Gerald Matt: „Die grünen Raubritter kommen!“

Gerald Matt gruenen Raubritter
Gerald Matt gruenen Raubritter(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kunsthalle Wien. Der Direktor ist überzeugt, dass keiner der Vorwürfe gegen ihn stichhältig ist. Seinen Posten wird er behalten, davon ist er überzeugt. Die Grünen wollen die Kunsthalle in die Provinzialität treiben, erklärt Matt.

Die Presse: Das Kunsthallen-Motto des kommenden Jahres lautet „Parallelwelten". Haben auch Sie in einer Parallelwelt gelebt, als Sie nicht wussten, was auf Sie zukommt?

Gerald Matt: Ich konnte beim besten Willen nicht wissen, dass die Grünen auf einen kulturpolitischen Raubritterkurs gehen. Der grüne Abgeordnete Wolfgang Zinggl konstruiert mit seiner Kampagne eine Parallelwelt. Das ist aber nicht wie unser Thema für 2012 eine Welt, die besser und anders ist als diese, sondern eine Welt der Vernaderung und des Denunziantentums, mit der ich nichts zu tun haben will. Sämtliche Anschuldigungen sind haltlos. Das haben alle bisherigen Überprüfungen bestätigt.

Die Liste der Vorwürfe ist lang. Es begann vor einigen Jahren mit dem Vorwurf, Besucherzahlen seien geschönt. Inzwischen ist einiges dazu gekommen: Intervention wegen Staatsbürgerschaften für Sponsoren der Kunsthalle, private Möbeltransporte durch die Kunsthalle, Umbauarbeiten in Ihrer Wohnung, Reparatur an Ihren Oldtimern. Weiters geht es um hohe Reisespesen, Handy-Rechnungen. Was sagen Sie dazu?

Die Liste der Vorwürfe ist so lang wie sie falsch ist. Es gibt nicht einmal ein rechtskräftiges Verfahren. Es gibt nur die Anwürfe von Herrn Zinggl und den Grünen, die unbewiesen sind. Sich für Staatsbürgerschaften einzusetzen, ist in diesem Land nicht strafbar. Dazu gibt es ein Gutachten des Instituts für Strafrecht der Universität Wien. Kollegen von mir haben sich auch schon für Staatsbürgerschaften eingesetzt. Alle Möbel, die Sie hier in meinem Büro sehen, sind von mir und nicht von der Kunsthalle. Meine Wohnung wurde überprüft, mit dem Ergebnis, dass es dort keine Ein-und Umbauten durch die Kunsthalle gegeben hat. Meine Oldtimer lasse ich in Fachwerkstätten reparieren und bezahle die Rechnungen selbst. Der Kronzeuge des Herrn Zinggl ist ein Mitarbeiter, der im Unfrieden gegangen ist und jahrelang mit uns prozessiert hat.

Es liegen eidesstattliche Erklärungen von Mitarbeitern der Kunsthalle vor, die Sie belasten. Ihre Leute müssen auf Sie sehr wütend sein.

Eigenartiger Weise beziehen sich alle Vorwürfe auf die Jahre 1998-2004, also genau jene Zeit, auf die die Belegspflicht nicht mehr greift. Alle diese Mitarbeiter sind im Unfrieden gegangen.

Sind Sie ein herrischer Chef?

Ich bin ein Chef, der Entscheidungen trifft und zu diesen steht. Das kommuniziere ich auch. Ich glaube, dass viele Mitarbeiter genau das an mir schätzen. Wir leben in einer Krisenzeit, Leadership ist gefragt. Ich würde wohl kaum Kulturmanagement an der Hochschule unterrichten, wenn ich mich nicht auf diese Arbeit verstehen würde.

Sie sind also völlig unschuldig. Kann das sein? Haben Sie wirklich keine Fehler gemacht?

Auf jeden Fall nicht die, die der Abgeordnete Zinggl mir vorwirft. Jeder Mensch macht Fehler und lernt hoffentlich daraus.

Sie sind vom 1. Jänner bis 31. März 2012 vom Dienst frei gestellt - auf Druck der Grünen, die die Kunsthallen-Subvention im Gemeinderat blockierten.

Ja, weil der Erfolg eines international angesehenen und etablierten Hauses bestraft werden soll. Neid und Budgetkürzung sind ein politisch gefährlicher Cocktail.

Sie übertreiben. Warum sollen die Grünen eine Budgetkürzung der Kunsthalle wollen?

Das werden Sie bald sehen. Schauen Sie sich die neue Besetzung der Gremien nach der Umwandlung des Vereins in eine GesmbH an: Da wird ein grüner Bezirkspolitiker und Kurator in den Aufsichtsrat berufen. Da geht es nicht primär um meine Person, sondern um eine schamlose Macht- und Parteipolitik. Das ist ein Stellvertreter-Krieg um grundsätzliche kulturpolitische Haltungen. Birkenstockideologie, Provinzialität und Basisdemokratie haben mit Kunst wenig zu tun. Für die Kunsthalle, die für künstlerische Topqualität, Internationalität, das Außergewöhnliche und das Neue steht, wäre so ein Kurs absolut fatal. Es hatte schon seinen Sinn, dass unter dem früheren VP-Kulturstadtrat Peter Marboe die Klausel eingeführt wurde, dass Politiker und Konkurrenten in den Gremien der Kunstinstitutionen nichts zu suchen haben. Das waren sehr sinnvolle Regeln, um die künstlerische Autonomie und die Freiheit der Häuser zu sichern.

