Auch Zagreb hatte seinen Klimt

Die Wiener Malerin Leopoldine Auer posiert 1902 für ihren Mann Robert, dem sie nach Zagreb folgte.
Die Wiener Malerin Leopoldine Auer posiert 1902 für ihren Mann Robert, dem sie nach Zagreb folgte. (c) Privat
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Orangerie im Belvedere. Dicht wie im Salon gehängt, alle Sparten von Malerei, Mode, Kunsthandwerk bis Skulptur umfassend: Zagreb um 1900 hält den Paarlauf mit Wien durch.

Es ist ein bezauberndes Frauenporträt, das die Liebesgeschichte dieser Ausstellung zusammenfasst: Die Malerin Leopoldine Auer Schmidt posierte 1902 für ihren Mann, Robert Auer, wie eine Pariserin, die gerade vor der Staffelei eines Renoir steht: ganz in Schwarz, mit braunem Pelzmuff, vor einer asiatischen Tapete, das Gesicht strahlend wie aus Porzellan, das Lächeln klimtisch mondän (siehe Abb.). Doch es war keine der Metropolen der Moderne, in der dieses Bild entstand, es war Zagreb.

Dorthin war die Wienerin ihrem kroatischen Mann gefolgt, nachdem sie sich an der Wiener Kunstgewerbeschule verliebt hatten. In Zagreb betrieben sie dann eine der ersten privaten Kunstschulen. Leopoldine selbst stellte beim ersten kroatischen Künstlerinnenklub aus, gegründet von einer anderen, fast mythischen Malerinnenfigur der Zagreber Moderne, Nasta Rojc: Sie stellte sich selbst lebensgroß als Jägerin dar, lebte abgeschieden in ihrer Villa und hatte eine Affäre mit einer Frau, ein Skandal. Was für eine Kunstgeschichte, die wir nicht kennen.

Auch Zagreb hatte eine Secession

Jetzt ist ihr Zeitfenster in der Orangerie aufgegangen: Nach den großen Beziehungsanalysen zwischen den führenden Moderne-Szenen Wien, Berlin und Paris lenkt das Belvedere jetzt den Fokus auf den vorwiegend einseitigen Einfluss der Wiener Jugendstil-Szene auf Zagreb, Hauptstadt eines der ehemaligen Kronländer der Habsburger-Monarchie. Was erst einmal eine Frage der Ausbildung war: In Ermangelung einer eigenen Kunstakademie im 19. Jahrhundert lag es für kroatische Künstler nahe, an die Wiener Kunstakademie, vor allem aber die Wiener Kunstgewerbeschule zu gehen. Viele kehrten danach wieder zurück, man war also bestens informiert über Klimt und die Secession, die nahezu parallel auch in Zagreb ablief.

Der kroatische Klimt hieß Vlaho Bukovac. 1897, im selben Jahr wie in Wien, verließ er mit Kollegen die traditionelle Künstlervereinigung der Stadt und gründete die sezessionistische Vereinigung kroatischer Künstler. Es ist die erstaunliche Leistung des Kuratorinnenduos Petra Vugrinec und Irena Kraševac, dass sie einen – gemeinsam mit der Zagreber Galerija Klovićevi dvori organisierten – Paarlauf zwischen Meisterwerken der Zagreber und der Wiener Moderne schafften, der nie peinlich wirkt, der großteils standhält. Dicht gehängt wie in einem der damaligen Salons sind die Bilder, man kann sich in diese andere Zeit, diese andere Stadt stürzen, in der damals viele Entwicklungen der Monarchie-Hauptstadt gespiegelt wurden: Statt Ringstraße gab es einen Boulevard in Form eines „grünen Hufeisens“, es gab einen Secessions-Pavillon, ein Gesamtkunstwerk wie Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf, die Poliklinik von Ignat Fischer. Man trug Reformkleider, die etwa Bela Csikos Sesia entwarf. Und es gab einen Bildhauer, bei dessen (frühen) Werken man an Klimt in 3-D denkt.

Dieser Ivan Meštrović war die zweite prägende Figur Zagrebs um 1900, aber auch in Wien ein Star, Dauergast in der Secession, gesammelt von Karl Wittgenstein, der etwa eine Skulptur seiner Mutter bei ihm beauftragte; sie befindet sich heute im Belvedere. Wie nur wenige andere Werke der Zagreber Moderne, was einer Aufarbeitung bedürfte: Sammelte man in der damaligen „Neuen Galerie“ damals natürlich auch Kunst der Kronländer, gab man viele Werke nach Zerfall der Monarchie zurück, was genau, weiß man nicht, so der aus dem Leopold-Museum wiedergekehrte Belvedere-Kurator Franz Smola.

Auch Belvedere-Direktorin Stella Rollig kündigt in Zukunft mehr Augenmerk auf diese vergessene Szene an: Künstler wie Nasta Rojc, die auch in Zagreb erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckt wurde, aber auch Bildhauer Meštrović würden Einzelausstellungen verdienen. Das Leben von Letzterem zeichnet die Wirren nach, in die man auch künstlerisch in Kroatien geraten konnte: Meštrović war slawisch-national, was das schon in seiner Wiener Zeit spürbare Pathos mehr und mehr verstärkte, er wurde zum Staatskünstler, kleisterte ganz Zagreb mit Statuen zu. 1942 wanderte er in die USA aus. Eine typische Geschichte der Moderne, des Aufbruchs und der Enttäuschung.

Wien und Zagreb um 1900. Orangerie, Unteres Belvedere, bis 18. Februar täglich 10–18 Uhr, Fr 10–21 Uhr. Mehr Bilder der Ausstellung unter www.diepresse.com/Zagreb.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2017)

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