Ausstellung: Im Belvedere ist alles Gold, was glänzt

(c) Dapd (Lilli Strauss)
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Gold als Symbol für Spiritualität und Transzendenz in der Kunst? Alles nur haltlose Interpretation, sagt das Belvedere. Mit einer Ausstellung will es uns das Staunen über das geheimnisvolle Leuchten austreiben.

Wahnsinn. Das ist das Erste, was einem durch den Kopf wabert, hat man diesen Marathon einer Ausstellung durchlaufen, den Thomas Zaunschirm im Unteren Belvedere, der Orangerie und dem Prunkstall abgesteckt hat: Gold, Gold, Gold, wohin man schaut. Bei 840 zeitgenössischen Künstlern, die mit Gold arbeiten, habe er aufgehört zu zählen, berichtet der Kurator vom zwingenden Anlass, diese Ausstellung gerade jetzt und hier zu machen.

Und gefühlte 840 Künstler später – tatsächlich sind es „nur“ 200 Werke von 125 Künstlern vom Alten Ägypten bis ins Heute – ist man ebenfalls überzeugt: Gold in der Kunst ist heute wieder Thema. Wie es das derart massiv zuletzt im Mittelalter war. Dazwischen war sein Gebrauch eher uncool – welcher Künstler wollte schon als der Illusion unfähiger Maler, als Kunstgewerbler oder später gar als frommer Katholik gelten?

Heilige Aura für Anus und Kuh

Heute aber, vor allem in der Kunstszene der USA, erlebe der Gebrauch von Gold ein Revival, meint Zaunschirm und belegt das mit einer Flut an Künstlernamen, die man großteils noch nie gehört hat. Klar ist: Es ist nicht mehr automatisch Kitschist, wer Gold verwendet. Und klar wird: Die Künstler haben noch keinen Frieden gefunden mit dieser Nichtfarbe. Dazu muss man nicht erst optisch in den opulent goldgerahmten Anus schlüpfen, den uns der Meister der sarkastischen Fußnote, Nedko Solakov, in einem eigenen Kabinett vor die Nase hängt.

Es reicht ein Blick aufs Nachbarbild, das einen Tunnel zeigt, ebenfalls fett und golden gerahmt und dünn und böse umschrieben: „Ein Tunnel, der zu einem besseren Leben und in eine bessere Zukunft führt, ist nicht attraktiv genug, aber der goldene, sexy Rahmen wird ihn verkaufen (...)“. Statt irgendwelchen Heiligenköpfen umfängt Gold heute Kuhschädel, werden Bananenschalen damit konserviert oder ein Knödel veredelt.

Letzteres tat Erwin Wurm 1989 – was auf die der geografischen Lage der Ausstellung geschuldete, den internationalen Goldkurs verfremdende Dominanz österreichischer Künstler hinweist. Egal, sowieso kann hier nur ein Ausschnitt wiedergegeben werden, der aus Kostengründen, so Zaunschirm, noch dazu Kunst aus Japan, Indien oder den arabischen Ländern ausspart. Dort ist Gold in der Kunst ungebrochen aktuell, wurde nicht von einer Moderne verbannt, die das Hehre und Hierarchische auflösen wollte.

Das Hehre, Hierarchische? Hier kommen wir zum Subtext der Ausstellung: Gold ist nicht, was es scheint, hatte wohl auch nie die Bedeutung, die wir ihm gemeinhin beimessen. Im Katalog gehen Zaunschirm und Mittelalter-Experte Michael Viktor Schwarz daran, uns zu desillusionieren. Dass Gold im Mittelalter symbolisch fürs Jenseits, das göttliche Leuchten und ähnlichen spirituellen Schmafu stand, sei nämlich eine auf keinerlei Quellen beruhende Interpretation der Kunstwissenschaft Anfang des 20.Jahrhunderts.

Tatsächlich soll Gold für völlig unterschiedliche Zwecke eingesetzt worden sein, etwa ganz profan, um gestiftete Heiligenbilder im dunklen Kirchenraum besser von der wohl ebenso dicht wie in der Ausstellung hängenden Konkurrenz abzuheben. Oder schlicht, um die Kostbarkeit einer Stiftung und somit die den Himmel versprechende Großherzigkeit des Stifters hervorzuheben.

Im ebenfalls eingebundenen Prunkstall, in dem das Belvedere seinen Mittelalter-Bilderschatz präsentiert, kann man den eigenen Willen zu dieser Ernüchterung am besten erkunden. Den mittelalterlichen Heiligenbildern wurde hier Zeitgenössisches zur Seite gestellt: das Bild „The Saints“ des US-Künstlers Gajin Fujita und ein goldenes, geflügeltes Hirn des Belgiers Jan Fabre. „The Saints“ ist allerdings eine Hommage an Heilige von heute, zumindest in den USA: an das gleichnamige Footballteam von New Orleans. Der Goldgrund ist besprayed, also ins Heute geholt. Das Hirn Jan Fabres könnte man über diese Symbolik zu rattern anfangen hören... Wird hier das Gold nicht als das verwendet, was er ja angeblich nie war, als Symbol des Ewigen, Göttlichen? Sollten Künstler mehr Katalogtexte von Kunsthistorikern lesen, bevor sie in der Kunstgeschichte wühlen?

Das Schöne an dieser Ausstellung ist das Wechselbad der Gefühle: Einmal soll man das Gold mit Füßen treten, wie im mit Gold gepflasterten Gang zur Orangerie. Dann steht man in dem langen Raum, der durch einen riesigen, runden Goldschild am anderen Ende wie ein Meditationsraum wirkt. Und ist überwältigt. So leicht ist uns das Staunen eben nicht auszutreiben, sorry.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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