Was wird nach dem 31. März 2012, dem Ende Ihrer Dienstfreistellung, passieren?

Ich werde am 1. April 2012 meinen Dienst wieder antreten, weil alle Überprüfungen, jene, die im Gange sind und jene, die noch kommen, belegen werden, dass die Vorwürfe gegen mich unberechtigt sind.

Irgendwas bleibt aber immer hängen. Um Ihr Image steht es momentan nicht zum Besten. Das müssen selbst Sie zugeben.

Ja, das ist das Infame und Verletzende. Gesetzt den Fall, ich zeige Sie als Kinderschänderin bei der Staatsanwaltschaft an, dann wird das geprüft. Und in jedem Artikel steht, gegen Sie wird wegen Kinderschändung ermittelt, aber es gilt die Unschuldsvermutung. Sehen Sie, das ist das, was mir gerade passiert. Aber ich bin guten Mutes. Ich werde meinen Vertrag erfüllen.

Ist es normal, dass ein Kunsthallen-Direktor Texte, die seine Mitarbeiter verfasst haben, mit seinem Namen zeichnet? Oder ganze Bücher? Was ist das: Ghost Writing oder sich mit fremden Federn schmücken? Wie sehen Sie das?

Also Entschuldigung! Text ist doch nicht gleich Text. Für Pressetexte gibt es eigene Mitarbeiter, das ist ihr Job. Und dass man Vorwörter vorformulieren lässt, das ist von der Tate bis zum Centre Pompidou so. Die Ausstellungstexte, die mir am Herzen liegen, behalte ich mir selbst vor. Da kann auch jeder meine Handschrift erkennen.

Was halten Sie von den jetzt geplanten Reformen der Kunsthalle: Umstrukturierung, Umwandlung des Vereins in eine GmbH, etwaige Eingliederung in die Wien Holding. Und was halten Sie vom interimistischen Leiter Franz Patay, der vom Kunsthaus Wien kommt, das wie die Kunsthalle ein Krisenfall war und in die Wiener Holding eingegliedert wurde.

Die Kunsthalle ist kein Krisenfall. Wir haben 2011 mit 170.000 Besuchern das beste Jahr in unserer Geschichte. Wir sind ein Ort der Produktion und des Know-how, kein Durchlauferhitzer für internationale Wanderausstellungen. Unsere Ideen gehen in die Welt. Wir haben einen Deckungsgrad von 20 bis 30 Prozent und bis zu 1,1 Mio. Euro Einnahmen im Jahr. Wir sind erfolgreich, Budgetüberschreitungen gibt es bei uns nicht! Trotzdem: Die Umstrukturierung der Kunsthalle finde ich gut, die GesmbH wird mehr Sicherheit bringen. Von einer Eingliederung in die Wien Holding weiß ich nichts.Franz Patay ist ein hervorragender Kunstmanager und eine gute interimistische Lösung.

In Ihrem Programm gibt es viel Alt-Avantgarde: Von Yoko Ono bis zum Popkünstler Peter Blake. Steht die Kunsthalle wirklich für das ganz Neue?

Yoko Ono fasziniert junge Leute, ist frisch und aktuell. Das gilt auch für „Sehnsucht Zirkus" mit Werken prominenter Künstler wie Chaplin, Fellini, Calder bis Cattelan und Wurm. Es braucht in einem Haus dieser Größe eine gute Mischung. Die Frankfurter Schirn-Kunsthalle zeigt Klassische Moderne und sogar die Nazarener. Das tun wir nicht. Wir bewegen uns aber als kleines Haus mit großen Institutionen auf Augenhöhe - wie dem Guggenheim der Tate oder dem MOMA, mit denen wir auch zusammenarbeiten.. Da muss es Highlights geben, aber auch Entdeckungen. Wir haben Matthew Barney gezeigt zu einer Zeit, als er noch ein Nobody war. Wir hatten tolle Entdeckungen mit Ausstellungen über Andro Wekua, Clifton Childree oder Loris Gréaud. Warum glauben Sie, wollen alle jungen Wiener Künstler in die Kunsthallen-Reihe „Lebt und arbeitet in Wien"?

Ihr Vertrag läuft bis 2014, eine nochmalige Verlängerung ist kaum wahrscheinlich. Sie sind dann 56 Jahre alt. Was werden Sie tun?

Die weitere Verlängerung meines Vertrages wird von mir und der Stadt Wien abhängen. Es ist noch zu früh, sich darüber Gedanken zu machen.

Auf einen Blick

Kunsthallen-Chef Gerald Matt, Kunsthistoriker, Jurist, seit 1996 im Amt, sieht sich seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Diese wurde im April 2011 belebt durch eidesstattliche Erklärungen seiner Mitarbeiter. Hauptvorwurf: Matt habe KH-Ressourcen für private Zwecke verwendet. Im Mai entließ die KH Kurator Thomas Mießgang. Im November drohten die Grünen mit einer Blockade der KH-Subvention im Gemeinderat, Matt wurde daraufhin befristet vom Dienst freigestellt.

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