Domenig: Fantasie für die Macht der Steine

(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
  • Drucken

Der Architekt Günther Domenig ist tot. In Wien baute er die Zentralsparkasse, das T-Mobile-Center. Von seiner stärksten Utopie erzählt das Steinhaus am Ossiacher See.

Da steht es, ein Monument des Dekonstruktivismus, weit entfernt von den luftigen, witzigen Entwürfen Coop Himmelblaus: Günther Domenigs Steinhaus in Steindorf am Ossiacher See. Allein der Name und der Ort sind ein Statement. Dieser Bau kokettiert nicht, er droht, er ist eine kühne Festung, eine moderne Ritterburg im alten Grenzland Kärnten, die der Natur trotzt und gleichzeitig elegant über ihr thront. Vielleicht auch über den Menschen?

Das Kunstwerk, das Architekturgeschichte schrieb, verursachte seinem Schöpfer große Probleme. 22 Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung. Das Verständnis hielt sich zunächst in Grenzen, die Begeisterung sowieso: Komischer Bunker, fanden die Leute: „Die Touristen, ein Horror“, schimpfte Domenig, „da stehn's vor dem Steinhaus und fragen mich: Was ist das?“ Domenig fühlte sich wie Arnold Schönberg, der mit der ständigen Frage konfrontiert, was es denn mit seiner Zwölfton-Musik auf sich habe, schließlich brüllte: „Diese Frage ist erst erlaubt, wenn Sie sich vorher damit beschäftigt haben!“ Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen Zwölfton-Musik und dem Steinhaus: eben den Dekonstruktivismus. Domenig wie Schönberg zerlegten die alten Systeme und setzten sie neu zusammen. Das Steinhaus, auch technisch ein Wunderwerk, steht auf 80 Pfeilern. Für ihn, so sagte Domenig, war dieser Bau auch persönlich eine wichtige Erfahrung „der Isoliertheit, der Einsamkeit und der Unabhängigkeit“.

Domenig wurde 1934 in Klagenfurt geboren und absolvierte in den fünfziger Jahren sein Architekturstudium in Graz. Gegen die teils hässlichen Zweckbauten der Nachkriegszeit, bei deren Errichtung Geschwindigkeit und Nützlichkeit wichtiger waren als Ästhetik, setzte Domenig klare Akzente. Er widmete sich neuen Strömungen und war auch ein Pionier. Sein Stil bewegte sich zwischen Strukturalismus, Brutalismus, Expressionismus. Seine Bauten strahlten Monumentalität aus, hatten aber auch immer etwas Schwebendes. Die Zentralsparkasse auf der Wiener Favoritenstraße, heute im Besitz des Echo-Verlages, ziert eine fließende Wellenfassade. Man ist versucht an das flüchtige Kapital zu denken, das allerdings in den siebziger Jahren noch weniger wild über die Klippen hinab stürzte als heute. Das T-Mobile Center in St. Marx scheint wie ein Schiff abheben zu wollen. Die Bautechnik entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten wohl nicht viel weniger rasant als die Telekommunikation. 30 Jahre liegen zwischen den beiden Bauten. Domenig hatte ein Faible für Inszenierung und eine Affinität zum Theater. Er entwarf Bühnenbilder zu Opern wie „Elektra“ oder „Moses und Aaron“. Er erweiterte das Wiener Ronacher. Er stattete die Kärntner Landesausstellung in Hüttenberg aus – in der die zwingende Aura des Bergbaus blendend zum Ausdruck kam.

„Architektur muss brennen!“

Von den Künstlern ist der Architekt vielleicht am stärksten in Gefahr in der Erdenschwere des Materiellen zu versinken. So viel muss stimmen und gelingen, damit ein Bauwerk perfekt ist. Meist ist es ein Kompromiss. Domenig, der schmale Mann mit der mächtigen Stimme, wehrte sich laut polternd gegen Sachzwänge. Er war ein großer Förderer der Jugend. Ab 1980 war er Universitätsprofessor in Graz, auch als Gastprofessor und Wettbewerbs-Juror gefragt. Seine Botschaft gab er mit Freuden weiter: Macht keine (faulen) Kompromisse!

Er selbst hat sich immer wieder aus Arbeitsgemeinschaften verabschiedet wie sie gerade die Architekten zur Aufgabenteilung pflegen. 1975 trennte er sich von Eilfried Huth, mit dem er 12 Jahre zusammen gearbeitet hatte. 1998 gründete er mit Hermann Eisenköck und Herfried Peyker die Architektur Consult ZT GmbH, die er 2006 verließ. Außerdem wirkte er mit Gerhard Wallner in der Architekten Domenig & Wallner ZT Gmbh. Vor allem aber war er ein Einzelkämpfer, ein Monolith wie 2008 in der „Presse“ ein „spectrum“-Artikel über Domenig übertitelt war. „Alle wesentlichen Arbeiten Domenigs lassen sich als Absicht interpretieren, individuellen Gefühlen in gebauter Form Gestalt zu verleihen“, hieß es darin. In diesem persönlichen Ausdruck lag dann die Moderne, die sich in Österreich nicht leicht durchsetzte. Domenig konterkarierte mit einem Dokumentationszentrum in Nürnberg die Nazi-Architektur, er zeigte ihr, wie ein Kritiker schrieb, „die lange Nase“. Ein wichtiger Wirkungsbereich Domenigs war Graz: In der Landeshauptstadt entwarf er mit Eilfried Huth die Pädagogische Akademie, Gebäude für die Universität, Technik sowie Rechts-und Sozialwissenschaft, außerdem gelang ihm der markante Mursteg. Seinen pfiffigen Nachfolgern Coop Himmelblau, die ihn fragten, was denn wichtig sei an der Architektur soll Domenig einmal gesagt haben: „Architektur muss brennen!“ Mit 77 Jahren ist dieser Visionär nun gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Günther Domenig (1934…

Das Lebenswerk des Stararchitekten

Guenther Domenig
Kunst

Architekt Günther Domenig 77-jährig gestorben

Der gebürtige Kärntner starb in seiner Wohnung in der Steiermark. Er zählt zu den bedeutendsten Architekten Österreichs.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.