Wolfgang Zinggl: Der Direktorenschreck

Wolfgang Zinggl Direktorenschreck
Wolfgang Zinggl Direktorenschreck(c) Fabry
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Durch seine beharrliche Kritik an bekannten österreichischen Museumsdirektoren ist der Kultursprecher der Grünen selbst ein bisschen prominent geworden.

Wie sieht ein Mann aus, der renommierte Museumsdirektoren ernsthaft nervös macht? Auf den ersten Blick: harmlos. Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen im Bund, rührt im koffeinfreien Kaffee und runzelt fragend die Stirn: Ein „Scharfrichter“? Also, das sei er wirklich nicht. Und, nein danke, auch kein „zweiter Peter Pilz“. Sogar das Prädikat „Aufdecker“ behagt dem 56-Jährigen nicht: „Ich mache nur, was jeder Staatsbürger machen würde, wenn er so ein Material bekommt.“

Bloß ein braver Bürger also? Den Aufdecker quasi wider Willen nimmt man Zinggl freilich nicht ab. Dafür hat er zu hart an seinem Ruf als Museumsdirektorenschreck mit Hang zur Polemik gearbeitet. Der Grüne, der seiner Partei das Kulturprogramm schrieb, gilt als ehrgeizig und extrem fleißig bei parlamentarischen Anfragen und Aussendungen – auch wenn es manchmal nur ein „Bravo“ mit 35 Rufzeichen ist (damals bei den Golden Globes). Einen Namen hat sich Zinggl aber auch als „Kummerkasten“ der Kunstszene gemacht. Bevor Zinggl bekanntester Kultursprecher Österreichs wurde (kleiner Selbsttest: Kennen Sie jene der anderen Parteien?), war er Kulturjournalist beim „Falter“. Als Politiker bekommt er weiterhin viele Informationen „gesteckt“ – meist von verärgerten Mitarbeitern der Kunstinstitutionen. „Von denen“, sagt er, „gibt es mehr, als man denkt.“

Das weiß jetzt auch Gerald Matt, der seine aktuellen Schwierigkeiten auf „Vorwürfe und Unterstellungen“ Zinggls zurückführt. Dem Direktor der Wiener Kunsthalle wird, wie die „Presse“ berichtete, vorgeworfen, Mitarbeiter seiner Institution für private Projekte verwendet zu haben. Außerdem soll er interveniert haben, damit potenzielle Kunstsponsoren eingebürgert werden. Zinggl zeigte Matt wegen Untreue, Förderungsmissbrauch und unerlaubter Intervention an. Auch das Kontrollamt prüft. Matt reiht sich damit in die prominente Liste der Zinggl-„Opfer“: So wurden Peter Noever, Ex-Direktor des MAK, die MAK-Geburtstagsfeste für seine Mutter vor allem deshalb zum Verhängnis, weil Zinggl beharrlich einen Rechnungshofbericht forderte. Auch Wilfried Seipel ist auf ihn nicht gut zu sprechen. Zinggl kritisierte wiederholt, dass dem Ex-Chef des Kunsthistorischen Museums die Pension mit teuren Studienaufträgen versüßt wurde. Zinggls prominentester Coup hat jedoch nichts mit Kulturpolitik zu tun: Seine parlamentarische Anfrage legte offen, dass Karl-Heinz Grasser, Julius Meinl und Wolfgang Flöttl gemeinsam einen Yachtausflug gemacht hatten.

