Dommuseum Wien: Mit Dante durch moderne Höllen

(c) Dommuseum Wien
  • Drucken

„Dantes Vision. Durch die Hölle zum Licht“ zeigt Illustrationen der „Göttlichen Komödie“ – und erkundet zugleich ihre Rezeptionsgeschichte. Buchillustrationen und Grafiken machen den Großteil der Exponate aus.

Eine beeindruckend finstere Vorstellung von der Hölle vermitteln die Bilder des russischen Malers Valery Kharitonov (*1939) in der Ausstellung „Dantes Vision. Durch die Hölle zum Licht“ im Wiener Dommuseum. Großes Theater bieten seine Illustrationen zur „Göttlichen Komödie“. Die ist eine Summa des christlichen Mittelalters, in der uns der große Dichter Dante Alighieri (1265–1321), Gründungsvater der italienischen Literatur, von der Unterwelt zum Purgatorio (dem Berg der Läuterung) und schließlich ins Paradiso führt. Sein Buch sei eines der höchsten Werke menschlichen Geistes, schwärmte der Theologe Romano Guardini, die vollkommenste Synthese eines Jahrtausends der abendländischen Geschichte.
Eine gelungene Synthese sind auch die expressionistischen und zugleich von russisch-orthodoxem Mystizismus angeregten Gemälde Kharitonovs. Seine sieben Werke zählen zu den besten in dieser breit angelegten Schau mit unterschiedlichsten Qualitäten. Dunkel, schemenhaft sind die Gestalten in dem großformatigen Ölgemälde „Nichtige (Vorhölle)“ (1987) aus dem Zyklus „Hölle“, großes Kino eines Filmfachmanns, eine emotionale Irrfahrt durch die Unterwelt. Ganz anders wirken die lichten, abstrakten Farbexplosionen, die bei ihm den Himmel darstellen sollen. In der Vorhölle hingegen laufen nackt und zerstochen, rastlos und unter Wehklagen jene umher, „die ohne Lob und Schande lebten“. Verwirrt und gepeinigt wirken sie hier.

Vom Horror des 20. Jahrhunderts geprägt

Buchillustrationen, Grafiken und Radierungen machen den Großteil der Exponate aus. Ergänzt werden sie durch ausgesuchte Buchausgaben der „Commedia“, drei Faksimiles des Renaissance-Meisters Sandro Botticelli (1445–1510) sowie eine Installation des amerikanischen Künstlers und Menschenrechtsaktivisten Roger Roberts (*1952), die beim Aufgang zu den Sälen zu sehen ist. Sein pop-artiges Triptychon (2004), dessen flammende Rundungen im bösen Dunkel wie im erlösten Hellen lodern, umrahmt eine teuflische Widderkopfmaske aus Nigeria (1920/30) und einen Buddha-Kopf der Khmer aus dem 9. Jahrhundert.
Im Mittelpunkt der Schau aber steht der riesige Bilderzyklus des deutschen Grafikers und Malers Theodor Zeller (1900–1986). 34 von 153 seiner Gouache-Bilder werden gezeigt. Zeller hat ab 1931 im Auftrag des deutschen Verlegers Theophil Herder-Dornreich die „Commedia“ zwanzig Jahre lang textgetreu bis in die kleinsten Verästelungen illustriert. So weit geht die Identifikation mit Dante, dass Zeller einem Porträt des Dichters vor dem Dom von Florenz (1949) sogar die eigenen Züge verlieh. In ihm sah der durch die Kriege geprägte Künstler einen Leidensgenossen. Auch das Florenz Dantes war durch mörderische Parteikämpfe und blutige Auseinandersetzungen geprägt. Der Dichter wurde damals verbannt, der tief religiöse Maler erhielt von den Nazis Berufsverbot, seine Frau musste als „Halbjüdin“ das Land verlassen. Die Familie durchlitt im Zweiten Weltkrieg eine schreckliche Odyssee.
Diese Hölle spiegelt sich in den Zeichnungen wider, so wie auch die Liebe. Beatrice trägt die Züge der Ehefrau Zellers. Der scheint zuweilen von den Zeichnungen Botticellis inspiriert, liebt aber auch naive Züge, besonders etwa in der Gouache mit Buntstift aus dem Jahre 1934, in der Luzifer mit seinen drei Mäulern die drei Erz-Verräter Judas Ischariot, Brutus und Cassius zermalmt.
Sehr weltlich ist die Interpretation der Göttlichen Komödie beim Südtiroler Markus Vallazza (*1936), der zu diesem Thema 1994 bis 2004 „mitten in einer Lebenskrise“ 99 Radierungen geschaffen hat. Er fand bei der Lektüre von Dante erstaunliche Parallelen zur Gegenwart. Drei seiner Radierungen sind in Wien zu sehen, eine zu jedem der Reiche des Jenseits. Diese köstlichen Bilder sind voller Ironie, in ihnen stecken auch viele aktuelle Anspielungen. In seinem Zyklus schmoren korrupte Politiker und pädophile Bischöfe in der Hölle. Und Dante wird nicht von Vergil geführt, sondern von Ezra Pound.
Robert Hammerstiel (*1933) schließlich ist mit „Die sieben Todsünden des 20. Jahrhunderts“ (2010) vertreten. Für ihn zählen dazu der Holocaust, der Genozid an den Armeniern, die Bombardierung Dresdens, die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki, weitere Massaker im Zweiten Weltkrieg und der Sowjet-Terror. Plakativ ist dieses Werk und didaktisch-direkt. Das Grauen wird kontrastiert durch kleine Porträts von herrischen Politikern und Philosophen. Sie scheinen ungerührt zu sein und prädestiniert für Dantes Reise durch dunkelsten Wald in einen tiefen Kreis der Hölle.
Die Sonderausstellung wurde von Direktor Bernhard A. Böhler konzipiert, von Carola Schreiner-Walter und Laila Theresa Dandachi kuratorisch assistiert. „Dantes Vision“ ist bis 28. Jänner 2012 zu sehen: 1010 Wien, Stephansplatz 6, Mi. bis Sa. 10 – 18, Di. 10 – 20 Uhr. Eintritt 7 Euro (Kinder 3 Euro).

WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.dommuseum.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.