Kunsthalle Wien: Schön war gestern

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Modefotografie ohne Mode in der Kunsthalle Wien. Die Ausstellung „No fashion, please!“ zeigt Fotografie zwischen Gender und Lifestyle.

Mode muss inszeniert werden, am besten am menschlichen Körper – das heizt die Vorstellungskraft und das Begehren, also den Verkauf, an. Wie kein anderes Genre setzt die Modefotografie daher auf Schönheit. Die Models, die Posen, Umgebung, Beleuchtung – alles rückt das Gewand in eine Atmosphäre des Besonderen. Die Modefotografie, die jetzt in der Kunsthalle ausgestellt ist, zelebriert allerdings genau das Gegenteil: Die Posen sind übertrieben, die Körper zu behaart, die Bäuche zu dick, und vor allem fehlt das Zentrale: die Mode.

„Die Mode ist nicht wichtig“, erklärt Kurator Peter Weiermair. Daher also der Titel „No Fashion, please!“? Der sei ein „Gegenpart“ zur Ausstellung „Vanity Fair“ im oberen Saal, es gehe um einen kritischen Blick auf „Gender und Schönheit“. Ursprünglich wollte er die Ausstellung „Genderless“ nennen, denn in den Werken der 19 Fotografen werden die Menschen immer wieder geschlechtslos inszeniert. Aber sind nicht gut die Hälfte der Models nackt und damit offensichtlich zuzuordnen? So einfach lässt sich die Geschlechtsfrage hier nicht diskutieren. Denn die Rollenmuster werden in den Posen und Inszenierungen zur Debatte gestellt: in den großartig-surrealen Kostümen des Fashiondesigners, Models und Performancekünstlers Leigh Bowery, die Fergus Greer fotografierte, in den wunderschön-bedrohlichen Selbstinszenierungen von Steven Cohen und Marianne Greber, in Sophia Wallace' Fotografien von Männern in irritierenden, nämlich typisch weiblichen Posen.

Fetischismus, Voyeurismus

Vor allem aber sprechen diese Fotografien von der Suche nach einer Schönheit, die nicht in den Klischees der gängigen Magazinfotografie verharrt – die natürlich auch Moden unterworfen ist: Seit Mitte des 20.Jahrhunderts machten sich Künstler von Helmut Newton bis Wolfgang Tillmans einen Namen mit Auftragswerken für Zeitschriften, indem sie immer kuriosere Stile entwickelten. Sie platzierten die Modells in aberwitzige Umgebungen, provozierten mit Tabuthemen wie Fetischismus, Pornografie und Voyeurismus, jonglierten mehr und mehr mit der Frage, wie schön Schönheit sein muss.

In der Kunsthalle Wien fällt die Antwort eindeutig aus: Schön war gestern. Heute ist das Brüchige gefragt, Kritisches wie Matthias Herrmanns „Textpieces“, Grausliches wie Jeff Barks' Serie, zu der er selbst sagt: „Sie sollen die Schönheit dessen sehen, was Sie sonst abstößt.“ Es ist eine individualisierte Schönheit voll Unbehaglichkeit und Unvollkommenheiten – was in der Modefotografie anarchistisch sein kann, weil es damit das versprochene Glücksgefühl durch Konsum infrage stellt.

Aber dafür braucht es den Rahmen einer Hochglanzzeitschrift. In einer Kunsthalle überrascht es weit weniger. Hier müssen die Inszenierungen von „No fashion, please!“ den Vergleich mit Werken von Jeff Wall bis zu Nan Goldin aushalten. Einigen gelingt das, etwa dem jungen Exmodel Hanna Putz mit den beiläufig wirkenden, tagebuchartigen Aufnahmen. Anderen hilft nicht einmal der Formatwechsel: Izima Kaorus Idee, die Fotomodelle wie Leichen auf Dachterrassen oder in Blumenfelder zu platzieren, bleibt auch in der Größe 180✕ 240cm banal. Und welchen Mehrwert erzeugt Philip-Lorca diCorcia, wenn er Bilder von Edward Hopper bis David Hockney für die Fotokamera – technisch perfekt – nachinszeniert und eine Prise Jeff Wall hineinmischt? In einem Modemagazin mag das überraschen. In einer Kunsthalle wirkt es bemüht.

Bis 22.Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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