Wider die Angst

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In einem differenzierten Roman über die 1950er in Rumänien erzählt Gabriela Adameşteanu, wie man inmitten des Terrors aufrecht durchs Leben gehen kann.

Letitia Branea wohnt mit Mutter Margareta und Onkel Ion in einer rumänischen Stadt zur Untermiete. Der Vater sitzt im Gefängnis. Unterbrochen wird Letitias eintöniges Leben nur von den Besuchen des fröhlichen jüngeren Bruders der Mutter, der manchmal aus Bukarest kommt und Neuigkeiten aus der Hauptstadt berichtet. Ähnlich wie Moskau in Tschechows „Drei Schwestern“ wird Bukarest in Adameşteanus Roman zur Projektionsfläche der Sehnsüchte und Träume. Letitia gelingt es– trotz ihrer „schlechten Akte“ –, in Bukarest zu studieren. Sie verliebt sich in den Dozenten Petru Arcan, mit dessen Hilfe sie noch etwas anderes schafft: Das Werk ihres Onkels wird publiziert. Ion durfte nicht als Wissenschaftler arbeiten und muss im Gymnasium unterrichten. Er versucht erst gar nicht, aus seinem Elend auszubrechen, sondern nimmt die Schikanen der Umwelt hin, schluckt und schluckt und schluckt, bis er stirbt. Letitia schwört, es anders zu machen. Sie trotzt nicht nur den staatlichen Repressalien, sondern emanzipiert sich auch auf privater Ebene vom scheinbar allwissenden Petru.

Adameşteanu verzichtet auf drastische Schilderungen der Gräuel der Diktatur. Stattdessen erzählt sie in präziser, unaufgeregter Sprache von einer Atmosphäre des Misstrauens, in der jeder jeden bespitzelt. Dennoch entwickelt sich Letitia zu einer starken jungen Frau. So wird diese Geschichte auch zur Parabel über den Staat Rumänien, dem es im Sog der Befreiungsbewegungen von 1989 gelungen ist, die Diktatur zu überwinden. cle


Gabriela Adameşteanu: „Der gleiche Weg an jedem Tag“, übersetzt von Georg Aescht, Verlag Schöffling & Co., 436 Seiten, 23,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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