Verhaltener Neustart für Kunsthalle Krems

Martha Jungwirth arbeitet sich in einer neuen Serie an Richard Gerstls Schwestern Fey ab.
Martha Jungwirth arbeitet sich in einer neuen Serie an Richard Gerstls Schwestern Fey ab.(c) Bildrecht Wien/Rastl
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Nach einem Schließjahr betritt die Kunsthalle Krems mit einer recht beliebigen Ausstellung zur abstrakten Malerei einen Weg, der sie in ein Schattendasein führen könnte.

Die Vorzeichen stehen nicht wahnsinnig günstig für die neue Kunsthalle Krems, die nach einem Jahr baulicher Adaptierungen und mit neuem Direktor dieses Wochenende wiedereröffnet: Durch eine enge Baustellengasse betritt man das kahle, man könnte auch sagen: aufgeräumte Foyer. Die Pfeilerhalle der ehemaligen Tabakfabrik, die Mitte der 1990er-Jahre von Adolf Krischanitz umgebaut wurde, kommt architektonisch dadurch sicher wieder mehr zur Geltung. Der lustige bunte Shop aber wurde auf ein Minimum reduziert. Und Café gibt es hier auch keines mehr. Die Gastronomie der Kunstmeile Krems wird im vergleichsweise spektakulären Neubau stattfinden, der zurzeit nebenan entsteht, 2018 eröffnen und per unterirdischem Gang mit der Kunsthalle verbunden werden soll: das „Kunstmuseum Krems“.

Konzentration aufs Zeitgenössische

Dort werden in Zukunft auch die Ausstellungen zur zugkräftigeren klassischen Moderne zu sehen sein. Der neue Kunsthallen-Direktor, Florian Steininger, der in dieser Position dem jetzigen Leopold-Museum-Direktor Hans Peter Wipplinger nachgefolgt ist, will sich auf das Zeitgenössische konzentrieren (oder beschränken). Wie er es in seiner ersten großen Antrittsschau vorzeigt. Kennt man Steininger – und das tut praktisch die ganze heimische Kunstszene, der Kurator war lang Kunstkritiker, dann lang Kurator im BA-Kunstforum –, ist man wenig überrascht von diesem Beginn: „Abstract Painting Now“ ist Steiningers Spezialgebiet.

Vor knapp zehn Jahren schon hat er damit einen Coup im Kunstforum gelandet, als er gemeinsam mit Ingried Brugger für „Monet – Kandinsky – Rothko und die Folgen“ Bilder der abstrakten Moderne nach Österreich gebracht hat, die man hier sonst selten bis nie zu sehen bekommt. Schon damals mischte Steininger österreichische Abstrakte assoziativ darunter, Max Weiler, Günter Brus, alles Mögliche, es gab tolle Begegnungen. Die Kremser Ausstellung könnte jetzt, sagt Steininger, als Fortsetzung verstanden werden. Diesmal beginnt er erst Mitte der 1980er, legt allerdings nicht, wie der Titel suggeriert, einen Fokus auf eine jüngste Generation abstrakter Maler, die der boomende Kunstmarkt in den vergangenen 15 Jahren in großer Zahl hervorgebracht hat – „Crapstraction“ wird diese dekorative Abstraktion in den USA genannt. Nein, nur zwei Künstlerinnen sind 1980er-Jahrgänge: die Polin Natalia Zaluska und die New Yorkerin Caitlin Lonegan. Es ist ein sehr subjektiver Rückblick, den er hier arrangiert hat, wie Steininger zugibt, beginnend mit dem großen deutschen Gerhard Richter, und zwar der großartigen, schwarz-weiß verschwommenen „Frau in Hollywoodschauke“ von 1968. Hier, im Mezzaninraum, wo immer schon die Großformate hingen, hängen sie auch jetzt. Und es ist schwer, hier nicht beeindruckt zu sein; denn auf Richter treffen Großformate einiger der wesentlichen österreichischen Abstrakten, etwa von Erwin Bohatsch und Herbert Brandl. Eine andere Generation als Richter, ein anderes Land, aber man soll sehen: Wir können mit den internationalen Stars. Nur – das ahnen wir schon lang. Vor allem im Essl-Museum wurden derlei freundschaftliche Mischungen immer wieder angerührt.

In Krems mixt man dazu rund 80 Werke von fast 70 Künstlern in Gruppen wie Ornament, Natur, Gestik zusammen. Von den meisten stammt also nur ein Werk. Vertiefung gibt es so keine, These auch nicht, dazu ist das Feld zu breit aufgestellt. Was zu einer gewissen Beliebigkeit führt, ein Anspruch auf Vollständigkeit wird gar nicht erst behauptet. Von einer politischen Botschaft – man denke an die in der islamischen Kultur wesentliche Abstraktion – ganz zu schweigen. Etwas wenig ist das schon. Damit wird Krems die Wiener nicht überzeugen, schon gar nicht, wenn erst die Sammlung Essl im Künstlerhaus logiert (zwei der Essl-Kuratoren, Günther Oberhollenzer und Andreas Hoffer, arbeiten nun in Krems, einer für das Kunstmuseum, einer in der Kunsthalle).

Zwei Galerien sind stark präsent

Was man an diesem Auftakt allerdings schön ablesen kann, sind die Quellen, aus denen Steininger für sein Programm schöpft und wohl auch schöpfen wird: Firmensammlungen wie die der EVN oder Privatsammlungen wie die von Sigrid und Franz Wojda. Vor allem zwei Galerien sind auffällig stark vertreten, und zwar jeweils mit einem ganzen Drittel ihrer Programme, die Galerie nächst St. Stephan mit elf Künstlern, die Galerie Bechter Kastowski mit vier.

Was hätte man sich gewünscht? Mehr jüngere österreichische Künstler. Eine gewagte Behauptung. Mehr Einblick in die aktuelle Produktion der großen heimischen Maler anstelle des Rückblicks auf Werke und Zusammenhänge, die wir schon gut kennen. Und einen besseren Platz, weit weg von den Feuerlöschern, für die zwei spannenden großen neuen Bilder von Martha Jungwirth, in denen sie sich an Richard Gerstl abarbeitet. Jedenfalls sind die Räume perfekt hergerichtet, architektonisch wieder klarer und auf neuesten technischen Stand gebracht. Auch der große Saal in der Mitte hat wieder wunderbar weiches Oberlicht. Ein Schattendasein sollte so zumindest vermeidbar sein.

DREI NEUE AUSSTELLUNGEN

Die Kunsthalle Krems feiert ihre Wiedereröffnung mit drei Ausstellungen: Im Haupthaus ist „Abstract Painting Now“ zu sehen, kuratiert vom neuen Direktor, Florian Steininger. In der zentralen Halle ist eine Malerei-Installation von Tobias Pils zu sehen (betreut von Verena Gamper). In der neu von der Kunsthalle genutzten Dominikanerkirche zeigt Sebastien de Ganey die Installation „Transposition And Reproduction“. Alle Ausstellungen beginnen mit 2.Juli und laufen bis 5.11. (de Ganay bis 15.10.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2017)

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