Kunsthalle: Entlassener Kurator sieht sich als Sündenbock

Kunsthalle Entlassener Kurator sieht
Kunsthalle Entlassener Kurator sieht
  • Drucken

Die Kunsthalle Wien feuerte ihren früheren leitenden Kurator Thomas Mießgang. Dieser wehrt sich im „Presse“-Gespräch.

„Im Zuge der jetzigen Turbulenzen wurde ein Schuldiger gesucht. Das bin jetzt ich. Ich wurde verdächtigt, der Datenklau zu sein. Dabei bin ich ein digitaler Volldepp, ich könnte mich niemals in ein Computersystem einhacken“, erklärt Thomas Mießgang, früherer leitender Kurator der Kunsthalle. Montag war er fristlos entlassen worden. Mießgang: „Ja. Ich bin in die Kunsthalle gekommen, man hat mir ein Schreiben überreicht, meinen Computer und meine Schlüssel eingefordert. Ich werde natürlich rechtliche Konsequenzen ziehen.“ Mießgang (55), Vorarlberger wie Kunsthallen-Chef Gerald Matt, hat Germanistik studiert. Er ist Publizist, Musiker, schrieb für „Die Zeit“, arbeitete bei „Diagonal“ in Ö1.

Seit 2000 war er leitender Kurator der Kunsthalle, deren Chef Matt derzeit wegen undurchsichtiger Abrechnungen kritisiert wird. Die Kunsthalle wird demnächst vom Kontrollamt geprüft. Zusätzlich gibt es noch einen vom Kunsthallen-Vorstand in Auftrag gegebenen Bericht einer Wirtschaftsprüfungskanzlei; der erste Teil ist bereits fertig und hat Matt entlastet. im zweiten Teil geht es u. a. um Reisespesen.

Mießgang wandte sich an den Vorstand

Im Zuge der Kontroversen war aus anonymen Kreisen, die der Kunsthalle nahestehen, zunächst vermutet worden, dass Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl, der Matt kritisiert hatte, sich in den Kunsthallen-Computer eingeloggt habe. Zinggl wies den Verdacht zurück und drohte mit Klage.

Matt leitet die Kunsthalle seit 1996. Zwischen ihm und Mießgang kriselte es schon länger. Mießgang: „Ich habe das intellektuelle Profil und die strategische Ausrichtung der Kunsthalle mitgeformt. Ich habe als Ghostwriter im Rahmen meines Dienstvertrages Texte für Matt geschrieben, die unter seinem Namen erschienen sind. Etwa im Buch ,Kommentare‘ sind 70 bis 80 Prozent der Texte von mir. Leitender Kurator war ich bis vor drei Monaten. Dann wurde ich degradiert und habe die Stabsstelle Kommunikation bekommen. Begonnen hat die ganze Kampagne, als ich mich an den Vorstand gewandt habe und Missstände in der Kunsthalle aufgezeigt habe: Es gibt keinen Kollektivvertrag, keinen Betriebsrat. Es hieß dann, wir machen eine Mediation. Stattdessen wurde mir nahegelegt, die Kunsthalle zu verlassen, was ich nicht tat. Darauf kam es zu einer Änderungskündigung und zur Versetzung auf die Stabsstelle Kommunikation.“ bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.