Bunte Steine und Waldmüller

Am 20. 11. tagt das nächste Mal die Rückgabekommission.

Was sind „sammlungswerte“ Gegenstände, die nach der Novelle zum Kunstrückgabegesetz von 1998, die vor einer Woche den Kulturausschuss des Nationalrates passiert hat, künftig ebenso zurückgegeben werden können wie Kunstwerke? Da hat z. B. ein Chemiker auf seinen Ausflügen in die Berge Steine gesammelt und sie dem Naturhistorischen Museum geschenkt. Der Mann überlebte das KZ, starb nach dem Krieg. Seine Steine wurden dem NHM einverleibt und dort verschiedentlich zugeordnet.

Wenn in der NS-Zeit konfiszierte Schieles, Klimts oder Altmeister aus dem Kunsthistorischen Museum zurückgegeben und hernach um Rekordsummen versteigert werden, hat das eine starke öffentliche Resonanz. Für Steine oder Kolibris interessiert sich niemand, wiewohl sie für Familien, deren Angehörigen sie geraubt wurden, mitunter wichtige Memorabilia sein können.

Am 20. November tagt zum nächsten Mal der Kunstrückgabebeirat. Er wird sich u.a. mit dem Gemälde „Ahornbäume bey Ischl“ von Waldmüller aus dem Belvedere befassen. Das Bild wird von mehreren Personen beansprucht. Ursprünglich war es im Besitz des Großindustriellen Hermann Eissler (1860 bis 1953), der sich auf österreichische Maler spezialisiert hatte. In Sophie Lillies „Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen“ (Czernin Verlag) ist dokumentiert, wie die Nazis mit der Frau und Tochter Eisslers um einzelne Bilder gekämpft haben, um sie per Ausfuhrsperre, Drohung oder Druck zu bekommen. Die „Ahornbäume“ waren für Hitlers Führermuseum in Linz vorgesehen. Hermann Eissler floh nach Südfrankreich, seine Frau folgte ihm nach dem Krieg. Die Sammlung wurde in den frühen Sechzigern „den österreichischen Museen mehrheitlich als Verfallsgut zugewiesen“, schreibt Lillie.

Die Gesetzesnovelle passierte den Kulturausschuss des Nationalrates mit den Stimmen der SP, VP und Grünen. Die FPÖ lehnte die Novelle als „absolut nicht notwendig“ ab und forderte das allmähliche Auslaufen der Provenienzforschung.

Gibt es noch größere Fälle? Restitutionsexpertin Lillie hofft, dass sich der Rückgabebeirat neuerlich mit der Causa Richard Neumann befasst, wobei es um sechs Objekte aus dem Kunsthistorischen Museums geht, deren Restitution 2005 abgelehnt worden ist. Richard Neumann war Textilindustrieller. 1938 wurde seine Sammlung vom Wiener Magistrat „sichergestellt“. Neumann, der nach der Besetzung Frankreichs über die Pyrenäen nach Spanien geflüchtet war, starb 1961 mit 82 Jahren in New York. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2009)

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