Feminismus made in Austria

In der Verkaufsausstellung wird unter anderem Renate Bertlmanns „Die Erlösung meiner Schwestern“ angeboten.
In der Verkaufsausstellung wird unter anderem Renate Bertlmanns „Die Erlösung meiner Schwestern“ angeboten.(c) Renate Bertlmann
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Sotheby's startet ein neues Ausstellungsformat in London mit den beiden österreichischen Künstlerinnen Maria Lassnig und Renate Bertlmann.

Das Geschäft mit der direkten Kunstvermittlung wird für die großen Auktionshäuser immer wichtiger. Zur Ankurbelung der Privatverkäufe veranstalten Sotheby's und Christie's daher immer öfter auch Ausstellungen. „S/2 London“ heißt ein neues Ausstellungsformat von Sotheby's, das wichtige, aber vom Markt unterbewertete Künstler zeigt. Die Premiere machen just zwei Österreicherinnen, Renate Bertlmann und Maria Lassnig. „Beide Künstlerinnen spielen eine Schlüsselrolle in der Diskussion um die Neubewertung von Künstlerinnen der Nachkriegszeit“, betont Sotheby's in einer Aussendung. Im ersten Stock des Londoner Hauses von Sotheby's wird eine Auswahl an Arbeiten von Bertlmann zu sehen sein, im Erdgeschoß präsentiert das Auktionshaus Maria Lassnig.

Ausnahmekünstlerin. Letztere war mit ihrer humorvollen Selbsterkundung ohne Pathos und Kitsch eine Ausnahmekünstlerin. Mit ihrer Kunst gab sie immer wieder Anlass, über die Rolle der Frau in der Kunst und in der Gesellschaft zu reflektieren. Häufig stellte sie sich in den Gemälden nackt dar und machte auch kein Hehl aus dem Alterungsprozess ihres Körpers.

Die internationale Anerkennung, die ihr längst zugestanden wäre, ist ihr eigentlich erst nach ihrem Tod im Jahr 2014 zuteil geworden. Nach Ausstellungen im PS1 in New York in ihrem Todesjahr und einer Retrospektive in der Tate Liverpool 2016 wird sie auch kommerziell gepusht. Die Galerie Friedrich Petzel in New York hat vergangenen Herbst „Woman Power“ gezeigt, und Hauser Wirth & Schimmel, die Niederlassung der Zürcher Galerie Hauser & Wirth, hat der Ausnahmekünstlerin Ende des Jahres ebenfalls eine eigene Ausstellung gewidmet. Die Galeristen Petzel und Wirth sind übrigens auch Vorstandsmitglieder der Lassnig-Stiftung und an einem Ankurbeln des Marktes mehr als interessiert. Die Präsentation bei Sotheby's kommt da sehr gelegen, zumal die Arbeiten der Schau allesamt zum Verkauf stehen.

Preislich hat der Auktionsumsatz der Künstlerin in ihrem Todesjahr einen Sprung nach oben gemacht. 2013 wurden mit Werken von Lassnig knapp 400.000 Dollar umgesetzt, ein Jahr später stieg der Umsatz auf 2,6 Millionen, also auf mehr als das Sechsfache, an. 2015 waren es 1,2 Millionen Dollar. Auch die Preisentwicklung verlief ähnlich. 2014 wurden gleich mehrmals neue Rekordpreise für Lassnig erzielt. Der höchste liegt bei 400.000 Euro für „Der Wald“ im November 2014 im Wiener Dorotheum. Bei derselben Auktion wurde „Stillleben mit rotem Selbstporträt“ für 340.000 Euro zugeschlagen, der zweithöchste Preis für ein Werk Lassnigs. Konkurrent im Kinsky schaffte für „Brettl vorm Kopf“ zur selben Zeit den dritthöchsten Zuschlag von 330.000 Euro. Obwohl zuletzt wiederholt Werke Lassnigs zu Auktionen gelangten, wurde der Rekord nicht gebrochen. Die Arbeiten, die bei Sotheby's angeboten werden, starten bei 200.000 Pfund. So sind etwa „Le jeu du destin“ aus dem Jahr 1999 und „Selbstporträt mit Hasen“, beide aus der Lassnig-Stiftung, zu sehen.

Renate Bertlmann ist verglichen mit Lassnig auf dem internationalen Auktionsmarkt noch ein unbeschriebenes Blatt. Sie wurde in der Vergangenheit vorrangig von Galerien direkt verkauft. Im Programm hat sie die Wiener Galeristin Silvia Steinek, zuletzt stieß die Arbeit „Transformations“ aus dem Jahr 1969 beim Londoner Galeristen Richard Saltoun heuer im März bei der Armory Show in New York auf internationale Beachtung. Pionierarbeit in Sachen feministischer Avantgarde leistet zudem Gabriele Schor, Direktorin der Sammlung des Energieversorgers Verbund. Sie betreibt wissenschaftliche Recherche und grundlegende Aufbauarbeit zum Thema der feministischen Avantgarde und hat sich seit 2007 auch mit dem Werk von Renate Bertlmann beschäftigt. Im Vorjahr hat Schor der Künstlerin eine erste umfangreiche Retrospektive gewidmet sowie ein Buch, das einen Überblick über fünf Jahrzehnte ihres Schaffens gibt.


Subversiv. Bertlmann teilt das Schicksal der meisten Künstlerinnen, die in einer von Männern dominierten Kunstwelt wenig Bekanntheit erlangt haben. Zwar hatte sie Ausstellungen im In- und Ausland, aber insgesamt zu wenig Medienecho, um international auch auf dem Markt reüssieren zu können. „In Österreich tat man sich mit der subversiven Kunst von Bertlmann schwer“, schreibt auch Schor in ihrem Vorwort. Das könnte sich nun mit der Ausstellung bei Sotheby's ändern. Verdient wäre es jedenfalls. Bertlmann nimmt in ihrer Arbeit mit der ihr eigenen feinen Ironie die Gesellschaft und deren Geschlechterverhältnisse aufs Korn und spannt über die 50 Jahre ihres Schaffens einen Bogen feministischer Kulturgeschichte. Insgesamt umfasst ihr Oeuvre mehr als 3000 Werke, die von Malerei über Objektkunst bis zu Fotografie, Installationen und Performances reichen.

Sotheby's stellt ihre Arbeit aus den 1970er-Jahren in den Fokus der Ausstellung – mit einigen ausgewählten Werken aus anderen Jahrzehnten, die im Kontext zu dieser Schaffensperiode stehen. Das Auktionshaus will die Bedeutung Bertlmanns als einer jener Künstlerinnen unterstreichen, die einen wesentlichen Beitrag zum Genderdiskurs leisten. Die Preise für die Arbeiten, die Sotheby's anbietet, bewegen sich zwischen 3700 und 150.000 Pfund.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2017)

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