MAK: Foto- und Baukunst im Ring

© James Welling; courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
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Die erste Ausstellung unter dem neuen Direktor ist ruhig und doch spannend. „Erschaute Bauten“ zeigt Architektur im Spiegel zeitgenössischer Kunstfotografie.

Kein Spektakel im Eingang, keine raumsprengenden Installationen, kein übergewichtiger Katalog – die Auftaktausstellung des neuen MAK beginnt stattdessen äußerlich ruhig und museal. Und das ist doppelt erstaunlich. Denn ursprünglich war dieser Termin für Helmut Lang reserviert, der nach dem Direktorenwechsel absagte. So blieben nur vier Monate Zeit, um diesen „Dialog der Künste“, wie Direktor Thun-Hohenstein die „architekturinteressierte Kunstfotografie“ nennt, vorzubereiten. Kuratiert von Simon Rees, sind jetzt über 100 erstklassige Werke von 28Künstlern zu sehen. Die keineswegs von einem liebevollen Dialog erzählen, sondern von einem spannungsgeladenen Kampf. Denn die beiden Künste sind nicht erst seit den viel zu dominanten Museumsbauten im Konkurrenzkampf – genau das spiegelt sich hier wider.

40 Jahre künstlerische Fotografie

Ganz aus dem Hut gezaubert ist die Schau natürlich nicht. Rees hat bereits 1998 die beiden Künste im Pavillon für Litauen auf der Biennale Venedig zusammen gezeigt – und dafür sogar einen Preis gewonnen. Was damals als kleine, gezielte Auswahl begann, entfaltet Gastkurator Rees jetzt im MAK in musealer Breite. Zur besseren Übersicht in acht thematische Blöcke (von Wohnen über utopische Visionen bis Kritik) gegliedert, können wir hier 40Jahre künstlerische Fotografie verfolgen – und nebenher den Wandel im Blick auf Architektur studieren. Und der ist höchst abwechslungsreich. Ob in Details, als überhöhter Bildheld, als Kulisse oder Objekt der Kritik – die Architektur dient der Kunst als Sparring-Partner.

Diese angewandte Kunst ist tatsächlich ein leichter Gegner, können sich die Bildmotive doch nicht wehren. Die Arbeiten von 43 sehr namhaften Architekten sind hier dokumentiert und doch kaum wiederzuerkennen. Denn die Architektur wird zum Bild, und dies oft ganz entgegen der Intentionen ihrer ursprünglichen Autoren. So verwandelt Hiroshi Sugimoto das Schindler-Haus in Los Angeles– eine der Außenstellen des MAK – in eine albtraumhaft-unscharfe, schwarz-weiße Szenerie. Candida Höfer dagegen zeigt uns das Schindler-Haus als verlassenen Ort mit kargen Wänden und leeren Räumen. Sein Haus sei zwar kein „Museum der Wünsche“, sagt Direktor Thun-Hohenstein, aber diese Serie würde er gern ankaufen.

Andere zerstören die einst intendierte Wahrnehmung. So verschafft Werner Feiersinger einzelnen Ecken und Ausschnitten der strengen Le-Corbusier-Bauten in seinen Fotografien eine erstaunlich sinnliche Schönheit. James Welling hebt mithilfe von Farbfiltern und Spiegelungen die Grenze zwischen innen und außen auf, lässt so das sachliche Philip-Johnsons-Haus zur Projektionsfläche von Gemütszuständen werden.

Die Scheußlichkeit deutscher Städte

Geradezu konträr dazu demaskiert Thomas Struth in seinen frühen Fotografien aus den 1980er-Jahren die Scheußlichkeit deutscher Städte, indem er mit seiner Kamera emotionslos die Leblosigkeit der Wohnungsburgen dokumentiert, aufgenommen frühmorgens, wenn alles noch schläft. Thomas Ruff dagegen überhöht den Heldenstatus der Architektur: Er lichtet die Mies-van-der-Rohe-Villa wie auf einem Thron stehend ab.

Und auch der Vierte aus dem Reich der Düsseldorfer Becher-Schule, die übrigens an den auffallend eleganten, braunen Holzrahmen zu erkennen ist, zelebriert die Architektur in ganz besonderer Weise: Andreas Gurskys Motiv ist das „Vogelnest“, jenes von Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit Ai Weiwei entworfene Nationalstadion in Peking, das 2008 für die Olympischen Sommerspiele gebaut wurde – als Ai Weiwei noch als Staatskünstler galt. Gursky konzentriert den Blick auf eben jene Stelle, an der die Außenfassade und die Tribünenkonstruktion in einem rasanten Liniengewirr aufeinandertreffen. Seine Fotografie zeigt uns Architektur als Zeichnung, aber auch als Spiegel ungeheurer Spannungen, und dies in einer Ästhetik, die wie eine Neuformulierung des Konstruktivismus des frühen 20.Jahrhunderts erscheint – großartig! Das Bild ist übrigens eine Premiere: Es wird hier im MAK das erste Mal öffentlich gezeigt.

Der ungewöhnlichste Beitrag aber ist von Andreas Fogarasi. Er befestigt seine Architekturfotografien auf marmornen, zweiflächigen Stelen. Als „Aufsteller“ für das Schindler-Haus entworfen, um Wände zum Ausstellen zu erhalten, wiederholen diese Ecken zugleich das Motiv der Bilder: Es sind Ausschnitte. Manchmal scheinen die Strukturen des fotografierten Baumaterials, dann wieder die visuellen Achsen der Architektur in der Maserung des Marmors fortgesetzt zu werden. Vor allem aber ist hier die gesamte Landmark-Architektur in lauter kleinen Ecken zusammengedrängt – welch ein schönes Bild für den Kampf zwischen den beiden Künsten!

Bis 22.April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2011)

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