Daniel Richter: „Frauen lieben meine Kunst!“

Daniel Richter
Daniel Richter APA/BARBARA GINDL
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Daniel Richter ist der Wiener unter den norddeutschen Malern, deswegen ist er auch so gern hier. Ob als Professor, als Aussteller im 21er-Haus oder irgendwann auf dem Zentralfriedhof.

Termine mit Daniel Richter sind immer gute Termine, man bekommt die besten Plätze in der Zeitung eingeräumt und die besten Fotografen, weil alle glauben, es handle sich um Gerhard Richter den Großen (nicht einmal verwandt). Dabei ist Daniel Richter zumindest so ein Maler-Superstar, zumindest zwischen Hamburg, Berlin, Wien, wo er seit gut zehn Jahren die Klasse „erweiterter malerischer Raum“ auf der Akademie der bildenden Künste mit unverfrorener Grandezza leitet. Nachdem er unter wildem Gefluche die Berliner Universität der Künste verlassen hat („Ich habe noch nie an so einer Scheißhochschule gearbeitet.“)

Richter ist schlicht der Wiener unter den norddeutschen Malern mit linksautonomem Hintergrund. Das Schmähführen, der Hang zu inszenierter Lächerlichkeit der eigenen Person und die Umgehung der unumstrittenen Ernsthaftigkeit der eigenen Kunst durch beredtes Schweigen, das wirkt doch recht vertraut. Wir stehen am Geländer des Obergeschoßes des 21er-Hauses und schauen hinunter auf die versammelte Wiener Kunstszene in Inkarnation der Franz-West-Ausstellung. Er fand das schon immer „total gut“, sagt er, diese „Wiener Haltung“ – „Autodestruktion, reflektiertes Desinteresse und untergeordnetes Karrieredenken“. Das sei schon ganz anders auf den Kunst-Unis in England oder Deutschland zum Beispiel.


Müde Pose. Für einen ehemaligen Hamburger Punk hatte Richter selbst doch ein recht ausgeprägtes Karriereinteresse, von der Ropac-Galerie-Vertretung bis zur unbefristeten Akademie-Professur. „Punk ist tot“, kommt auf so etwas natürlich. Und die müde Pose, in die er sich wirft neben dem in jeder Richter-Retrospektive unverzichtbaren „Fuck the Police“-Bild von 2006 (siehe Abb.). Ein sich malerisch auflösender Punk mit Nietenlederjacke ist darauf zu sehen, ein entschwindender Geist aus der Dose. „Lonely Old Slogan“ heißt das Bild, „Lonely Old Slogans“ heißt die Retrospektive, die kommenden Donnerstag im 21er-Haus anläuft, zuvor im Louisiana Museum in Dänemark war und dann nach London, ins Camden Arts Centre, weitergeht. Abgesehen von einer kleineren Ausstellung im Essl-Museum 2009 ist die über 50 meist großformatige Werke umfassende Schau die erste fette Daniel-Richter-Ausstellung in Wien.

Und dann eine Schaffenskrise. Nervös? Wegen der eigenen Studierenden? Wenn's was zu motschgern gebe? „Nö. Ich habe darauf geachtet, dass nichts drinnen ist, das mir peinlich ist. Und sonst wäre es ja auch legitim. Wenn es Fehler gibt, dürfen sie auch benannt werden.“ Was eh recht schwierig ist hier, denn die Bilder sind einfach gut, folgen sogar einer fast romantischen stilistischen Entwicklung – von ganz abstrakt in den 1990er-Jahren zu den rotzigen Pop-Historien-Schinken in dunkelbunten Neonfarben, mit denen er in den 2000er-Jahren bekannt wurde bis zu den ironischen politisch unkorrekten Taliban-Idyll-Bildern. Dann gab es tatsächlich eine dreijährige Schaffenskrise, in der sich Richter überraschenderweise kein Ohr abgeschnitten hat wie van Gogh, um das Klischee perfekt zu machen.

