Klein fängt es an, Pitschü!

Es ist wie mit Kochbüchern - und Kuchen: Die Rosinen sind nicht immer leicht zu finden. Von kaltem Kakao, tropfenden Nasen, grünem Wind und einem Kobold namens Miss Pim: die Kinderbücher der Saison.

Schreibt jeder, der Geschichten erzählen kann und/oder Kinder hat, ein Kinderbuch? Eine Frage, die man sich stellt, wenn man das gewaltige Angebot betrachtet. Es ist wie mit Kochbüchern - und Kuchen. Die Rosinen sind nicht immer leicht zu finden. Ein Versuch, trotzdem.

Wozu Benimm? Das fragten vielleicht vor 20 Jahren noch weniger Kinder als heute. Ein schmales Bilderbuch gibt erste und sehr lustige Anregungen. Aus der Hundewelt. Die Autorin ist Britin und ehemalige Klosterschülerin. Man merkt das aber nur an der Etikette, nicht an deren Vermittlung.

Babette Cole: "Lady Lupines Benimmbuch", Aus dem Englischen von Nicola T. Stuart, 32 S., € 13,30, S 183,01 (Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

"In Panama ist alles viel schöner. Panama ist das Land unserer Träume." Wer diesen Satz liest und einigermaßen in Kinderliteratur bewandert ist, der weiß schon alles. Eine Neuerscheinung ist dieses Buch zwar nicht, aber es muß trotzdem auf diese Seite: Der kleine Bär und der kleine Tiger, die zufrieden in ihrem gemütlichen Haus mit Schornstein leben, werden von einer Kiste, die im Fluß vorbeitreibt und nach Bananen riecht, auf eine Reise gelockt. Sie suchen Panama, das Glück und einen Schatz, sie erfahren die zweifelhaften Segnungen von Post und Telephon und die unzweifelhaften Segnungen der Freundschaft. Süß.

Janosch: "Das große Panama-Album", 140 S., € 23,20, S 319,24 (Beltz Verlag, Weinheim).

Und noch ein paar Tips für kleinere und kleinste Kinder. Schnupfen, eine Plage. Klein fängt es an, dann wackelt der Mensch, schließlich platzt gar das Haus, in dem er sich aufhält, aus allen Nähten: Pitschü! Der Text stammt von Christian Morgenstern, sehr witzig und bizarr illustriert von Norman Junge.

Christian Morgenstern, Norman Junge: "Der Schnupfen", 24 S., € 15,50, S 213,28 (Aufbau Verlag, Berlin).

Kein Honig, kalter Kakao und Müesli statt Nutella, der Tag fängt nicht gut an für Anna. Ihr Gequengel stört Papa beim Zeitungslesen, seinen Unmut lädt er bei Mama ab. Die nimmt sich daraufhin einen freien Tag und überläßt Papa mit dem Kindernachmittag seinem Schicksal. So aggressionsfrei wie selten im richtigen Leben geht es in diesem Buch zu, das aber trotzdem aufschlußreich ist.

Manfred Mai, Karin Schliehe, Bernhard Mark: "Mama hat heut frei", 58 S., € 6,50, S 89,44 (Ravensburger Verlag, Ravensburg).

Karolina wünscht sich einen Kobold, rothaarig wie Pumuckl soll er sein und sie vor dem gemeinen Hausmeister und dem arroganten Nachbar-Mädchen beschützen. Als der Kobold in Gestalt einer winzigen alten Dame namens Miss Pim erscheint, ist Karolina enttäuscht. Aber bald weiß sie Miss Pims Schlagfertigkeit zu schätzen.

Dagmar Geisler: "Karolina wünscht sich einen Kobold", 42 S., € 6,50, S 89,44 (Ravensburger Verlag, Ravensburg).

Eddie Murphy als Doktor Doolittle im gleichnamigen Film war nett. Mindestens ebenso nett und weniger protzig ist das Buch über den englischen Arzt, der mit seinen Tieren Urlaub macht und, statt sich am Strand zu erholen, einen kranken Leuchtturmwärter retten muß - und ein Schiff, das fast an den Klippen zerschellt.

Alison Sage, Stefanie Scharnberg: "Doktor Doolittle auf der Drachenkopfinsel", Aus dem Englischen von Karen Nölle-Fischer, 60 S., € 7,80, S 107,33 (Dressler Verlag, Hamburg).

Nun zu den Größeren: Der Bub Tuxe muß erleben, wie beim Fußball ein Vater der gegnerischen Mannschaft für diese ein Tor trickst, ohne daß der Schiedsrichter es merkt. Tuxe tobt, und weil ihm niemand glaubt, welche Schweinerei passiert ist, geht er nicht mehr auf den Fußballplatz. Trotzdem erlebt Tuxe eine wilde Zeit mit seinem neuen Freund Wojtek, Skinheads - und bald wieder auch mit Fußball.

Hermann Mensing: "Flanken, Fouls und fiese Tricks", 120 S., € 8,90, S 122,47 (Ueberreuter Verlag, Wien).

Lucy ist ein Scheidungskind. Papa hat eine neue Familie, Mama einen Freund. Vor den Sommerferien sitzt Lucy zwischen allen Stühlen und muß statt ins sonnige Kalifornien zur Tante ins trübe Irland. Vom Egoismus der einen und von der geduldigen Zuwendung anderer Erwachsener handelt "Eine Tüte grüner Wind": ein realistisches, melancholisches, aber auch positives Buch über das Zurandekommen mit Verhältnissen, wie sie in Familien heute (oft) anzutreffen sind - und ein recht authentisch wirkendes über den Hauptschauplatz Irland.

