Porträt

Linda Christanell: Was ein Fingerfächer so erzählt

Performance mit weiß geschminktem Gesicht und weißer Kugel, die Linda Christanell 1978 als Verkörperung der mythischen platonischen Kugel-Seele hernahm, die männlich und weiblich verbinden soll.
Performance mit weiß geschminktem Gesicht und weißer Kugel, die Linda Christanell 1978 als Verkörperung der mythischen platonischen Kugel-Seele hernahm, die männlich und weiblich verbinden soll.
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Linda Christanell hätte ein ganzes Geschoß im „21er Haus“ verdient für ihre Filme, Objekte, Performances. Avantgarde war die künstlerische, Feminismus die politische Vorlage.

Die Generation nach den so mächtigen Wiener Aktionisten erhielt generell zu wenig Beachtung in Österreich. Zumindest die Performance-Künstlerinnen darunter, die in den 70er Jahren die dreckige, weil undankbare feministische Pionierarbeit erledigten, werden in den vergangenen Jahren wiederentdeckt. Die nach mehreren internationalen Stationen im Wiener Mumok gelandete Überblicks-Schau „Woman. Feministische Avantgarde“, die übrigens nur noch bis Sonntag läuft, gibt einen wunderbaren Überblick.

Viele dieser Künstlerinnen würden Einzelausstellungen verdienen. Linda Christanell (*1939) ist eine davon, sie bekam tatsächlich einen Raum im Obergeschoß des „21er Hauses“ (Kurator: Harald Krejci). Verdient hätte sie das ganze Stockwerk, eine breite Retrospektive. Aber das ist eine andere Geschichte, jedenfalls eine schwierige, bei der man sieht, dass die Geschwindigkeit des heutigen Museumsbetriebs oft nicht kompatibel ist mit der von Künstlern, die nicht so geschmeidig sind in diesem Betrieb.

Christanell ist mit der Welt des Films vertrauter, in der sie schon lang als Avantgarde-Pionierin gilt. Doch Filme wollte Christanell heraushalten aus dieser Ausstellung, in der sie nach langem Zögern einfach zeigt, „was ihr Spaß macht“, erklärt sie der „Presse“. Das waren in den letzten Jahren keine Filme – „der Zusammenbruch der analogen Filmwirtschaft war ein Schock für mich“ –, sondern schwarzweiße Foto-Collagen und -Montagen, bei denen sie etwa stilllebenartige Arrangements aus Schmuck und Selbstporträts mit Aufnahmen zufälliger, abstrakter Linien am Straßenasfalt kombiniert.

Im Pariser Studio von Zadkine

Diese Polarität zieht sich von Anfang an durch ihr tatsächlich äußerst vielgestaltiges, multimediales, trotzdem charakteristisches Werk – hart und weich, abstrakt und gegenständlich, rational und sinnlich. Es ist das Verdienst dieser verhinderten Retrospektive, dass man dennoch zurückblicken kann mit rund 120 Werken immerhin: etwa auf erste Plexiglas- und Schaumstoff-Objekte, die in Christanells Zeit in Paris Mitte der 60er Jahre entstanden, beeinflusst vom kubistischen Maler Ossip Zadkine, den sie dort jeden Sonntag im Atelier besuchte. Sie hatte zuvor in Wien Malerei bei Robin Christian Andersen studiert, das langweilte sie aber, führte sie direkt zum experimentalen Film, erzählt sie. Ihre fetischhafte Liebe zu Dingen an sich floss aber auch ein in ihre Objekte, die oft von Christbaumschmuck aufgelockert werden. Neben den abstrakten Plexiglas-Stücken entstand – natürlich, Polarität – Weiches: verschnürte, gepolsterte Päckchen aus Rosshaar und Jute, textile, beutelartige Geschirre, die sich Christanell in ihren Performances in den Siebzigerjahren auch selbst anlegte. Ihre berühmteste kreiste um einen „Fingerfächer“, eine Art mondäne Hand-Prothese. Ihr Markenzeichen war bei ihren Auftritten ein maskenhaft weiß geschminktes Gesicht, auf der Stirn geteilt durch einen schwarzen Strich. Immer wieder blickt man in die ausdruckslosen Augen dieser Kunstfigur, deren Foto sie bis heute für ihre manchmal recht sentimental anmutenden Collagen verwendet.

„Das Leben ist nicht so einfach, es ist auch nicht nur schön. Es hat verschiedene Phasen“, meint Christanell dazu. Die Zeit des Aufbruchs, Paris, die Rückkehr nach Wien, wo die Feministinnen – „eine politische Haltung, keine künstlerische“ – die Künstlerinnenvereinigung „Intakt“ gründeten. Die Männer, die sie unterstützten, Monsignore Otto Mauer etwa, der erste, der sie ausstellte und auch einiges ankaufte, wie sie erzählt, ihr Mann, der evangelische Theologe Kurt Lüthi, ebenfalls Feminist. Jahrzehnte, in denen sie niemand beachtete – „mein Leben war einfach zu kompliziert, um Netzwerke zu pflegen, ich wollte immer nur arbeiten“. Jetzt ein später Erfolg. Alles dauert seine Zeit anscheinend. So langsam kommt wieder die des Filmens für Christanell. Sie werde sich jedenfalls nicht davon abhalten lassen.

Linda Christanell, 21er Haus, bis 10. September, Mi.–So. 11–18h, Fr.–21h; Fr., 8. Sept., 17h, Künstlerinnengespräch.

Woman, Mumok, bis 3. Sept.; Heute, 31. 8., 19h, Künstlerinnengespräch mit Margot Pilz und Renate Bertlmann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2017)

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