Clemens Hollerer: Die Sprache der Stadt

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Für zwei renommierte Kunstpreise ist der Grazer vorgeschlagen worden. Er macht Installationen, die die Atmosphäre der Stadt aufgreifen, urbane Malerei, formuliert in der Ästhetik der pausenlosen Veränderungen.

Alle unter 35 Jahren konnten sich bewerben. Mehr als 6000 Einreichungen aus 125 Ländern gingen für den „Future Generation Prize“ ein. Nur 20 wurden ausgewählt. Sie stellen vom 30.Oktober bis 26.Dezember im Pinchuk Art Centre in Kiew aus.

Einige der Künstlerinnen sind bekannt, Ziad Antar etwa, der zusammen mit dem Schriftsteller Rasha Salti 14 Fotografien von teilweise zerschossenen Hochhäusern seiner Heimatstadt Beirut in ihrem Buch „Beirut Bereft. The Architecture of the Forsaken and Map of the Derelict“ zu einer Geschichte von Krieg in der Stadt zusammengestellt hat. Der kurdische Künstler Fikret Atay zeigte auf der Istanbul Biennale sein Video eines Jungen, der auf einem Hügel über einer Stadt auf alten Kanistern trommelt und am Ende die Teile einfach den Berg hinuntertritt, und Nathalie Djurberg erhielt auf der letztjährigen Biennale Venedig für ihre provokanten Installationen und Videos, die mit unzüchtigen Bildern Tabus brechen, einen Löwen als beste Nachwuchskünstlerin. Eine siebenköpfige Jury, der unter anderen Eckhard Schneider, ehemals Direktor des Kunsthaus Bregenz und jetzt des Pinchuk Art Centres, angehört, wird bestimmen, wer den mit 100.000 Dollar dotierten Preis erhalten wird. Letztjähriger Gewinner des weltweit höchstdotierten Preises für junge Kunst war Artem Volokytin.

Nominiert in Kiew und Zürich

Dieses Jahr tritt erstmals auch ein Künstler aus Österreich in der letzten Runde an, Clemens Hollerer aus Graz – der übrigens gerade auch noch für den mit 80.000 Franken dotierten Zurich Art Prize 2010 nominiert wurde, vorgeschlagen von Peter Pakesch, der schon in der Jury für Kiew saß.

Nach seinem Studium der Fotografie begann der 34-Jährige, den urbanen Raum nicht nur zu dokumentieren, sondern auch zu gestalten. „Ich bin von der Fotografie zu Installationen gewechselt, weil ich die fotografierten Strukturen fühlen und bauen wollte.“ Auf Betonmauern zog er akkurate, lange Linien oder färbte die Verstrebungen auf der Rückseite von Plakatwänden ein.

Seine „Wandmalereien“ sind eine höchst unerwartete Street Art, die mehr an Blinky Palermo als an Banksy erinnert. Der 1977 verstorbene deutsche Maler ist auch erklärtes Vorbild des Grazers. Palermo trug seine abstrakt-konzeptuelle, auf wenige Farben und Formen reduzierte Malerei oft an so ungewöhnlichen Orten wie Fenstersimsen oder Stiegenhäusern auf. Auch Hollerer sucht gerne übersehene Orte für seine Wandmalereien und Installationen. Er mag Palermos „konstruierte Ungenauigkeit“, und er schätzt das „Schön-Schlampige“ in dessen Werken.

Interessiert an Baustellen

Dabei sind Hollerers Werke genau das Gegenteil. Aus nagelneuen Holzlatten gefertigt, mit exakt gezogenen Kanten und hochglänzendem Lack gemalt, suchen sie nicht die Assoziationsbefreiung, sondern sind eng mit unserem städtischen Leben verbunden. Ihn interessieren Baustellen, all die Improvisationen und Ungenauigkeiten dort. Er studiert die Prozesse, wie Menschen im öffentlichen Raum gesteuert und irritiert, umgeleitet und blockiert werden. Aber anders als die urbanen Absperrungen, verlaufen seine Holzlatten in den Ausstellungen kreuz und quer durch die Räume, sind oft zersplitterte Fragmente eines Zaunes, der in diesen Farben im Stadtraum so nie vorkommen würde. Die große, schwarze Lattenwand ist von gelben Stützen gehalten und in der Mitte brachial auseinandergebrochen.

„Lost in Formation“ nennt er sein Gerüst aus blauen und weißen Latten, die wie ein offener Kubus arrangiert sind. Und quer durch den Medienturm in Graz lag „Falling Men“, weiß-blaue Latten, die an einen gestürzten Baukran erinnern. Dafür hatte Hollerer genau die Bruchstellen von Baukran-Unfällen recherchiert. Seine Brüche sind allerdings genau geplant: „Wenn man die Bretter ansägt, dann reißen sie als wäre es ein einziger Vorgang – obwohl alle Bretter einzeln brechen.“

Es sind Installationen, die die Atmosphäre der Stadt aufgreifen. Es ist eine urbane Malerei, formuliert in der Ästhetik der pausenlosen Veränderungen – es ist eine Kunst, die auf eine Welt im Umbruch reagiert.

Future Generation Prize 2010, Pinchuk Art Centre, 30.10. bis 26.12. Für den Publikumspreis kann online abgestimmt werden unter: http://pinchukartcentre.org.

Ab Mittwoch ist eine Ausstellung zu Clemens Hollerer bei "Cast Your Art" in der Gumpendorfer Straße in Wien zu sehen: http://www.castyourart.com/

Mehr zum Künstler: www.clemenshollerer.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2010)

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