Gesine Schulz: "Eine Tüte grüner Wind", 144 S., € 8,90, S 122,47 (Ueberreuter Verlag, Wien).

Um ein weiteres Scheidungskind geht es in "Ein Hund für Katie". Anders als die materiell begünstigte Lucy lebt Katie in beengten Verhältnissen. Die Mutter hat zum zweiten Mal geheiratet, einen gegen das Kind abweisenden Mann. Ein verlassener Hund auf einem nahen Schrottplatz erweckt Katies Aufmerksamkeit. Doch Hunde sind in Sozialwohnungen nicht gestattet, und auch Katies Freundinnen rümpfen die Nase über das verwahrloste Tier. Katie beschließt, den Hund zu füttern, obwohl sie das Futter von ihrem Taschengeld bezahlen muß. Anrührend und grausam ist dieses Buch, aber es ist gerade deshalb bemerkenswert, weil es sich von den üblichen Schilderungen der Kinderwelt abhebt.

Erika Tamar: "Ein Hund für Katie", Aus dem Amerikanischen von Annette von der Weppen, 238 S., € 11,30, S 155,49 (Klopp Verlag, Hamburg).

Nach Hamburg im 14. Jahrhundert, als der Handel blühte, von Seeräubern bedroht, führt "Klaus Störtebeker" - in einer Neubearbeitung der Sage vom 1401 hingerichteten Freibeuter, der noch nach seiner Köpfung davongelaufen sein soll. Im Mittelpunkt der Abenteuergeschichte steht der arme Hermann, der Hilde, das Mädchen aus gutem Hause, liebt, trotzdem zur See fährt und es mit dem Freibeuter aufnimmt, was ihn beinahe das Leben kostet.

Gustav Schalk: "Klaus Störtebeker", Bearbeitet von Maria Czedik-Eysenberg, 142 S., € 7,90, S 108,71 (Ueberreuter Verlag, Wien).

Auf Rügen bei seinen Großeltern macht der pubertierende Jonas Ferien, was ihm in diesem Jahr schwerfällt, weil er die von ihm verehrte Milly verlassen muß. Kurz vor Schulschluß überrascht Jonas Milly noch mit seinem Liebesgeständnis, was unerwartete Konsequenzen hat. Aber auch auf Rügen ist in diesem Jahr manches anders als sonst. Das Naturparadies ist in Gefahr, und der ohnedies störrische Opa benimmt sich besonders unzugänglich und geheimnisvoll. Um junge Liebe und alte Vorurteile gegen Ausländer geht es in diesem charmanten Buch.

Piri und Klaus Meyer: "Leine los für Jonas!", 166 S., € 9,95, S 136,91 (Ravensburger Verlag, Ravensburg).

Der Wichtel Norg gerät ins verbotene Menschenland und in eine Falle. Zwei grobe Knaben sperren ihn in einen Käfig. Ein dritter, Marvin, will ihn befreien, aber das Zwergelchen hat sich verletzt, und so muß Marvin ihn tief in den Wald, nach Hause, begleiten. Das kleine Volk ist in Panik vor den Menschen. Norg wird verstoßen - und zu allem Überfluß suchen ihn seine Peiniger, die beiden bösen Knaben . . .

Wolfgang Hohlbein: "Norg im verbotenen Land", 172 S., € 10,20, S 140,36 (Thienemann Verlag, Stuttgart).

Hans Rosenthal: Viele erinnern sich an den Showmaster aus "Dalli, dalli", der 1987, nur 62jährig, verstarb. Den Zweiten Weltkrieg überlebte Rosenthal, der Jude war, versteckt in einem Schrebergartenhaus bei Berlin. Auch die Kindheit der Wiener Dichterin Elfriede Gerstl fand ein jähes Ende, als sich die Eltern trennten und die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Rosenthals und Gerstls Geschichten werden in "Überleben im Versteck" erzählt: nebst sieben weiteren dokumentarischen Berichten aus der Kriegszeit, erschreckend und berührend.

Franz Severin Berger, Christiane Holler: "Überleben im Versteck - Schicksale in der NS-Zeit", 180 S., € 14,90, S 205,03 (Ueberreuter Verlag, Wien).

Eine Gruppe Kids muß fürchten, eine geliebte Lehrerin, die aushilft, zu verlieren. Die Kinder beschließen, für Frau Besenbinder einen Mann zu suchen, damit sie in der Stadt und in der Schule bleiben kann. Abgesehen davon, daß das Buch nett zu lesen ist, in seiner Schilderung verschiedener Milieus, aus denen die Kinder kommen, und Mentalitäten ist auch einiges darüber zu erfahren, wie Kids Bekanntschaft mit dem Computer machen, mit Fakes, Kettenbriefen et cetera.

Werner Färber: "Email für [*]lle", 88 S., € 8,80, S 121,09 (ars edition, München).

Das P. S. gehört diesmal dem Schaf Selma: Selma liebt das einfache Leben, fressen, ein bißchen Sport, plaudern, mit den Kindern spielen, bis ihr eines Tages ein Reporter ein Mikrophon vor die Nase hält und wissen will, was sie täte, wenn sie Lotto-Millionärin wäre. Welche Versuchung! Keine Neuerscheinung, aber ein erbauliches Büchlein für die Handtasche.

Jutta Bauer: "Selma oder: Was ist Glück?", 56 S., € 8,20, S 112,83 (Lappan Verlag, Oldenburg). [*]

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