Albertina: Ein Ticket in die Kunstgeschichte

(C) Bildrecht, Wien
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Direktor Schröder lässt in einer monumentalen zweigeschoßigen Schau die Ankäufe seiner Ära präsentieren. Eine Leistungsschau, die man nicht übersehen kann.

Viel zu selten gibt es Ausstellungen von Neuankäufen bzw. Schenkungen an die Museen. Dabei wird hier ein unvergleichlicher Vorgang dokumentiert, eine Art Apotheose: Hier geht Kunst in die Ewigkeit ein, in Österreich zumindest. Denn was einmal in die Bestände der Bundesmuseen kommt, ist per Gesetz unveräußerbar.

Was erklärt, warum hochpreisige Künstler ein Interesse haben, wesentliche Werke zu schenken, die sich heimische Museen auf dem freien Kunstmarkt nie leisten könnten. Es ist eine Investition in ihre Unsterblichkeit, in ihren Eingang in die Kunstgeschichte. Die Bastei-Halle der Albertina ist zurzeit die Weihehalle dieser Strategie, hier hängen die Gemälde, die Alex Katz, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Arnulf Rainer (lauter Zugpferde der Galerie Ropac übrigens) der Albertina in den vergangenen Jahren schenkten. Großzügig, in der Tat, genauso wie von Gottfried Helnwein, der mit seinen großformatigen Schenkungen einen ganzen Raum bespielt. Im Gegenzug hat die Albertina Ware, die sie verleihen bzw. dauerhaft und publikumswirksam ausstellen und plakatieren kann.

Die Grafik steht im Strategiezentrum

So weit zum kapitalen Teil dieser sich über zwei Geschoße erstreckenden Demonstration der Beute, die Klaus Albrecht Schröder während seiner 18 Jahre als Direktor erhaschen konnte. Beim Großteil dieser insgesamt 10.000 neuen Werke handelt es sich tatsächlich um die weniger „teure“, nicht unbedingt weniger wertvolle Grafik, also ums Albertina-Kerngebiet. Auch die tatsächlichen Ankäufe (aus Mitteln der Galerienförderung des Bundes, der Ludwig-Stiftung und Fundraising-Aktivitäten) beschränken sich zum allergrößten Teil darauf. Wohl auch, um diesen Schwerpunkt zu betonen, um sich gegen die andauernde Kritik an der Aufweichung des Profils des Hauses durch die Übernahmen der Sammlungen Batliner und Essl zu positionieren, glänzt der Hauptteil der Ankaufspräsentation in den repräsentativen Propter-Homines-Hallen – ausschließlich mit Arbeiten auf Papier.

Kuratorin Antonia Hörschelmann hat dazu Arbeiten von rund 40 Künstlern, alt und arriviert, international und österreichisch, ausgewählt. Was erst wie ein völlig zusammenhangloses Kuddelmuddel klingt, ausstellungstechnisch aber überraschend gut gelöst wurde: Schließlich scheint man sich bei den Ankäufen weniger auf Einzelwerke als auf Serien konzentriert zu haben, was jetzt zu großzügigen Hängungen führt, bei denen ganze Wände, teilweise ganze Räume einem Künstler gewidmet sind. Zum Beispiel Markus Schinwalds fünf großformatigen Überarbeitungen der Biedermeier-Porträts von Anton Kriehuber, der sich natürlich in der Albertina-Sammlung findet. Schinwald hat die Herren und die Dame mit irritierenden Fetischprothesen und intimen, falschen Vornamen ausgestattet, es geht um Körperdisziplinierung, Selbstdarstellung und das Unheimliche an dieser Kombi.

Eine spannende Kombination sind auch die Zyklen von Pavel Pepperstein und Anna Jermolaewa, die sich kritisch mit dem Kommunismus beschäftigen, und von Csaba Nemes, einem ungarischen Zeichner, der die Geschichte des Wiener Hotels Métropole im wahrsten Sinn aufgezeichnet hat: von seiner Gründung als Luxushotel am Donaukanal 1873 bis zu seiner Beschlagnahmung durch die Nazis, die den Bau als Gestapo-Leitstelle zum Ort des Terrors machten. Er steht heute nicht mehr, sondern wurde völlig zerbombt.

Sogar eine Art Genderraum kam zusammen, gleich am Beginn, würdig genug für das Haus, wo mit Schieles Grafik das Zeugnis des größten Geschlechterwandlers der Kunstgeschichte beheimatet ist: Jetzt hängt hier das Selbstporträt der Künstlerin an erster Stelle, Eva Schlegel mit der Kamera, wie sie sich selbst 2013 in Tinte darstellte. Daneben die ebenfalls zeitgenössisch großformatigen und scheinbar gleichberechtigten Paarbeziehungen von Sevda Chkoutkova. Marlene Dumas' „Male Beauty“ von hinten wirkt gegen Schieles Selbstzerfleischungen dagegen fast zahm. Herausragend ist auch der letzte Raum, wo zwei große Meister der Kohlezeichnung aufeinandertreffen, Robert Longo und William Kentridge, dem wir ab nächster Woche ausführlich in Salzburg begegnen werden.

Wenn diese Ausstellung also repräsentativ für die Zusammensetzung der gesamten 10.000 Albertina-Neuzugänge ist, darf man dieser Apotheose recht zufrieden beiwohnen. Keine gröberen Götterstürze absehbar. Jedenfalls nicht von unserer irdischen Position aus.

„Look! New Acquisitions“, bis 8. Oktober, täglich 10–18h, Mi. 10–21h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2017)

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