Ganz in Weiß. Meist, sagt Zinggl, decke er gar nichts Neues auf. Sowohl bei Noever als auch bei Matt seien die Vorwürfe lange Stadtgespräch gewesen. „Ich zünde nicht dauernd jeden an. Es geht mir um Wiederholungstäter.“ Aber schon auch ums Prinzip. Und das ist sehr grün: „Ich bin“, erläutert Zinggl seine Haltung, „gegen den Starrummel in der Kunstszene und dagegen, dass die großen Kulturinstitutionen der Kunst, die sonst noch passiert, Licht und Ressourcen wegnehmen.“ Um das zu verstehen, hilft ein Blick zurück. Zinggl gründete, als er noch selbst Künstler war, Anfang der 90er, das international gelobte Künstlerkollektiv „WochenKlausur“, das soziale Projekte in den Mittelpunkt stellte. Inzwischen ist sein Engagement zwar auf den Urlaub reduziert, aber Kunst ist für ihn noch immer vor allem eine gesellschaftspolitische Frage.

Insofern gehen Zinggls Vorbehalte gegen Noever und Matt übers Juristische hinaus. Dass Noever einst „ganz in Weiß und mit Limousine“ zur Viennale vorfuhr, regt Zinggl auf. Und es sei empörend, wenn (Hinweis auf Matt) „Krawatten und Hosen mehr inszeniert werden als Inhalte“. Dabei war Zinggl selbst früher für wild gemusterte Sakkos berühmt. Heute trägt er Schwarz. Und reagiert empfindlich, wenn man fragt, ob seine Funktion als Kuratioriumsvorsitzender im Mumok mit seiner politischen vereinbar ist – was einige verneinen, auch weil seine Kritik an anderen Museen so einen Beigeschmack bekomme. Auch andere Vorwürfe schüttelt der Politiker ab wie ein Hund die Nässe, etwa jenen, dass von den Grünen in der Kulturpolitik mehr Kritik denn Konstruktives käme: „Für die Opposition gibt es eben Barrieren beim Verwirklichen.“ Seine Kultursprecher-Kollegen sagen Zinggl nichts Schlechtes nach: Er sei kooperativ, meint Sonja Ablinger (SPÖ), wenn auch ein Einzelgänger, findet Silvia Fuhrmann (ÖVP). Ihm die Aufdeckerrolle zu neiden, sagt Heidemarie Unterreiner (FPÖ), sei „kindisch, auch wenn es traurig ist, dass meine Kritik nicht so wahrgenommen wird“.

„Moralisiererei“. Apropos Wahrnehmung: Mit dem Fall Matt hat Zinggl eine spannende Debatte darüber angestoßen, ob Sponsoring eine Leistung ist, die wie bei Sportlern oder Künstlern mit Expresseinbürgerung belohnt werden darf. In der Kunstwelt fände man das nämlich nicht unbedingt verwerflich. „Mir geht die Moralisiererei auf die Nerven“, sagt Edelbert Köb. Der frühere Direktor des Mumok wurde, wie er erzählt, damals auch von Horst Lumper kontaktiert, jenem Bregenzer Anwalt, der der Kunsthalle Sponsoren gegen Staatsbürgerschaft anbot. Auch Köb erkundigte sich im Kulturministerium, ob derlei möglich wäre, bekam aber, wie er sagt, sofort ein „Nein“. Die Sponsoren, die ihm angetragen worden seien, hätten zwar einen glaubhaften Bezug zur Kunst gehabt (in Matts Fall wird das angezweifelt), aber das sei nicht wichtig: „Ein Sänger oder Fußballer kauft sich letztlich seine Staatsbürgerschaft ja auch nur durch eine Leistung.“

Er schätze Zinggl als sachkundig, sagt Köb, aber mit der „Aufregung wegen Staatsbürgerschaft“ schieße er übers Ziel hinaus. Zinggl hingegen schießt lieber noch schärfer: Auch für zehn Millionen für den Stephansdom sei eine Staatsbürgerschaft nicht zu haben, sagt er. Und wenn er es recht bedenke, habe er auch bei Künstlern und Sportlern nur ein „Restverständnis“ für raschere Einbürgerung. „Ich bin“, sagt er, „kein Freund der Staatsbürgerschaft für Anna Netrebko.“ Zu einer Aussendung in dieser Frage würde man ihm tendenziell aber nicht raten – und er hat es damals, 2006, auch nicht getan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2011)

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