Albertina: Ein fürstlicher Museums-Take-over

Die Albertina grüßt das KHM – mit Arcimboldos manieristischem „Terra“-Kopf, um 1570.
Die Albertina grüßt das KHM – mit Arcimboldos manieristischem „Terra“-Kopf, um 1570.(c) Liechtenstein. The Princely Coll
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Die Sammlung der Fürsten Liechtenstein bietet zwar nur wenig Überraschungen, hat aber Sinn am neuen Austellungsort – historisch wie kulturpolitisch. Er erinnert an den einstigen universalen Anspruch von Adelssammlungen.

Unten „Warhol bis Richter“, in der Mitte „Monet bis Picasso“, oben „Rubens bis Makart“ – die Albertina rollt uns zur Zeit die Kunstgeschichte auf. Man könnte auch sagen: unten das Mumok, in der Mitte das Belvedere und oben das Kunsthistorische Museum. Ein universales Kunstmuseum, wie es im Buche steht. Die ultimative Demonstration dessen, was Direktor Klaus Albrecht Schröder aus dem verschlafenen Grafik-Museum auf der Bastei seit dem Jahr 2000 gemacht hat.

Aber auch die ultimative Demonstration dessen, was seine Kritiker unablässig bemängeln: dass die Hauptrolle die Gemälde spielen, Papier nur mehr die Nebenrolle. Und dass hier das Kapital regiere: bei den Zeitgenossen die Galeristen (wie überall sonst), bei Moderne und alter Kunst die privaten Sammler (wie seit jeher, ob in Gestalt von Mäzenen, Direktoren oder Kuratoren). Der Unterschied ist nur: In der Albertina werden diese Mechanismen des Kunstbetriebs oft bis zur Kenntlichkeit verzerrt. Man wird sehen, ob Schröder der unverstellte Zugang zu Macht und Repräsentation in diesem entscheidenden Moment seiner späten Karriere nutzt oder schadet. Die Bewerbungsfrist für die Ausschreibung seines Direktorenpostens ist gerade abgelaufen (neun meldeten sich, inklusive Schröder selbst).

Wie bei allen historischen Sammlungen basiert schließlich auch die grafische Sammlung der Albertina auf einer privaten – der von Herzog Albert von Sachsen-Teschen (1738–1822). Hier liegt Schröders Legitimation dafür, die Albertina durch Ansammlung von Dauerleihgaben zu einer Art Sammler-Museum zu machen (Batliner, Essl). Hier liegt auch der Anknüpfungspunkt zur neuen Ausstellung. Die Präsentation der Sammlung der Fürsten Liechtenstein ist hierzulande allerdings keine unbekannte, war sie doch bis 2011 im Gartenpalais Liechtenstein zugänglich (jetzt nach Voranmeldung) und tourt auch sonst gern durch die Lande (2016 etwa in die Salzburger Residenz).

Palais waren nicht immer Ministerien

Als äußerer Anlass für die Schau wird der 300. Geburtstag des Fürstentums Liechtenstein genannt. Allerdings bekommt diese 110 Hauptwerke der Sammlung umfassende Ausstellung im Zusammenhang mit der Albertina spezielle Bedeutung: Man rückt den Fokus dadurch auf die zerstreuten oder verlorenen großen Adelssammlungen, die es in Wien einmal gab. „Denn die Paläste, die hier stehen, wurden schließlich nicht als Ministerien errichtet“, wie Schröder bei der Presseführung anmerkte, wie er sagt „mit kleiner Wehmut“.

Die Liechtenstein-Sammlung ist die letzte derart große Fürstensammlung in Privatbesitz, mit entsprechend bewegter Geschichte: kriegsbedingte Umsiedlung (über Nacht aus dem von Bomben bedrohten Wien 1945), schmerzhafte Verkäufe (1967 etwa des einzigen da-Vinci-Gemäldes, das sich in Wien befand, der „Ginevra di Benci“, nach Washington) und wiedererstarkter Sammlergeist. Das aktuelle Familienoberhaupt, Hans Adam II., investiert enorm. Die Hälfte der hier präsentierten Objekte, so des Fürsten Sammlungsleiter, Johann Kräftner, wurde in den vergangenen Jahrzehnten erworben.

