Dieter Schrage, der sanfte Anarchist, ist tot

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Der Kunsthistoriker und Politaktivist, dem der Spagat zwischen Hoch- und Subkultur gelang, starb im Alter von 76 Jahren. Ihm ging es immer aber auch um die Subkultur und das Widerständige.

„Demonstrationen waren für mich Geschäftsstunden“, erinnerte sich Dieter Schrage einmal: „Ich traf dort Revolutionäre und erledigte mit ihnen alle Koordinationsarbeiten.“ Und er wurde von den Revolutionären akzeptiert, obwohl er Akademiker und obendrein Beamter der Republik war, das war einer der vielen Spagate, die dem 1935 im westfälischen Hagen Geborenen gelangen. Widerborstig war er immer schon, er flog in gleich fünf Städten von der Schule und holte später die Externistenmatura nach, da war er schon nach Wien übersiedelt, wo er Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Politologie studierte. Zentral wurde die Kultur, und zwar einerseits die ganz etablierte, Schrage arbeitete als Kunstankäufer bei der „Z“ und als Kurator am Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig.

Ihm ging es immer aber auch um die Subkultur und das Widerständige, er war 1976 bei der Besetzung der „Arena“ in Wien dabei und wurde zum Sprecher gewählt, er verhandelte mit der Staatsmacht, auch das konnte er, der sanfte Anarchist, der mit Geduld und List Projekte wie die Lila Villa und das WUK mit vorbereitete. Seine politische Heimat fand er erst bei der Sozialdemokratie und dann bei den Grünen, für sie war er Bezirksrat und gründete die „Initiative Grüne SeniorInnen“. Das war 1997, fünf Jahre, nachdem ihm wegen einer Knochenentzündung beide Beine amputiert werden mussten. Auch das nahm ihm nichts von seiner Kraft, neben seinen gesellschaftspolitischen Aktivitäten hielt er Vorlesungen zur klassischen Ästhetik, aber auch zur Gegenkultur. Am Mittwoch blieb sein 76-jähriges Herz stehen. [APA] jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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