Carnuntum: Hinein in die bunte Geschichte!

(c) Pressefoto LACKINGER
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Niederösterreichische Landesausstellung. Eine lebendige Zeitreise zu den alten Römern, der Völkerwanderung, zu den Türkenkriegen und den großen Entdeckungsfahrten. Die Schau besticht vor allem durch die Liebe zum Detail.

Einfärbig grau, beige oder weiß ist die Antike nur in unseren Köpfen. „In Wirklichkeit waren alle Statuen bemalt, alles war bunt“, sagt Gabrielle Kremer, die die neue Ausstellung im Museum Carnuntinum kuratiert hat. Um das den Besuchern der heurigen NÖ Landesausstellung deutlich vor Augen zu führen – ohne dabei an den Originalen etwas zu verändern –, wurde die Mithrasgrotte im Museum durch moderne Beleuchtungstechnik bunt illuminiert: Die beigen Fundstücke sind nun abwechselnd mit einer kunterbunten Rekonstruktion zu sehen. Ein imposanter Anblick! Wem er zu bunt ist, der möge sich bei den Humanisten des 18. und 19. Jahrhunderts beschweren, die unser Bild von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ geprägt haben.

Wie die Menschen gelebt haben


Der Mithraskult war eine von unzähligen Religionen, die sich in Carnuntum, der Hauptstadt der römischen Provinz Pannonia, festgesetzt haben. Diese Vielfalt spiegelt die bewegte Geschichte wider – Händler und Soldaten aus allen Nationen lebten in der einst mit 50.000 Einwohnern größten römischen Stadt auf österreichischem Boden. Alle hinterließen in Carnuntum ihre Spuren, auf einer Landkarte ist ihre Herkunft verortet: Isis und Osiris, Nemesis, die Kulte von Heliopolis und Baalbek, Dionysos, der Kaiserkult, das Christen- und Judentum. Zudem erzählen viele Fundstücke, dass magische Praktiken weitverbreitet waren. Faszinierend sind etwa die Phallussymbole, die Knaben zur Abwehr des bösen Blicks um den Hals gehängt wurden, oder Fluchtäfelchen aus Blei, die vergraben wurden, um unliebsame Personen zu verwünschen.
„Das Götterbild spiegelt viele Dinge der realen Welt wider“, erläutert Kremer. Und damit gibt die sakral dominierte Ausstellung auch ein buntes und lebendiges Bild der seinerzeitigen Lebensumstände – eine gute Ergänzung zum neuen Prunkstück im Freilichtmuseum Carnuntum: Dort wurden in den letzten Jahren drei Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut – und zwar in einer Art, die weltweit bislang einzigartig ist. Nach einem Wohnhaus und einem noblen Stadtpalais kam für die Landesausstellung eine Therme dazu: Praktisch alles an ihr ist aus originalen Materialien mit originaler Handwerkstechniken gebaut. Zu sehen ist alles, was durch archäologische Befunde gesichert ist. Und das ist vieles: Mauerwerk, Nutzung der Räume, Dachlandschaft, technische Einrichtung und Farbgebung. Die Wände der Rekonstruktionen sind innen bunt bemalt – die Römer hatten guten Geschmack. „Wir haben noch viel mehr Wandmalereien gefunden, etwa Tierdarstellungen, aber die konnten wir nicht verorten, daher haben wir sie weggelassen“, erzählt Franz Humer, Chef-Archäologe in Carnuntum.
Die Rekonstruktionen sind das Ergebnis von experimenteller Archäologie. Anders als die berühmten Rekonstruktionen im deutschen Xanten, die mit modernen Materialien errichtet wurden, entschied man sich in Carnuntum für das Originale, das man in unzähligen Versuchen wiederentdeckte. So war bisher unbekannt, wie antike Steingewölbe aufgeführt wurden – bis man es mit den Methoden der Antike ausprobierte. Die Werkzeuge wurden nach dem Vorbild ausgegrabener Relikte geschmiedet, die großen Suspensurplatten, die der krönende Abschluss der Fußbodenheizungen sind, wurden in rekonstruierten Brennöfen hergestellt. Die Möbel wurden nach antiken Vorlagen aus Pompeji getischlert. Das Ergebnis beeindruckt – es ist, als ob die Bewohner nur kurz einmal weggegangen wären.
Nahe des neu errichteten Besucherzentrums in Carnuntum wartet noch ein zweites Highlight: ein 350 Quadratmeter großes 3-D-Modell des Stadtareals – mit dem Legionslager, der Siedlung rundherum, dem Statthalterpalast, dem Reservelager, der Zivilstadt, den beiden Amphitheatern, den Gräberstraßen usw. Der detaillierte Kunststoffdruck integriert alle bisher bekannten Daten: Grabungen, Luftbilder, geophysikalische Messungen, Geländebegehungen – bisher wurde erst ein halbes Prozent der Siedlungsfläche ausgegraben. Zudem wurde das Gelände rekonstruiert, wie es in der Antike war; die Donau hat seither ihren Lauf geändert und Teile des Stadtgebiets abgetragen.
Für den Besucher gibt es jedenfalls viel zu entdecken und zu erleben, wodurch auch die Integration unter das Motto der Landesausstellung „Erobern, Entdecken, Erleben“ gerechtfertigt ist. So richtig passt es aber eigentlich nur zum dritten Teil in der Kulturfabrik Hainburg, der ehemaligen Tabakfabrik am Donauufer: Auf zwei Etagen wird holzschnittartig die Geschichte des Eroberns und des Entdeckens dargestellt – mit einem Fokus auf die Region östlich von Wien.
Die Schaustücke zur Illustration der Zeitreise in die Gewalt hat Kurator Ernst Bruckmüller klug gewählt: Relikte aus der Bronzezeit, der Kelten, Hunnen, Awaren, aus den Türkenkriegen. Dieser Ausstellungsteil bildet quasi den zeitlichen Rahmen für den Römerschwerpunkt an den anderen beiden Stätten. Im Untergeschoß der Kulturfabrik wird schließlich das Entdecken thematisiert – von den ersten Missionaren über den Wandel des Weltbildes, dargestellt anhand verschiedener Globen, bis hin zu den österreichischen Expeditionen auf der Novara oder in die Arktis.

AUF EINEN BLICK

Die NÖ Landesausstellung 2011 unter dem Titel „Erobern, Entdecken, Erleben im Römerland Carnuntum“ findet an drei Orten statt:
in Petronell-Carnuntum, im Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg und in der Kulturfabrik Hainburg.
Bis 15. November, täglich 9–18 Uhr.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.noe-landesausstellung.at

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