Als zuletzt getätigte spektakuläre Neuerwerbung prangt übrigens gleich am Beginn der Ausstellung die vergoldete Bronzebüste des Marc Aurel von Renaissancebildhauer Antico, 2016 erworben. Sonst sind wenige Überraschungen zugegen. Man schreitet eher die Signature-Stücke der Sammlung ab, die durchaus vom Humor des Sammlers zeugen – etwa das 2008 erworbene Lieblingsbild aller deutschen Steuerfahnder, die beeindruckend hässlichen „Steuereintreiber“ des flämischen Meisters Quentin Massys. Natürlich gibt es als Art Pendant zum großen Decius-Mus-Zyklus im Gartenpalais Liechtenstein einen Rubens-Saal mit dem Höhepunkt der Venus mit Spiegel (die eigentlich nicht reisen darf – „spazierengehen“ vom Alsergrund in die Innenstadt, so Schröder, sei aber gestattet). Die Ausstellung klingt aus mit reinem Entzücken: mit Preziosen aus dem Biedermeier, das die Liechtensteins dieser Epoche so liebten – von Amerling über Waldmüller bis zu den Aquarellisten wie Rudolf von Alt und Peter Fendi, denen eine eigene Zusatzausstellung gewidmet ist.

Eine Homestory aus dem Fürstenpalais

Die dort gezeigten Interieurbilder der Liechtenstein-Palais, die Rudolf von Alt in den 1830er- und 1840er-Jahren anfertigte, waren sozusagen die Homestorys der Zeit und bieten uns heute einen privaten Einblick in das ständig von Kunst umrahmte Leben der Fürstenfamilie. Völlig anders wirkt diese Kunst in den ganz neutralen Räumen der Albertina, in denen man so nahe wie selten an diese Gemälde herankommt. Sie dienen sich hier, durchaus zu ihrem Vorteil, unseren nüchternen, von den White Cubes der Moderne geprägten Blicken an.

Was aber deutlich wird – und wohl auch Schröders Politik entgegenkommt – ist die Betonung dessen, was fehlt. So ist die heute in der Albertina befindliche grafische Sammlung des Albert von Sachsen-Teschen ja nur ein Teil, wenn auch der bedeutendste, einer ursprünglich auch Gemälde und Ausstattung umfassenden Privatsammlung gewesen (dieser Rest gelangte nach Ende der Monarchie ins Ausland und ist jetzt zerstreut). Bei den Liechtensteins war es umgekehrt: Die Gemälde sind erhalten, aber die laut Kräftner einst 100.000 Blatt zählende grafische Sammlung zerschlagen, geplündert im Jahr 1945.

Die beiden Sammlerfamilien pflegten erwiesenermaßen enge Kontakte. Auch in ihrer nicht selbstverständlichen Bildungsmission: 1810, nur fünf Jahre nachdem Herzog Albert seine Sammlung öffentlich zugänglich machte, folgte ihm darin der gut 20 Jahre jüngere Johann I. Liechtenstein mit dem Gartenpalais. Der heutige temporäre Museums-Take-over hätte den beiden sicher Spaß gemacht.

Bis 19. Juni. Tägl. 10–18 Uhr, Mi und Fr bis 21 Uhr.

Privates in der Albertina

Die Fürstliche Sammlung Liechtenstein ist nur ein ausgewiesen temporäres Gastspiel. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder ist privaten Sammlungen aber auch sonst nicht abhold. Beginnend mit der Moderne-Sammlung des Liechtensteiner Treuhänders Herbert Batliner konnte er u. a. noch die Klee-Sammlung Forberg und die Gegenwartskunst-Sammlung Essl/Haselsteiner als Dauerleihgaben ans Haus binden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2019)

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