen Euro zur Finanzierung aufgestellt werden. Angekündigt wurde auch eben erst eine Filiale des Centre Pompidou in Brüssel für 2020 sowie eine Kooperation der Smithsonian Institution aus Washington mit dem Londoner Victoria and Albert Museum (V & A). Beschlossen wurde dafür eine permanente Präsentation von US-Werken aus der Luftfahrttechnik bis Populärkultur in einem noch zu bauenden V & E-East-Gebäude. Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson war ein großer Befürworter des Projekts – aber wird auch der neue Bürgermeister Sadiq Khan bereit sein, Millionen zu investieren?

Allen Projekten gemein ist, dass die Museen nicht mehr dem Aufbau einer kulturellen Identität dienen, sondern als Instrument des Stadtmarketings. Darum benötigen diese Kulturtempel vor allem eine spektakuläre Architektur. Auch Jean Nouvels Entwurf für Abu Dhabi spielt in dieser Liga. Außen mag das Museum nahezu bescheiden wirken. Innen ist es überwältigend: Da steht man plötzlich auf einem großen, offenen Platz. In 30 Metern Höhe überspannt eine riesige perforierte Kuppel eine Ansammlung vieler einzelner Kuben, die wie eine kleine Stadt angeordnet und von Wasser umgeben sind. Hier kann man sich entscheiden zwischen den Restaurants, dem Kindermuseum, 23 Räumen für die permanente Sammlung – oder man genießt nur das Lichtspiel des Dachs in den „wilden Winden“, wie das natürliche Klima mitten im Museum genannt wird.

Aber nicht nur architektonisch ist der Louvre Abu Dhabi einmalig. Auch die Sammlung folgt einem neuen Weg. Chronologisch angeordnet, wird in zwölf Kapiteln eine gemeinsame Geschichte der Menschheit erzählt, die keine Religion oder Weltsicht bevorzugt, sondern das Verbindende zeigen will, eine „Kreuzung vieler Zivilisationen“, so die stellvertretende Direktorin Hissa al-Dhaheri. Gut 600 Exponate werden zu sehen sein, anfangs rund die Hälfte Leihgaben aus französischen Museen, darunter Landkarten, Bücher, Münzen, Textilien, Drucke, natürlich Gemälde. Es bleiben noch zehn Jahren zum Ausbau der eigenen, bisher überschaubaren Sammlung, dann läuft der Vertrag für Leihgaben aus Frankreich aus. In 30 Jahren endet der Vertrag für den Namen – ob das Haus dann Universalmuseum Abu Dhabi heißen wird? Darüber will Rabaté noch nicht spekulieren. Er hat anderes zu tun. Rund sechs Monate braucht noch der Bau, vier Monate die Installation der Sammlungen. Der genaue Eröffnungstermin steht noch nicht fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2016)

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