Fotokunst einer neuen Generation aus Österreich

Fotokunst einer neuen Generation
Fotokunst einer neuen Generation
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Der Fotoband "previewed – Fotografie aus Wien" versammelt die Abschlussarbeiten von vier Lehrgängen für künstlerische Fotografie. Eine imposante Werkschau junger Fotokünstler mit überraschenden Einblicken.

Der junge Mann mit der schwarzen Brille und den langen blonden Haaren blickt ernst auf das Gewehr in seiner Hand. Der Spalt zwischen zwei Gardinen gibt den Blick auf ihn frei, er steht in einem bürgerlich-altvatrischen Wohnzimmer und scheint zu überlegen. Gegen wen wird er die Waffe richten, gegen den Voyeur oder gegen sich selbst? Die restlichen sechs Bilder aus Florian Lierzers hochästhetischer Fotoserie "Wiederherstellung" lassen auf letzteres schließen. Sechs Menschen scheinen darin kurz vorm Selbstmord zu stehen: in der Badewanne, am Fenster oder unter einem Dachbalken, den Strick in der Hand. Die Fotos gehören zu den düstersten aus dem Sammelband "previewed - Fotografie aus Wien", der die Abschlussarbeiten von knapp vierzig jungen Fotokünstlern aus vier Wiener Fotoschulen vereint.

Erstmals wurden die Arbeiten der Schule für künstlerische Photographie, der Fotoklasse der Universität für angewandte Kunst und jener der Akademie der bildenden Künste sowie des Lehrgangs FotoK, die als einzige ein Thema ("anders beschäftigt") vorgaben, gemeinsam herausgegeben, in vier Heften vereint in einem Schuber.

Essenz einer Künstlergeneration?

Verlockend also der Gedanke, nach einer Essenz der neuen Generation junger Fotokünstler in Österreich zu suchen. Doch sind sie thematisch zu heterogen und technisch zu vielfältig, um sich solcherart einordnen zu lassen. Reportagefotografie, Modebilder und Installationen sind unter den Arbeiten zu finden. Manche erinnern gar an abstrakte Malerei - wie Ernst Koslitschs sechs Großformate mit Nahaufnahmen von geborstenen , bemalten Holzteilen. Der Titel der Serie, "Ich kann beim besten Willen kein Boot erkennen", weckt Assoziationen mit jenen brüchigen, kleinen Holzschiffen, mit denen Menschen aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa übersetzen.

Neben solchen sozialkritischen Themen überraschen die Absolventen mit Humor: C. Michael Gangemi macht das Einhorn zum Götzenbild. Und Mona Hermann zeigt die "Schocklagerung" - Oberkörper flach am Boden, Beine hochgelagert - in so ungewöhnlichen Settings wie einem Kaffeehaus oder einem Bahnhof.

Der Unterschied im Ähnlichen

Auf verblüffend ähnliche Weise haben sich zwei Künstler von unterschiedlichen Ausbildungsstätten mit der Verkoppelung von Street Art und Street Photography beschäftigt: Matthias Braudisch und Sandra Kosel plakatierten Fotos im öffentlichen Raum, um sie dann wieder zu fotografieren. Die Ergebnisse sind höchst unterschiedlich: Wo der eine mit schwarz-weißen "Freiräumen" die Vergangenheit heraufbeschwört, findet die andere Raum für grelle, urbane Utopien.

Wenn man schon einen gemeinsamen Blickwinkel herausfiltern möchte, dann, dass sich erstaunlich viele der Arbeiten mit den Themenschwerpunkten Globalisierung und Rückbesinnung auf die eigenen Lebenswelten und Identitäten beschäftigen: Blicke in die Nachbarschaft, in die eigene Kindheit, eine Fülle von Selbstporträts oder die uniformierten Unterbringungskomplexe im Urlaubs-Hotspot Jesolo. Die Fotos machen das Eigene fremd, das Fremde eigen und ergeben einen imposanten Rückblick auf die Zukunft der Fotokunst.

Der Schuber

"previewed - Fotografie aus Wien"

4 Bände in einem Schuber, insgesamt 212 Seiten
29,90 Euro

Erhältlich bei "Eikon. Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst"

(her)

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