Sondern, um das Klischee nicht ganz zu versauen, mit Pornografie zurückgekehrt ist, 2015 war das in so einer Art Spät-Picasso-Phase, wo man verschwommene, bunte Gliedmaßen in expliziten Versenkungen und Verrenkungen ausmachen kann. Oder sind es doch Landkarten? Gebietsgrenzen? „Das war ein Fehler, die Pornografie zu offen benannt zu haben“, sagt er. Er hätte lieber mehr interpretatorische Schwebe ausgekostet. Pech. Jetzt denkt man an Houellebecq, an Karte und Gebiet und Männerschweiß.

Kitschige Männerromantik ist etwas, das Richter auch gern mal zu seinen Bildern sagt. So viel Ironie kann gar nicht sein, dass es den Kern nicht doch trifft. Hat er eigentlich auch Sammlerinnen? „Frauen lieben meine Bilder!“ Na klar! Das fällt so schwer zu schreiben, wie es ihm zu sagen schwer gefallen ist – beides gelogen natürlich. Aber im Ernst, er habe meist keine Ahnung, wer seine Bilder kaufe, das Geschäft mit ihm sei ja nicht mehr lokal.

Also doch noch ein Richter-Bild, das einmal hinter Ivanka Trump ins Pressefoto rutschen könnte? Würde er auch die Autorschaft entziehen, wie es US-Urheberschafts-Künstler Richard Prince getan hat? „Feigling! Ich hätte das Bild mit Sprengstoff gefüllt. Oder mit Strichnin bestrichen, Giftbilder, herrlich. Trump ist sicher unverwundbar. Aber er wäre in Rage.“ Das war ein Scherz. Das prinzipielle Bedürfnis, etwas jenseits des Kunstrahmens zu verändern, ist Richter aber zuzusprechen, „das will doch jeder“, meint er. Und wir schauen noch einmal hinunter in die Wiener Szene.

Rechte Künstler im Keller. Warum sind alle Künstler immer links? Oder sind sie es eh nicht und brauchen nur viel Erfolg, um sich wie der Richter Gerhard zum Beispiel zu trauen, Merkels „Willkommenspolitik“ zu kritisieren? „Das war doch dummes Zeug, trotteliges Gerede“, sagt Richter Daniel. Wo sind also die Rechten auf den Kunst-Unis? „In den Kellern!“ Nein, die würden einfach keine progressive Kunst schaffen, meint er. Nur sich progressive Kunst aneignen, das gab es ja schon immer. Mit sehr viel Pathos und völlig ohne Selbstironie, das sei typisch, meint er. Ohne die gehe es aber nicht in der Kunst.

Bei Richter schon gar nicht. In Wien schon gar nicht. Wo wird der Hamburger Ex-Punk mit der unbefristeten Wiener Professur hier also naturgemäß enden? Im Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof. „Nein, das ginge? Darum muss ich mich unbedingt kümmern!“ Die Idee zum Grabstein hätte er auch gleich parat – ein 18 Meter großes Auge, aus dem eine 20 Meter große Träne rinnt, „wie so ein billiges Dalí-Gemälde, aber egal“, meint er. Fehlt vorher noch ein ordentlicher Orden. Das dürfte sich ausgehen.

Ausstellung 21er-Haus, 3. 2.–5. 6.

Steckbrief

Daniel Richter wurde 1962 in Eutin geboren.
In den 1990er-Jahren
studierte er an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Professor Werner Büttner, arbeitete als Assistent bei Albert Oehlen und malte abstrakt, auch Plattencover für das Hamburger Indie-Label Buback, das er 2005 selbst übernahm.

2004/2005
war er Professor für Malerei an der Universität der Künste Berlin, er legte das Amt nieder.

2006 übernahm er die „Professur für erweiterten malerischen Raum“ an der Akademie der bildenden Künste Wien. 2007 gab es eine große Retrospektive in der Kunsthalle Hamburg. 2009 gab es im Essl-Museum die erste in Österreich.

Kommenden Donnerstag eröffnet im 21er-Haus die erste große Retrospektive Richters in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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