Tate Modern: Die Bilder schwarzer Helden

Faith Ringgolds „American People“ erinnert nicht von ungefähr an Picassos berühmtes „Guernica“.
Faith Ringgolds „American People“ erinnert nicht von ungefähr an Picassos berühmtes „Guernica“.(c) Faith Ringgold
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Eine Ausstellung in der Tate Modern widmet sich dem revolutionären Ausdruck der Afroamerikaner in Malerei, Collage, Skulptur, Foto und Musik ab 1963.

Die Hymne der Revolution wird nicht von Glen Campbell, Tom Jones, Johnny Cash, Engelbert Humperdinck or Rare Earth gesungen“, formulierte der junge Poet und Sänger Gil Scott-Heron in seinem epochalen Proto-Rap „The Revolution Will Not Be Televised“. Er erschien 1970. Über die tragende Rolle afroamerikanischer Musik bei der Emanzipation der Schwarzen Amerikas ist recht viel bekannt. Die umstürzlerische Musik von Archie Shepp bis James Brown zählt zu den Klassikern der Moderne. Über die bildende Kunst jener Jahre ab 1963, als das Civil Rights Movement am Höhepunkt war, ist weit weniger bekannt. „Soul Of A Nation – Art in the Age of Black Power“, noch bis 22. Oktober in der Londoner Tate Modern zu sehen, zeigt erstmals in Europa den vitalen Beitrag schwarzer US-Künstler in jener nicht gerade gewaltfreien Ära des Umbruchs. Die Kuratoren werfen dieselben Fragen auf, die sich die Künstler damals stellten. Etwa jene, an wen sich afroamerikanische Kunst wendet: an ein universelles Publikum oder strikt an die eigene Community? Und gibt es überhaupt so etwas wie eine genuine „afroamerikanische Ästhetik“?

Der erste Raum der Ausstellung ist dem temporären Künstlerkollektiv Spiral gewidmet, für das sich 15 Künstler kurz vor Martin Luther Kings legendärem Marsch auf Washington zusammen taten, bei dem dieser seine Vision einer amerikanischen Gesellschaft formulierte, wo Hautfarbe keine größere Rolle als die Augenfarbe spielen sollte. King sprach von sich noch als „Negro“. Die allgemeine Sprachregelung pendelte sich damals aber gerade auf „Black“ ein. Um das friktionsreiche Verhältnis zwischen „Black“ und „White“ zu veranschaulichen, sind die Arbeiten des Spiral-Kollektivs in Schwarz/Weiß gehalten. „America – The Beautiful“, eines der eindringlichsten Bilder dieser Ausstellung, stammt von Norman Lewis (1909-1979), einem Maler, der als Realist begann, sich aber schon Mitte der Vierzigerjahre der Abstraktion zuwandte. Raffiniert hingepinselte, weiße, amorphe Formen, die durch ein einziges dünnstricheliges Kreuz als Zusammenkunft des Ku-Klux-Klan zu erkennen sind. Der Titel des Bildes steht für die Diskrepanz zwischen dem American Dream und der tristen amerikanischen Realität.

Malcolm X in Limonadenfarben

Diese griff auch Benny Andrews, bekannt für seinen Mischstil aus Collage und Malerei, auf. Sein aus 1969 stammendes Bild „Did The Bear Sit Under The Tree“ thematisiert schon in der Wahl der Materialien seine entbehrungsreiche Kindheit im ländlichen Georgia. Die aus dem Bild in den Raum ragende amerikanische Flagge ist aus bemalter Jute, einem groben Material, aus dem in der Not auch Kleidungsstücke geschneidert wurden, wie sie Andrews tragen musste. Das Bild zeigt eine schwarze Person, die der US-Flagge, von der sie eigentlich beschützt werden sollte, verzweifelt die Fäuste entgegenhält.

Doch die afroamerikanische Kunst jener Tage, etwa jene der Chicagoer Künstlervereinigung Afri-COBRA, war auch von Selbstbewusstsein geprägt. Das veranschaulichen die oft in den künstlichen Farben der Kool-Aid-Limonaden gehaltenen Porträts von Wadsworth Jarrell. Sein impressionistisch anmutendes Bild des poltischen Aktivisten Malcolm X feiert dessen Tiraden gegen „Uncle-Tom-Preachers“ und Rassentrennung. In seinem Gesicht sind Variationen eines B zu sehen, die für Black, Bad and Beautiful stehen.

Ein Raum ist den schwarzen Helden gewidmet. Deren Definition hat die Organization of Black American Culture (OBAC) ausformuliert: Ein Black Hero ist jemand, der die Schönheit des schwarzen Lebens auf irgendeine Weise abbildet oder repräsentiert. Das Spektrum reicht hier von Emma Amos „Eva The Babysitter“ bis zu Andy Warhols „Muhammad Ali“. Den berühmten Boxer malte er in Acryl, beschränkte sich dabei auf Red, Black and Green, die Farben der panafrikanischen Flagge. Ein Selbstporträt des heuer verstorbenen, gerne mit rassistischen Klischees wie bedrohlich baumelnden schwarzen Penissen arbeitenden Malers Barkley Hendricks ziert den Aussstellungskatalog wie auch das Cover der in Kooperation mit der Tate Modern entstandenen Musik-Kompilation „Soul Of A Nation“ (Soul Jazz Records). Sie bringt die progressive Musik jener Jahre, etwa von Sarah Webster Fabio, Gil Scott-Heron und Horace Tapscott, zu Gehör.

Die Wechselbeziehung zwischen Musik und Malerei ist ja in der Ausstellung vielfach zu bestaunen. Etwa am Beispiel von Hendricks' berühmten Gemälde „What's Going On“, das von Marvin Gayes politischem Soulklassiker gleichen Namens inspiriert war. Das gewöhnliche Volk fokussiert hingegen die aus Harlem stammende, heute 86-jährige Malerin Faith Ringgold. Weil ihr die Schwarz-Weiß-Fernsehnachrichten in den Sechzigern zu beschönigend wirkten, malte sie ihrer Serie „American People“ (1967) reichlich Blutspritzer ein. Die sich aufdrängenden Assoziationen mit Picassos „Guernica“ (1937) sind wohl nicht unbeabsichtigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)

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