Alles digital: Das Ende des Buches?

Oesterreichische Nationalbibliothek praesentiert ihre Vision fuer das Jahr 2025
Oesterreichische Nationalbibliothek praesentiert ihre Vision fuer das Jahr 2025ÖNB/APA-Fotoservice/Schedl
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Die Österreichische Nationalbibliothek will bis 2025 einen Großteil ihrer Bücher digitalisieren. Das stößt auf heftige Kritik. Auch die IG Autorinnen Autoren fürchtet den Datenverlust. Die ÖNB relativiert.

Die Kritik war programmiert. Als die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, vergangene Woche ein Konzept mit den Visionen der ÖNB für das Jahr 2025 präsentiert hat, war klar, dass diese nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen würden. Hauptärgerpunkt: In Zukunft soll ein wesentlicher Teil des Buchbestandes der Nationalbibliothek digitalisiert aufbewahrt werden – das gedruckte Buch wird nur mehr auszugsweise Platz in den Speichern finden.

So sieht der Germanistikprofessor Michael Rohwasser die Aussagen der ÖNB-Direktorin aus technischen Gründen sehr kritisch. „Je älter ein Medium ist, desto haltbarer ist es. Je moderner, desto fragiler ist es. Steintafeln sind zum Beispiel für die Ewigkeit gemacht worden.“ Bei digitalen Datenspeichern sei das nicht mehr der Fall. Auch die IG Autorinnen Autoren fürchtet den Datenverlust. „Eine elektronische Sammlung bietet keinen ausreichenden Schutz“, sagt etwa Sprecher Gerhard Ruiss. Weiters kritisiert er den damit verbundenen Ausbau der Public Private Partnerships. Der Konzern Google digitalisiert etwa schon derzeit den gesamten urheberrechtsfreien Bestand der Bibliothek (immerhin 120 Millionen Seiten). Damit begebe man sich zu sehr in Abhängigkeit.

Im Gespräch mit der „Presse“ relativiert die Generaldirektorin ihre Aussagen ein wenig. Auch in Zukunft werde es Bücher in der Nationalbiblitothek geben. Die Frage sei nur, welche. So möchte Rachinger Bücher, die es sowohl elektronisch als auch in der Print-Ausgabe gibt, nur mehr elektronisch sammeln. Unterscheiden sich die Ausgaben, sind beide abzulegen. Ein eigener Kriterienkatalog soll zusätzlich festlegen, welche Bücher im Print behalten werden müssen und welche nicht.

Auch Uni Wien setzt auf digital

Anlass für diese Entwicklung sind durchaus auch wirtschaftliche Gründe: „Selbstverständlich können wir auch das gedruckte Buch zusätzlich zur elektronischen Ausgabe sammeln. Bei entsprechender budgetärer Deckung“, sagt Rachinger. Ihr sei es außerdem wichtig, dass der Sammelauftrag der ÖNB auch auf E-Books, Blogs oder öffentliche Statusmeldungen ausgeweitet werde. Das sehe das Gesetz nicht vor. Aus gutem Grund, kontert Ruiss. Man solle mitreden dürfen, ob auch Blogeinträge gesammelt werden. Nicht alles davon sei für die Ewigkeit bestimmt.

Eine entsprechende Novellierung des Mediengesetzes will die ÖNB bald verhandeln. Die IG Autorinnen Autoren fordert eine Einbindung in die Gespräche.

International gesehen haben die Ideen der ÖNB durchaus visionären Charakter. „Natürlich wird sich die Medienwelt verändern, aber die Nutzer werden – aus den unterschiedlichsten Gründen – stets in die Lesesäle kommen“, sagte etwa Michael Fernauer, Direktor der Deutschen Nationalbibliothek der „Leipziger Volkszeitung“. Elisabeth Niggemann, Vorsitzende der Konferenz der Europäischen Nationalbibliothekare, sieht das differenzierter. „Vom gedruckten Buch werden wir uns nicht so schnell verabschieden. Allerdings nimmt für Wissenschaftler die Notwendigkeit ab, in eine Bibliothek an einem bestimmten Ort zu gehen. Sie haben über ihre Bibliotheken eine Lizenz, über die sie direkt an ihren Computern an die notwendige Literatur aus aller Welt herankommen“, sagt sie der „Frankfurter Rundschau“.

In Österreich ist die ÖNB jedenfalls nicht die einzige Bibliothek, die mit digitalen Büchern liebäugelt. Die Wiener Universitätsbibliothek kann sich mit den Plänen der Nationalbibliothek ebenfalls identifizieren. „Auch wir stellen systematisch um“, sagt Leiterin Maria Seissl. Wissenschaftliche Zeitschriften sind schon jetzt nur mehr online abzurufen. Lehrbücher, die von vielen Studenten gebraucht werden, werden als E-Books angekauft. Nur Print-Ausgaben von Abschlussarbeiten sollen weiterhin gesammelt werden.

Technische Probleme

Sowohl Seissl als auch Rachinger sehen in der Digitalisierung eine Erleichterung des wissenschaftlichen Arbeitens und einen besseren Zugang zu Informationen. So sollen die digitalisierten Sammlungsbestände der ÖNB sowie rund 3500 Online-Datenbanken auch um geografische Koordinaten und Personendaten angereichert und verknüpft werden.

Möglich ist das nicht bei allen. Denn urheberrechtlich geschützte Bücher werden auch in Zukunft nicht ins Internet gestellt werden. „Diese Bücher können weiterhin nur im Lesesaal der Nationalbibliothek gelesen werden.“ Ob das nicht das ganze digitale Projekt ad absurdum führe? Nein, sagt Rachinger. „Man hat ja auch den Vorteil der Volltextsuche.“

Dass solche Projekte die ÖNB vor eine gewaltige technische Herausforderung stellen, ist klar. Schwierig an den neuen Technologien sei, dass sie veralten, daher in Abständen große Datenmengen umkopiert werden müssen, sagte Rachinger auch bei der Konzeptpräsentation. Ob also durch solche Pläne etwas eingespart werden kann, ist durchaus fraglich. Das sei aber auch gar nicht ihre Absicht bei der Erstellung des Konzepts gewesen, sagt Rachinger zur „Presse“. Visionen bauen nicht auf so etwas auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2012)

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