Pop-Art mit Patina: Wolfgang Hahn und die 60er Jahre

G.  Segals "Woman in a Restaurant Booth"
G. Segals "Woman in a Restaurant Booth"The George and Helen Segal Foundation/ VBK Wien 2018
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Museen sind Horte der Nachhaltigkeit, auch wenn es um fragile Kunstwerke aus jüngerer Zeit geht, zum Beispiel von George Segal.

Gibt man bei Google George Segal ein, sieht man zunächst einen feschen US-Schauspieler. Ein Mann gleichen Namens war aber auch ein wichtiger Vertreter der Pop-Art. George Segals Skulptur "Woman in a Restaurant Booth" (1961) zeigt eine aus vielen US-Filmen vertraute Szene: Ein Mensch sitzt in der Nische eines Lokals, das ein typisches Schnellrestaurant sein könnte. Es handelt sich um George Segals Frau, die hier eingegipst und verewigt wurde.

Das Werk ist im Mumok in Wien zu sehen in der Sammlung Hahn. Wolfgang Hahn war Chefrestaurator des Wallraf-Richartz-Museums in Köln, 1978 kam seine Sammlung mit 400 Werken nach Wien, wo sie ein Kernstück des Mumok wurde. Wie restauriert man Arbeiten, die das Flüchtige des Lebens und der Kunst zeigen sollen, aber heute Ikonen der jüngeren Kunstgeschichte sind? Wie geht man um mit Latex oder Gips, Material, das nicht für die Ewigkeit geschaffen ist? "Gips ist an sich robust, besser jedenfalls als Latex", sagt Mumok-Restauratorin Kathrine Ruppen. "Aber Gips kann man natürlich nicht mit Wasser reinigen, man braucht eine Paste, Laponite, mit der reibt man die Figur ein, die Paste trocknet, bildet Schollen und fällt dann herunter."

Eat-Art. Schwieriger ist es, etwa mit Dieter Roth umzugehen, der 1998 verstorbene Objektkünstler wollte gerade das Zerfallende, Hinfällige zeigen, etwa in seiner Eat-Art. Professionell vom Künstler selbst konserviert wurde hingegen "Hahns Abendmahl". Daniel Spoerri bat Prominenz zu Sammler Hahn, die Leute mussten ihr Essen selbst mitbringen, und dann wurde flugs alles verleimt. Bis heute ist "Hahns Abendmahl" ein zentrales Exponat des Mumok. "Fallenbilder" heißen Spoerris Werke, er lockt Gegenstände in eine Falle und hält sie fest.

Noch ein paar Worte zu George Segal und seinen teils unheimlich, teils einsam, teils skurril wirkenden Gipsfiguren, die er gern mit bodenständigen Materialien wie Holz kombiniert. Der 1924 in New York City geborene Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen hatte es, wie er in einem Interview erzählte, schwer, sich gegen seinen Vater, einen Hühnerfarmer durchzusetzen. Dieser verlangte, dass der Sohn ihm bei seiner Arbeit half. Künstlerische Aktivitäten hielt er für eher nutzlos. Segal entkam, studierte an der renommierten Cooper Union School of Art und an der Rutgers University, 1968 und 1977 war er zur Documenta in Kassel geladen. Die Bedeutung der Pop-Art wurde keineswegs sofort erkannt. Sogar Instanzen wie der Kunstwissenschaftler Werner Hofmann, Gründungsdirektor des Mumok, mochten die "Alltagskunst" nicht.

Ewig wie alte Meister? Segal wollte Maler werden, aber was er hier zustande brachte, missfiel ihm. Seine Gipsfiguren wirken schlicht. Aber sie erzählen von Grundprinzipien der Bildhauerei, vom Modell, vom Abguss geht es zur Skulptur, und die kann auch aus vermeintlich billigen Materialien sein. Segals Arbeiten sind konsumkritisch gemeint wie die Comics Keith Harings (Ausstellung in der Albertina). Die Gipsköpfe und -körper erzählen auch von der Entindividualisierung des Einzelnen. Und von der Erschütterung der Amerikaner durch den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust in Europa. In San Francisco errichtete Segal 1984 das Mahnmal "The Holocaust".

Pop-Art, die oft so frisch und fröhlich wirkt, hat auch "einen sehr tragischen Unterton", schrieb Hahn: "Tristesse und Weltverlorenheit" seien ihr eigen. Gerade in Amerika verströmen die Werke etwas "unerhört Unterkühltes" und Drohendes. "Hier ist keine schöne, heile Welt aufgebaut", so Hahn. Wird es die Pop-Art in 200 Jahren noch geben wie die Altmeister oder die Marmorskulpturen? "Sicher", ist Restauratorin Ruppen überzeugt: "Das Beste, was einem Kunstwerk passieren kann, ist, dass es ins Museum kommt." 

Tipp

"Kunst ins Leben! Der Sammler Wolfgang Hahn und die 60er-Jahre", Mumok bis 24. Juni. Führung "Gebraucht, zerrissen, alt" am 15. April um 14 Uhr, www.mumok.at

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